SS
Das —2— ün Yl
71
Von den Mitteln, welche Dallmer ihr freigebig zur
Verfügung ſtellte, verwandte ſie nur einen kleinen Theil
auf ihre Toilette, die fortdauernd einfach blieb, da ſich
für ſie keine Gelegenheit fand, Geſellſchaften zu beſuchen.
Dallmer beſaß keinen Verkehr, und ſie fürchtete, es würde
ihm unangenehm ſein, wenn ſie ihm ſolchen in's Haus
brächte. Sie vermied es deshalb, Bekanntſchaften an-
zuknüpfen, obwohl ihr dies von verſchiedenen Seiten
nahegelegt ward; denn ſie war doch von den Um-
wohnenden nicht unbemerkt geblieben, ward zu Zwecken
der Wohlthätigkeit vielfach in Anſpruch genommen und
ſuchte ſelbſt Arme und Kranke auf, um ſie zu unter-
jtüßen. Auch einigen Vereinen hatte ſie ſich angeſchloſſen
und ließ es ſich angelegen ſein, ihre Bildung zu ver-
tiefen und harmoniſch auszugeſtalten. Inmitten aller
dieſer Beſchäftigungen vermochte ſie freilich die traurige
Frage nicht zu unterdrücken, ob ſie das Alles immer
nur für ſich ſelbſt thun, ob es nie Anderen Freude oder
Nutzen bringen würde? *
Auf den vielen Fahrten, welche Gertrud vermittelſt
der Stadt- und der Pferdebahn zwiſchen Charlottenburg
und Berlin machte, war ſie öfter mit einer Dame zu-
ſammengetroffen, die ihr zuerſt durch ihre Schönheit
und ſympathiſche Erſcheinung aufgefallen war. Vom
Sehen war man zum Grüßen gekommen, hatte dann
ein paar Worte miteinander gewechſelt, ſich gegenſeitig
vorgeſtellt, und ſo hatte es ſich ganz wie von ſelbſt ge-
macht, daß der Weg vom Bahnhof oder der Halteſtelle
der Pferdebahn zuſammen zurückgelegt ward; zuweilen
wurde auch Elvira Wehrmann von Gertrud bis zu
ihrer Wohnung begleitet.
Auf einem ſolchen Gange war Dallmer den beiden
jungen Damen begegnet, hatte ſie angeſprochen, ſich von
Gertrud Fräulein Wehrmann vorſtellen laſſen, Beide
ein Stück begleitet und Jene freundlich eingeladen, doch
guͤte Freundſchaft mit ſeiner Tochter zu halten, der er
(änaft einen ſo paſſenden, anregenden Umgang ge-
wünſcht habe.
Auͤf ſeinen ausdrücklichen Wunſch hatte Gertrud
ſchon am nächſten Tage bei Frau Konſul Wehrmann
einen Beſuch gemacht, welche ſich allerdings zunächſt
nur zögernd auf den Verkehr eingelaſſen hatte, jedoch
nach einem Beſuch in der Villa des Rentiers, und nach-
dem er ſelbſt ihr ſeine Aufwartung gemacht, bald an-
deren Sinnes geworden war. —
Eher noch, als Dallmer ſich über ſeine Abſichten
klar geworden war, und weit früher, als die fo ziem-
lich im gleichen Alter ſtehenden Mädchen eine Ahnung
dabon hHatten, war die kluge, ſcharf beobachtende Frau
Wehrmann außer Zweifel darüber, daß das Herz des
beinahe ſechzigfährigen Mannes ſich noch einmal, der
Liebe geöffuet hatte und ſie war entſchloſſen, das Eiſen
zu ſchimieden, ſo lange es heiß war. In ſeiner etwas
unbeholfenen Ayt wagte Dallmer nicht, ſich mit ſeinem
Antraͤge an Elvira jelbſt zu wenden, die alle ſeine
Aufmerkſamkeiten bisher ganz harmlos als Ausfluß eines
vaterlichen Wohlwollens hingenommen hatte, aber Frau
Wehrmann haͤtte er ſich entdeckt und bei dieſer mit
ſeinen Wunſchen die bereitwilligſte Aufnahme gefunden.
