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geft b.

— Life

150

derſelbe entſteht durch Bazillen, die im Erdboden vor-
fommen. Durch eine kleine Wunde gelangen ſie in den
Körper Dies erklärt auch die Erſcheinung, daß der
Starrkrampf verhältnißmäßig häufig nach kleinen Fuß-
wunden auftritt. Früher legte man dieſen Wunden
keine Bedeutung bei, jetzt aber, wo man den Zuſammen-
hang kennt, kann man faſt ſtets einen Hautriß am Fuß
des Erkrankten nachweiſen. Natürlich kann ſich die
Wunde auch an jeder anderen Körperſtelle vorfinden;
beſonders gefährlich iſt das Einreißen von Splittern
unter den Fingernaͤgel. Die ärztliche Behandlung des
Starrkrampfes gewaͤhrt nur Ausſicht, wenn die Wunde
frühzeitig ausgeſchnitten und das betreffende Glied
amputirt wird.

Von dem Starrkrampf zu unterſcheiden iſt die Starr-
ſucht, die in einzelnen Aufällen auftritt und auf eine
Erkrankung der Bewegungsnerden und des Rückenmarks
zurückzuführen iſt. Während eines Starrſuchtsanfalls
verhakren die Glieder in der Stellung, in die ſie der


durch ihre eigene Schwere herab, noch können ſie durch


in der ſie gerade überraſcht wurden. Zuweilen iſt wäh-




Minuten, ſelten mehrere Stunden oder Tage.

Bewußtſein verlieren, ſo wiſſen ſie ſpäter gar nicht, daß
ihnen überhaupt etwas paſſirt iſt. Neigt ſich der An-


tiefen Schlaf erwachten. Die Starrſucht tritt bei ge-
wiſſen Geiſteskrankheiten, bei hyſteriſchen Perſonen und
neben manchen Krampfformen, ſehr ſelten dagegen ſelbſt-
ſtändig bei ſonſt geſunden Leuten auf.

Bekanntlich fällt die Muskelſtarre auch in das Ge-
biet des Hypnotismus. Man bezeichnel hier dieſen
Zuſtand als Katalepſie. Die Finger, Arme, die Mus-
keln des Rumpfes verharren in der Lage, die ihnen
gegeben wird, als ob die hypnotiſirte Perſon aus Wachs
geformt wäre. Erſt das Eingreifen des Hypnotiſeurs
löst den Bann.

Auch nach dem Tode erfolgt noch einmal eine Zu-
ſammenziehung der Muskulatur. Nach einiger Zeit
werden die Muskeln feſt und ſteif, der todte Körper iſt.
gleichſam erſtarrt, und wir ſagen dann: die Todtenſtarre
iſt eingetreten. Die Todtenſtarre hört erſt mit dem
Eintritt des Fäulnißprozeſſes auf. Wie ſchon erwähnt,
vergeht gewöhnlich eine kürzere oder längere Zeit, ehe
die Todtenſtarre ſich geltend macht. Zuweilen tritt ſie
aber auch ganz plötzlich ein. Erſchütternde Beobach-
tungen hat Rößbach über die Todtenſtarre auf den
Schlachtfeldern von Beaumont und Sedan im deutſch-
franzöſiſchen Krieg gemacht. So lagen auf einem Hügel
nahe bei Floing in einer langen Reihe viele franzöſiſche
Huſaren. Auf den Geſichtern Einiger prägte ſich noch
deutlich der Schmerz aus, den ſie im Augenblick des
Todes empfunden hatten. Ihre Augenbrauen waren
Zerunzelt, die Lippen aufeinander gepreßt, und die Mus-
feln des Geſichts grauſig verzerrt. Viele hielten noch
den Säbel in der Fauſt. Einer der Soldaten war ge-
troffen worden, als er im Begriff ſtand, das Gewehr
zu laden Manche fand man mit lächelndem Eeſicht.
Ein Soldat war zurückgefallen und lag mit dem Rücken
auf der Erde, indem er beide Arme zum Himmel auf-
ſtreckte. Von Weitem glaubte man, er rufe um Hilfe,
man lief näher und faͤnd ihn in dieſer Stellung er-
ſtarrt.

