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heft .

Das Buch für Alle.

97

auf den Rübenkurſus einzulaſſen. Das aufgebrachte Ver-
ſuchsobjekt verließ in ſchnöder Weiſe das Haus und — klagte
auf Scheidung. So blieb die Lehre von den Charaktergemüfen
bis heute unerwieſen. € R
Genau ausgeſührter Befehl. — Dem Zaren Paul I.
von Rußland war nichts unangenehmer, als wenn ſeine Be-
fehle nicht genau nach dem Wortlaut ausgeführt wurden, und
ſeine Umgebung hatte deshalb oft die ſchärfſten Zurecht-
weiſungen erfahren. Eines Tages wurde ihm eine unbedachte
Aeußerung der ſchönen Fürſtin Galitzin hinterbracht.
„Waſchen Sie der
Dame gehörig den
Kopf!“ befahl er dar-

im ſiebzehnten Lebensjahre Der junge Mann war ein Stu-
dent, Namens Johann Fiſchart, Schwager des Buchdruckers
Jobin und zwanzig Jahre alt. Das junge Paar ſchwor ſich
Liebe und Treue, weil es gezwungen war, von einander Ab-
ſchied zu nehmen. Da naͤmlich die Praxis des Arztes eine
geringe, der Geſchwiſter aber viele waren, naͤhm Eva eine Stelle
als Kindererzieherin im Hauſe des Barons Wendland zu Straß-
buxg an, während Johann gleichzeitig einen jungen Fürſten
auf einer Reiſe nach der Schweiz und Italien begleiten ſollte.

Die Reiſe dauerte drei ganze Jahre Eine Korreſpondenz

gleichgiltigen Geſprächen faßte ſich Johann endlich ein Herz
und ſagte: „Jungfer, ich habe Euch vor drei Jahren Liebe
und Treue geſchworen, jetzt aber fällt es mir ſchwer auf's Herz,
daß ich Euch dieſen Schwur ſo ſchlecht gehalten habe.“

„Ei, wie denn das?“ fragte Eva!

Ich ſtehe im Begriff, die Jungfrau Anna Eliſabeth Hertzog
zu meinem Weibe zu machen.“

„Da thut Ihr Recht daran. Aber ich habe meinen Schwur
noch piel ſchlimmer gebrochen, denn ich bin jetzt die Chefrau
des Barons Wendland, und dort könnt Ihr mein erſtes Kind

ſchauen,“ ſagte Eva
und deutete auf ein

auf dem Generalgou-
verneur Grafen Pah-

len

Sogleich fuhr Pah-
len zur Fürſtin und
verlangte Waſchbecken
und Waſſer, Seife
und Handtuch und
nahm der erſtaunten
Dame die Haube vom
Kopfe

„Was beginnen
Sie, Herr Graf?“
fragte erſchrocken die
Graͤfin.

„Ich erfülle den
Willen Seiner Maje-
ſtät,“ lautete die
trockene Antwort

Und nun folgte
eine um ſo feuchtere
Prozedur. Als er den
Kopf ſeines Opfers
gründlich gewaſchen,
verbeugte ſich Pahlen
höflichſt, fuhr zum
Palais zurück und
meldete dem Kaiſer,
daß er ſeinen Befehl
vollſtreckt habe. E8.

Benützte Sitel-
Reit. Rubini, der
berühmte italieniſche
Tenor, wurde in Ita-
lien zu Anfang dieſes
Jahrhunderts ſo ver-
göttert, daß ſeine Ei-
telkeit in's Maßloſe
wuchs. Viele benutz-
ten dieſe Schwäche,
um ihn mit Erfolg

anzubetteln. Zu
Neapel drang einmal
ein Dieb in das Zim-
mer, welches Rubini
im Hotel bewohnte,
während er im Theater
ſang. Die Vorſtel-
lung war aber viel
früher beendet, als
der Räuber gerechnet
hatte, denn als er den
Kleiderſchrank geöff-
net hatte und dann mit
dem Nachſchlüſſel an
anderen Möbeln ope-
rirte, hörte erSchritte.
Schnell ſchlüpfte er in
den Schrank, und kaum
hatte er die Thüre
hinter ſich zugezogen,
als Rubini eintrat.
Der Sänger legte den
Mantel ab und wollte
ihn ſeiner Gewohnheit
gemäß in den Kleider-
ſchrank hängen. Zu
ſeinem Schrecken faßte

ſeine Hand einen
menſchlichen Körper.
Einen Schrei aus-
ſtoßend eilte er nach
der Thüre und öffnete
ſie um nach Hilfe zu
rufen.

„Halt, Eccellenza,
einen Augenblick!“rief
der Dieb, der ihm
nacheilte, in bitten-

Baby, welches von
einer kräftigen Elſäſſe-
rin hin und her ge-
tragen wurde.
So konnte Johann
Fiſchart, der ſpäter
ſo berühmt gewordene
Autor der „Ge-
ſchichtsklitterung“,
„Gargantoa und Pan-
tagruel” u. ſw., ohne
Gewiſſensbiſſe ſeine
Yına Eliſabeth hei-
H—d.