Elvira, die zuerſt ungläubig, dann erſchrocken die
Cröffnungen der Mutter angehört und zuletzt entſchieden
erffärt hatte, ſich niemals zu einer ſolchen Heirath ent-
ſchließen zu fönnen, fah ſich nicht nur täglich, ſondern
ftündlich von den Vorſtellungen, Mahnungen, „Bitten
der Mutter beſtürmt, die es fehr geſchickt zu verhindern
wußte, daß ſie mit Dallmer allein zuſammentraf und
diefem! vielleicht eine Erklärung gegeben hätte, durch
die er abgeſchreckt worden wäre.
Immer ſchwerex wurde das Herz der armen Elvira.
Was konnte ſie deren Vorſtellunzen entgegenſetzen?
Dallmer war ein achtbarer, reicher Mann, deh ihr nicht
mißfiel, und wenn er ſich in vorgerückten Jahlen be-
fand, ſo hatte doch auch ſie ein Alter erreicht, in welchem
ſie auf die Bezeichnung „jung“ keine Anfprüche mehr
machen konnte. Wäre ſſie freien Herzens geweſen, ſie
würde gern und vertrauensvoll ihre Hand in die ſeinige
gelegt und eine ſchöne Aufgabe darin geſehen haben,
ihn zu beglücken.
Aber ach, ſeit ſie Brandhorſt wiedergeſehen hatte,
; war der Konflikt ſo ſchwer!
Welch' einen Ausweg ſollte
ſie aus dieſem Wirrſal ſuchen?
So gut ſich Elvira ſonſt
zu beherrſchen verſtand, heute
war es ihr doch nicht möglich,
klarem Auge zu verbergen,
und dieſe hielt es für ein zu
weit getriebenes Zartgefühl,
ſich noch ferner zu ſtellen, als
wiſſe ſie nicht, was um ſie her
vorgehe. Sie ergriff daher
Elvira's auf den Taſten des
Flügels ruhende Hand und
ſagte: „Was iſt Ihnen, El-
vira? Können Sie ſich mir
nicht anvertrauen? Oder beſſer
ehrlich heraus: ich weiß Alles!“
„Ich ahnte es,“ flüſterte
Elvira, das Haupt an der
Ach, Gertrud, ich komme mir gegen Sie wie eine
Schuldige vor.“ ortſetzung folgt)
Geſtörke Aufnahme.
Siehe das Bild auf Seite 68 und 69.)
* Liebhaberphotographie hält gegenwärtig einen wahren
Triumphzug durch alle Länder, und wohin man auch
kommen mag, überall trifft man Amateurphotographen mit
ihren neuerdings ſo außerordentlich vervollkommneten Appa-
raten. Wo immer man auf Reiſen ein hübſches Landſchafts-
bild entdeckt, gleich taucht auch ſchon ein „Amateur“ auf,
um es auf ſeiner Platte feſtzuhalten.
Eiſenbahnunglück, ein Erdbeben, eine Ueberſchwemmung ge-
weſen, findet eine Parade, ein Aufzug, irgend ein öffentliches
oder privates Feſt ſtatt, flugs ſtellen ſich auch Liebhaber-
photographen ein, um ihre Momentaufnahmen zu machen.
Sar nichts entgeht ihnen! So iſt es denn auch eigentlich
ſelbſtverſtändlich, daß bei dem alljährlich ſtattfindenden Wald-
ausfluge der Geſellſchaft „Harmonie“ ein Mitglied mit einem
Apparat ausgerüſtet iſt, um ein ſchönes und effektvolles
Gruppenbild aufzunehmen. In einem prächtigen Waldesgrunde,
in den man unter frohem Geſange hinabgeſtiegen iſt, lagert ſich
die Geſellſchaft auf dem grünen Raſen, und nun kann das große
Werk beginnen. Der Photograph ſtellt ſeinen Apparat auf
und ändert dann noch einiges an der Gruppirung und
Haltung der einzelnen Mitglieder, namentlich der Damen,
damit Alle auf dem Bilde möglichſt zur Geltung kommen.
Nach wiederholtem Muſtern iſt Alles bereit, noch einmal
ſchlüpft er unter die dunkle Hülle zu einem letzten prüfenden
Blick, bevor er das
mit allgemeiner Span-
Der Hau der elehtriſchen Hochbahn in Lerlin.
Siehe die 3 Bilder auf Seite 71 u. 72.)
ie bekannte Firma Siemens & Halske in Berlin hat den
Plan einer elektriſchen Hochbahn für die Reichshauptſtadt
entworfen und mit allen Einzelheiten fertig ausgearbeitet.
Mit dem Bau ſoll ſofort nach der Konzeſſionsertheilung be-
gonnen werden, und es dürfte daher für unſere Leſer von
Intereſſe ſein, ſchon jetzt einiges Nähere über dieſes für das
Verkehrsleben Berlins ſo bedeutſame Werk zu vernehmen.
Es liegen die Entwürfe für ein ganzes Netz von elektriſchen
Bahnen vor, das alle Theile der Reichshauptſtadt mit ein-
ander verbinden ſoll, doch iſt ſchon mit Rückſicht auf die
erforderlichen Geldmittel die Ausführung zunächſt auf die
wichtigſten Linien beſchränkt worden. Es find das: Erſtens
eine Linie von der Warſchauerbrücke über das Stralauer Thor,
Schleſiſche Thor, Cottbuſer Thor, Waſſerthor, Halleſche Thor
nach dem Zoologiſchen Garten und nach Charlottenburg mit
dem Endpunkt Wilhelmsplatz; dieſe ganze Strecke iſt durch-
weg als Hochbahn geplant, wie ſie uns das Bild auf S. 72
vor Augen führt, während die nebenſtehende Illuſtration
einen Querſchnitt durch den Bahnkörper veranſchaulicht. Eine
zweite Linie ſoll als Unterpflaſterbahn (ſiehe das unten-
ſtehende Bild) vom Bahnhof Friedrichsſtraße beziehungsweiſe
von der Schloßbrücke über Königsplatz, Brandenburger Thor
nach dem Potsdamer Platz führen, von hier aus zur Hochbahn
aufſteigend vom Potsdamer Bahnhof längs der Poͤtsdamer
Bahn durch die Bülow⸗, Kleiſt- und Nürnberger Straße nach
Wilmersdorf, Schmargendorf und dem Grunewald. Drittens
eine wiederum ganz als Hochbahn gedachte Linie vom Bahn-
hof Friedrichsſtraße längs der Panke nach dem Luiſenthor,
dem Wedding, Geſundbrunnen und bis Pankow. Wo es zu
ermöglichen iſt, wird die Hochbahn, wie zwiſchen den Stadt-
bahnſtationen Warſchauerſtraße und Zoologiſcher Garten, ein
gleichartiges Gepräge aufweiſen, von der Art, wie wir es
auf dem Bilde S. 72 ſehen Um weder die Raum- und
Lichtverhältniſſe der Straßen zu beeinträchtigen, noch die jetzt
dem Verkehr dienenden Straßenflächen irgendwie einzuſchränken,
ſollen überall nur zierliche und gefällige Brückenreihen aus
Eiſenfachwerk zur Anwendung kommen! Die Oberkaͤnte der
Träger liegt ungefähr 5 Meter über der Straßenoberfläche,
alſo nur etwa in Höhe der erſten Häuſerſtockwerke, ſo daß
eine Durchfahrtshöhe von 4'/2 Meter gewahrt wird. Die
Brückenreihen beſtehen, wie das Bild oben links zeigt, der
Hauptſache nach aus zwei Hauptträgern, welche mittelſt
leichter Querverbindungen die beiden Geleiſeſtränge der Bahn
aufnehmen, und für gewöhnlich unter der Fahrbahn angeordnet
ſind. Die Bahnfläche ſelbſt wird mit einer durchgehenden
waſſerdichten und zugleich ſchalldämpfenden Decke verſehen.