Att

in Deutfhlant finD
die Wandlungen,
welche das Poſtamt in
Emden innerhalb
64 Jahren durchzuma-
chen hatte. Im Jahre
1807 führte daſſelbe
die Bezeichnung „Kö-
niglich holländiſches
Poſteontor“, 1811
„Kaiſerlich franzöſi-
ſches Poſtamt“, 1813
„Königlich preußi-
ſches“, 1815 „König-
lich großbritanniſch-
hannover'ſches“, 1837
„Königlich hannover-
ſches“, 1866 „König-
lich preußiſches“, 1868
„Norddeutſches Bun-
despoſtamt“ und ſeit
1871 heißt es „Kai-
ſerlich deutſches Poſt-
amt“. E. &.

Qie man umi
ſonſt leben kann.
Am Rio Grande, der
bis zu ſeiner Mün-
dung in den Golf
von Mexiko die Grenze
zwiſchen Texas und
Mexiko bildet, liegt

die amerikaniſche
Stadt El Paſo der
mexikaniſchen Stadt
Juarez gegenüber-
Beide ſind durch eine
Brücke verbunden In
El Paſo iſt der ameri-
kaniſche Dollar ſelbſt-
verſtändlich 100 Cents
werth, der merika-
niſche dagegen nur
85 Cents, und in
Juarez herrſcht genau
das umgekehrte Ver-
hältniß. Ferner iſt in
beiden Städten das
Kleingeld faſt ſo rar
wie in Italien. Wenn
nun ein Mann in El
Paſo am Morgen ſei-
nen Kaffee für 15
Cents trinkt und einen
amerikaniſchen Dollar
in Zahlung gibt, ſo
erhält er einen mexi-
kaniſchen Dollar her-

aus. Geht der Mann
dann über die Brücke
nach Juarez, läßt ſich
dort ein Frühſtück für

dem Tone.

„Wer ſind Sie?
Was wollen Sie?“
fragte Rubini, in-
dem ſeine Hand nach dem Glockenzug faßte

„Ich bin ein armer Teufel, der den größten Meiſter Ita-
liens verehrt und gern von ihm eine Locke zum Andenken
haben möchte Deshalb habe ich Sie hier erwartet.“

Rubini lächelte Ohne im Geringſten an der Angabe des
Menſchen zu zweifeln, nahm er aus feinem Taſchenbuͤche eine
von den Locken, welche er ſtets bei ſich trug, überreichte ſie
dem Dieb nebſt einem Goldſtück und ließ den ſtürmiſch Danken-
den ruhig von dannen ziehen. M. H—d.

Ewige Treue. Im Frühjahr 1570 ſtanden im Garten
des Buchdruckers Jobin zu Straßburg ein hübſches Mädchen
und ein junger Mann und ſchworen ſich ewige Liebe und
Treue. Das Mädchen hieß Eva Forſter, war die Tochter des
im Jobin'ſchen Hauſe wohnenden Arztes Forſter und ſtand


war wegen der damaligen Verkehrsvexhältniſſe auf Reiſen faſt
unmöglich, und ſo hörte denn das liebende Paar jahrelang
gar nichts von einandex. Endlich kehrte Johann nach Straß-
burg zurück. Sein erſter Gedanke aber war nicht etwa Eva
Forſter, ſondern eine andexe Straßburgerin, die er mit ihrem
Jater auf der Reiſe getroffen, und mit der er den Heimweg
angetreten hatte — Anna Eliſabeth Hertzog hieß ſie Dieſe füllte
jetzt ſein ganzes Herz aus. Wie groß war daher ſein Schrecken,


Dame traf, welche Niemand anders war, als Eva Forſter.
Schöner war ſie geworden und ftattlicher.

Sein erſter Gedanke war: umkehren und fliehen! Schnell
aber verwarf er ihn, trat muthig auf Eva zu, begrüßte ſie


15 Cents reichen, ſo
erhält er für ſeinen
mexikaniſchen Dollar
wieder einen ameri-
kaniſchen, der ſich in El Paſo auf's Neue vortheilhaft ver-
wenden läßt. Wer alſo gut zu Fuße iſt und über einen
Dollar verfügt, für den iſt die Gegend ein Eldorado. E..

Berplappert. — Zar Alexander II. wohnte Ende der
fünfziger Jahre, anläßlich eines Beſuches in Jugenheim, einem
vom Großherzog von Heſſen veranſtalteten Fuchsgraben bei.
Aß ſechs Füchſe aus dem Bau gehoben waren meinte der Zar:
„Sehr intereſſant in der That, ſechs Füchſe in einem Bau !“

Der Großherzog verbeugte ſich und rief ſeinen Jägern zu:
„Genug! Wir wollen weiter gehen!“

Da platzte jedoch einer der Jäger zum allgemeinen Er-
götzen heraus: „Königliche Hoheit, es ſteckt noch einer drin,
wir haben ſieben hinein gethan!“ — 0 4 —
 
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