N: 600 bis 900 Meter iſt eine Halteſtelle vorgeſehen; das
Bild auf S. 72 zeigt eine ſolche in der Skalitzerſtraße. Sie
ſind auf eine Länge von 40 Metern überdeckt; von den an-
geordneten Treppen führen Abgangstreppen zum Straßen-
niveau. Wie ſchon erwähnt, iſt für die aus der Hauptlinie
Warſchauerſtraße-Zoologiſcher Garten beim alten Dresdener
Bahnhof abzweigende Linie nach dem Potsdamer Bahnhof
ein Uebergang von der Hochbahn zur Unterpflaſterbahn ge-
plant, weil beabſichtigt wird, die weitere Fortführung der
Bahn von hier aus nicht als Hochbahn, ſondern als Unter-
pflaſterbahn zu bewirken. Die untenſtehende Illuſtration gibt
einen Querdurchſchnitt durch die Linie der Unterpflafter-
bahn beim neuen Reichstagsgebäude wieder. Die Bahn führt
dicht an der Ringbahn entlang und ſenkt ſich nach Ueber-
ſchreitung des Landwehrkanals allmälig zur Straßengleiche
herab und weiter derart, daß ſie am Ringbahnhof ſchon ganz
unter der Straßenoberfläche liegt. Von hier bis zur König-
grätzerſtraße, alſo unter dem Droſchkenhalteplatz des Pots-
damer Hauptbahnhofes, liegt die Bahn im Tunnel, ebenſo die
nung erwartete Kom-
mando zum Stillhalten
gibt. Doch —
„Wo rohe Kräfte ſinn-
los walten,
Da kann ſich kein Ge-
bild geſtalten“ —
zwiſchen den Bäumen
hervor tritt plötzlich
ein ungeladener Gaſt
und benimmt demn
Photographen die Aus-
ſicht, wie das unſer
treffliches Bild auf
© 68 und 69 in ſo
ergötzlicher Weiſe zur
Anſchauung bringt.
Es iſt ein von der
weidenden Heerde in
den Wald entwichenes
Hornvieh, das neu-
gierig den Apparat
beſchnuppert. Obwohl
die Kuh durchaus gut-
müthig ausſieht, ſo
flößt ſie doch einigen
Damen einen Todes-
ſchrecken ein, während
die Herren dieſe un-
vermuthete Störung
der Aufnahme humo-
riſtiſch auffaſſen und
der ſoeben wieder auftauchende Photograph ein überaus ver-
dutztes Geſicht macht. Schon kommt aber auch der Hüter der
Kuh herzugeeilt, um das entflohene Mitglied ſeiner Heerde
wieder zur Pflicht zurückzuführen, und dann wird die „Har-
monie“ endlich aufgenommen werden können.
Endhalteſtelle, die möglichſt nahe an die Königgrätzerſtraße
herangerückt iſt. Die Kraftſtation zur Erzeugung des elek-
triſchen Stromes wird vorausſichtlich auf einem bexeits zur
Verfügung ſtehenden Gelände errichtet werden und einen
Flächenraum von ungefähr 2500 Quadratmeter erfordern.
{
Das —2— ün Yl
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Von den Mitteln, welche Dallmer ihr freigebig zur
Verfügung ſtellte, verwandte ſie nur einen kleinen Theil
auf ihre Toilette, die fortdauernd einfach blieb, da ſich
für ſie keine Gelegenheit fand, Geſellſchaften zu beſuchen.
Dallmer beſaß keinen Verkehr, und ſie fürchtete, es würde
ihm unangenehm ſein, wenn ſie ihm ſolchen in's Haus
brächte. Sie vermied es deshalb, Bekanntſchaften an-
zuknüpfen, obwohl ihr dies von verſchiedenen Seiten
nahegelegt ward; denn ſie war doch von den Um-
wohnenden nicht unbemerkt geblieben, ward zu Zwecken
der Wohlthätigkeit vielfach in Anſpruch genommen und
ſuchte ſelbſt Arme und Kranke auf, um ſie zu unter-
jtüßen. Auch einigen Vereinen hatte ſie ſich angeſchloſſen
und ließ es ſich angelegen ſein, ihre Bildung zu ver-
tiefen und harmoniſch auszugeſtalten. Inmitten aller
dieſer Beſchäftigungen vermochte ſie freilich die traurige
Frage nicht zu unterdrücken, ob ſie das Alles immer
nur für ſich ſelbſt thun, ob es nie Anderen Freude oder
Nutzen bringen würde? *
Auf den vielen Fahrten, welche Gertrud vermittelſt
der Stadt- und der Pferdebahn zwiſchen Charlottenburg
und Berlin machte, war ſie öfter mit einer Dame zu-
ſammengetroffen, die ihr zuerſt durch ihre Schönheit
und ſympathiſche Erſcheinung aufgefallen war. Vom
Sehen war man zum Grüßen gekommen, hatte dann
ein paar Worte miteinander gewechſelt, ſich gegenſeitig
vorgeſtellt, und ſo hatte es ſich ganz wie von ſelbſt ge-
macht, daß der Weg vom Bahnhof oder der Halteſtelle
der Pferdebahn zuſammen zurückgelegt ward; zuweilen
wurde auch Elvira Wehrmann von Gertrud bis zu
ihrer Wohnung begleitet.
Auf einem ſolchen Gange war Dallmer den beiden
jungen Damen begegnet, hatte ſie angeſprochen, ſich von
Gertrud Fräulein Wehrmann vorſtellen laſſen, Beide
ein Stück begleitet und Jene freundlich eingeladen, doch
guͤte Freundſchaft mit ſeiner Tochter zu halten, der er
(änaft einen ſo paſſenden, anregenden Umgang ge-
wünſcht habe.
Auͤf ſeinen ausdrücklichen Wunſch hatte Gertrud
ſchon am nächſten Tage bei Frau Konſul Wehrmann
einen Beſuch gemacht, welche ſich allerdings zunächſt
nur zögernd auf den Verkehr eingelaſſen hatte, jedoch
nach einem Beſuch in der Villa des Rentiers, und nach-
dem er ſelbſt ihr ſeine Aufwartung gemacht, bald an-
deren Sinnes geworden war. —
Eher noch, als Dallmer ſich über ſeine Abſichten
klar geworden war, und weit früher, als die fo ziem-
lich im gleichen Alter ſtehenden Mädchen eine Ahnung
dabon hHatten, war die kluge, ſcharf beobachtende Frau
Wehrmann außer Zweifel darüber, daß das Herz des
beinahe ſechzigfährigen Mannes ſich noch einmal, der
Liebe geöffuet hatte und ſie war entſchloſſen, das Eiſen
zu ſchimieden, ſo lange es heiß war. In ſeiner etwas
unbeholfenen Ayt wagte Dallmer nicht, ſich mit ſeinem
Antraͤge an Elvira jelbſt zu wenden, die alle ſeine
Aufmerkſamkeiten bisher ganz harmlos als Ausfluß eines
vaterlichen Wohlwollens hingenommen hatte, aber Frau
Wehrmann haͤtte er ſich entdeckt und bei dieſer mit
ſeinen Wunſchen die bereitwilligſte Aufnahme gefunden.
Elvira, die zuerſt ungläubig, dann erſchrocken die
Cröffnungen der Mutter angehört und zuletzt entſchieden
erffärt hatte, ſich niemals zu einer ſolchen Heirath ent-
ſchließen zu fönnen, fah ſich nicht nur täglich, ſondern
ftündlich von den Vorſtellungen, Mahnungen, „Bitten
der Mutter beſtürmt, die es fehr geſchickt zu verhindern
wußte, daß ſie mit Dallmer allein zuſammentraf und
diefem! vielleicht eine Erklärung gegeben hätte, durch
die er abgeſchreckt worden wäre.
Immer ſchwerex wurde das Herz der armen Elvira.
Was konnte ſie deren Vorſtellunzen entgegenſetzen?
Dallmer war ein achtbarer, reicher Mann, deh ihr nicht
mißfiel, und wenn er ſich in vorgerückten Jahlen be-
fand, ſo hatte doch auch ſie ein Alter erreicht, in welchem
ſie auf die Bezeichnung „jung“ keine Anfprüche mehr
machen konnte. Wäre ſſie freien Herzens geweſen, ſie
würde gern und vertrauensvoll ihre Hand in die ſeinige
gelegt und eine ſchöne Aufgabe darin geſehen haben,
ihn zu beglücken.
Aber ach, ſeit ſie Brandhorſt wiedergeſehen hatte,
; war der Konflikt ſo ſchwer!
Welch' einen Ausweg ſollte
ſie aus dieſem Wirrſal ſuchen?
So gut ſich Elvira ſonſt
zu beherrſchen verſtand, heute
war es ihr doch nicht möglich,
klarem Auge zu verbergen,
und dieſe hielt es für ein zu
weit getriebenes Zartgefühl,
ſich noch ferner zu ſtellen, als
wiſſe ſie nicht, was um ſie her
vorgehe. Sie ergriff daher
Elvira's auf den Taſten des
Flügels ruhende Hand und
ſagte: „Was iſt Ihnen, El-
vira? Können Sie ſich mir
nicht anvertrauen? Oder beſſer
ehrlich heraus: ich weiß Alles!“
„Ich ahnte es,“ flüſterte
Elvira, das Haupt an der
Ach, Gertrud, ich komme mir gegen Sie wie eine
Schuldige vor.“ ortſetzung folgt)
Geſtörke Aufnahme.
Siehe das Bild auf Seite 68 und 69.)
* Liebhaberphotographie hält gegenwärtig einen wahren
Triumphzug durch alle Länder, und wohin man auch
kommen mag, überall trifft man Amateurphotographen mit
ihren neuerdings ſo außerordentlich vervollkommneten Appa-
raten. Wo immer man auf Reiſen ein hübſches Landſchafts-
bild entdeckt, gleich taucht auch ſchon ein „Amateur“ auf,
um es auf ſeiner Platte feſtzuhalten.
Eiſenbahnunglück, ein Erdbeben, eine Ueberſchwemmung ge-
weſen, findet eine Parade, ein Aufzug, irgend ein öffentliches
oder privates Feſt ſtatt, flugs ſtellen ſich auch Liebhaber-
photographen ein, um ihre Momentaufnahmen zu machen.
Sar nichts entgeht ihnen! So iſt es denn auch eigentlich
ſelbſtverſtändlich, daß bei dem alljährlich ſtattfindenden Wald-
ausfluge der Geſellſchaft „Harmonie“ ein Mitglied mit einem
Apparat ausgerüſtet iſt, um ein ſchönes und effektvolles
Gruppenbild aufzunehmen. In einem prächtigen Waldesgrunde,
in den man unter frohem Geſange hinabgeſtiegen iſt, lagert ſich
die Geſellſchaft auf dem grünen Raſen, und nun kann das große
Werk beginnen. Der Photograph ſtellt ſeinen Apparat auf
und ändert dann noch einiges an der Gruppirung und
Haltung der einzelnen Mitglieder, namentlich der Damen,
damit Alle auf dem Bilde möglichſt zur Geltung kommen.
Nach wiederholtem Muſtern iſt Alles bereit, noch einmal
ſchlüpft er unter die dunkle Hülle zu einem letzten prüfenden
Blick, bevor er das
mit allgemeiner Span-
Der Hau der elehtriſchen Hochbahn in Lerlin.
Siehe die 3 Bilder auf Seite 71 u. 72.)
ie bekannte Firma Siemens & Halske in Berlin hat den
Plan einer elektriſchen Hochbahn für die Reichshauptſtadt
entworfen und mit allen Einzelheiten fertig ausgearbeitet.
Mit dem Bau ſoll ſofort nach der Konzeſſionsertheilung be-
gonnen werden, und es dürfte daher für unſere Leſer von
Intereſſe ſein, ſchon jetzt einiges Nähere über dieſes für das
Verkehrsleben Berlins ſo bedeutſame Werk zu vernehmen.
Es liegen die Entwürfe für ein ganzes Netz von elektriſchen
Bahnen vor, das alle Theile der Reichshauptſtadt mit ein-
ander verbinden ſoll, doch iſt ſchon mit Rückſicht auf die
erforderlichen Geldmittel die Ausführung zunächſt auf die
wichtigſten Linien beſchränkt worden. Es find das: Erſtens
eine Linie von der Warſchauerbrücke über das Stralauer Thor,
Schleſiſche Thor, Cottbuſer Thor, Waſſerthor, Halleſche Thor
nach dem Zoologiſchen Garten und nach Charlottenburg mit
dem Endpunkt Wilhelmsplatz; dieſe ganze Strecke iſt durch-
weg als Hochbahn geplant, wie ſie uns das Bild auf S. 72
vor Augen führt, während die nebenſtehende Illuſtration
einen Querſchnitt durch den Bahnkörper veranſchaulicht. Eine
zweite Linie ſoll als Unterpflaſterbahn (ſiehe das unten-
ſtehende Bild) vom Bahnhof Friedrichsſtraße beziehungsweiſe
von der Schloßbrücke über Königsplatz, Brandenburger Thor
nach dem Potsdamer Platz führen, von hier aus zur Hochbahn
aufſteigend vom Potsdamer Bahnhof längs der Poͤtsdamer
Bahn durch die Bülow⸗, Kleiſt- und Nürnberger Straße nach
Wilmersdorf, Schmargendorf und dem Grunewald. Drittens
eine wiederum ganz als Hochbahn gedachte Linie vom Bahn-
hof Friedrichsſtraße längs der Panke nach dem Luiſenthor,
dem Wedding, Geſundbrunnen und bis Pankow. Wo es zu
ermöglichen iſt, wird die Hochbahn, wie zwiſchen den Stadt-
bahnſtationen Warſchauerſtraße und Zoologiſcher Garten, ein
gleichartiges Gepräge aufweiſen, von der Art, wie wir es
auf dem Bilde S. 72 ſehen Um weder die Raum- und
Lichtverhältniſſe der Straßen zu beeinträchtigen, noch die jetzt
dem Verkehr dienenden Straßenflächen irgendwie einzuſchränken,
ſollen überall nur zierliche und gefällige Brückenreihen aus
Eiſenfachwerk zur Anwendung kommen! Die Oberkaͤnte der
Träger liegt ungefähr 5 Meter über der Straßenoberfläche,
alſo nur etwa in Höhe der erſten Häuſerſtockwerke, ſo daß
eine Durchfahrtshöhe von 4'/2 Meter gewahrt wird. Die
Brückenreihen beſtehen, wie das Bild oben links zeigt, der
Hauptſache nach aus zwei Hauptträgern, welche mittelſt
leichter Querverbindungen die beiden Geleiſeſtränge der Bahn
aufnehmen, und für gewöhnlich unter der Fahrbahn angeordnet
ſind. Die Bahnfläche ſelbſt wird mit einer durchgehenden
waſſerdichten und zugleich ſchalldämpfenden Decke verſehen.
N: 600 bis 900 Meter iſt eine Halteſtelle vorgeſehen; das
Bild auf S. 72 zeigt eine ſolche in der Skalitzerſtraße. Sie
ſind auf eine Länge von 40 Metern überdeckt; von den an-
geordneten Treppen führen Abgangstreppen zum Straßen-
niveau. Wie ſchon erwähnt, iſt für die aus der Hauptlinie
Warſchauerſtraße-Zoologiſcher Garten beim alten Dresdener
Bahnhof abzweigende Linie nach dem Potsdamer Bahnhof
ein Uebergang von der Hochbahn zur Unterpflaſterbahn ge-
plant, weil beabſichtigt wird, die weitere Fortführung der
Bahn von hier aus nicht als Hochbahn, ſondern als Unter-
pflaſterbahn zu bewirken. Die untenſtehende Illuſtration gibt
einen Querdurchſchnitt durch die Linie der Unterpflafter-
bahn beim neuen Reichstagsgebäude wieder. Die Bahn führt
dicht an der Ringbahn entlang und ſenkt ſich nach Ueber-
ſchreitung des Landwehrkanals allmälig zur Straßengleiche
herab und weiter derart, daß ſie am Ringbahnhof ſchon ganz
unter der Straßenoberfläche liegt. Von hier bis zur König-
grätzerſtraße, alſo unter dem Droſchkenhalteplatz des Pots-
damer Hauptbahnhofes, liegt die Bahn im Tunnel, ebenſo die
nung erwartete Kom-
mando zum Stillhalten
gibt. Doch —
„Wo rohe Kräfte ſinn-
los walten,
Da kann ſich kein Ge-
bild geſtalten“ —
zwiſchen den Bäumen
hervor tritt plötzlich
ein ungeladener Gaſt
und benimmt demn
Photographen die Aus-
ſicht, wie das unſer
treffliches Bild auf
© 68 und 69 in ſo
ergötzlicher Weiſe zur
Anſchauung bringt.
Es iſt ein von der
weidenden Heerde in
den Wald entwichenes
Hornvieh, das neu-
gierig den Apparat
beſchnuppert. Obwohl
die Kuh durchaus gut-
müthig ausſieht, ſo
flößt ſie doch einigen
Damen einen Todes-
ſchrecken ein, während
die Herren dieſe un-
vermuthete Störung
der Aufnahme humo-
riſtiſch auffaſſen und
der ſoeben wieder auftauchende Photograph ein überaus ver-
dutztes Geſicht macht. Schon kommt aber auch der Hüter der
Kuh herzugeeilt, um das entflohene Mitglied ſeiner Heerde
wieder zur Pflicht zurückzuführen, und dann wird die „Har-
monie“ endlich aufgenommen werden können.
Endhalteſtelle, die möglichſt nahe an die Königgrätzerſtraße
herangerückt iſt. Die Kraftſtation zur Erzeugung des elek-
triſchen Stromes wird vorausſichtlich auf einem bexeits zur
Verfügung ſtehenden Gelände errichtet werden und einen
Flächenraum von ungefähr 2500 Quadratmeter erfordern.
{