Eine Granate hatte mit einem Schlag einen Trupp
Soldaten getödtet, die ſich in den Schutz eines Grabens
zuruͤckgezogen hatten, um ruhig frühſtücken zu können.

Von einem derſelben, ſagt Roßbach, konnte man mit
Sicherheit ſagen, er habe eine luſtige Geſchichte erzählt,
ſo deutlich war noch der Ausdruck der Befriedigung auf
ſeinem Geſicht erkennbar, obgleich ihm eine ſchwere
Schädelwunde den Tod gebracht hatte. Der neben ihm
Sitzende hatte eine zinnerne Taſſe An die Lippen ge-
führt, die er zierlich zwiſchen Daumen und Zeigefinger
hielt. Der Rand der Taſſe berühkte gexade die Unter-


Die in einem Augenblicke getödteten Soldaten konnten
wegen der Vertiefung, in der ſie ſaßen, und wegen des
engen Aneinanderſitzens nicht fallen, und ſo fand man
ſie noch nach 24 Slunden in halb ſitzender, halb liegen-
— — — — —
Etin in die Bruſt geſchoſſener Deutſcher hHatte , als
er ſein Ende hexannahen fühlte, das Bild ſeiner Frau
oder Braut noch einmal ſehen wollen. Er lag halb
auf der Seite auf ſeinem Torniſter und hielt in der
vor die Augen gehobenen erſtarrten Hand die Photo-
üraphie. — _ ——

Nicht zu verwechſeln mit der Muskelſtarre ſind die
Lähmungen, die ebenfalls bei einer Reihe von kraͤnk-
haften Erſcheinungen beobachtet werden. Hier ſind die
Muskeln nicht zuſammengezogen, ſondern erſchlafft, und
nur die Nervenleitung iſt unterbrochen, ſo daß der
Kranke nicht mehr die Muskeln nach ſeinem. Willen
zuſammenziehen und bewegen kann. Daher bilden die
Lähmungen den geraden Gegenſatz der Muskelſtarke.

Mannigfaltiges. Cachbruͤcük verbolen)
Die Höchſtgeſtellten der Erde. — Es ſind nicht etwa
Zeilen ſich beſchäftigen wollen, ſondern Diejenigen, welche ihr
Beruf in örtliche Regidnen gehoben hat, aus denen ſie inı
wahrſten Sinne des Wortes die Welt zu ihren Füßen ſehen
und auf das irdiſche Treiben unter ihnen von oben herab
blicken. Es ſind die Beobachter dex meteorologiſchen Hoch-


ſoll, für das Bewußtſein ihrer erhabenen Stellung eine ganze
Reihe großer Unannehmlichkeiten mit in den Kauf nehmen
müſſen. ; ;


auf dem Sonnblick die höchſte — Beobachtungs-
ſtation. Rund 3100 Meter über dem Meeresſpiegel gelegen,
lieferte ſie dem Studium der oberen Luftſchichten binnen
kurzer Zeit eine Fülle neuer Beobachtungen und Anregungen
und diente dazu, den Wunſch nach weiteren, höher gelegenen
Beobachterwarten zu verſtärken. War doch der Sonnblitk,
wenn auch ſeine Wetterwarte entſchieden eine neue Epoche im
Studium der oberen Atmoſphäre begründet hat, im Grunde
keineswegs ausnahmsweiſe hoch zu nennen. Die höchſtgelegene
Stadt der Vereinigten Staaten, Treaſury-City, liegt nur um
ein Geringes niedriger, und in den Anden von Südamerika
gibt es ſogar noch eine 1200 Meter höher als der Sonnblick
belegene Stadt, Portugalete in Bolivig, deren Bewohner
mithin beſtändig ſo erhaben über der Erde thronen, wie der
Alpenreiſende nur ausnahmsweiſe, wenn er etwa die Jung-


Der Sonnblick war denn auch ſchon zur Zeit ſeiner Eröffnung
als Wetterwarte nur in Europa die höchſte Beobachtungs-
ſtation, keineswegs aber überhaupt. Der in der Nähe von
Denver im wolkenloſen Klima von Colorado (ereinigte
Staaten) thronende Pikes Peak trug vielmehr ſchon am Ende
der ſiebziger Jahre eine maſſive, wohleingerichtete Wetter-
warte in 43808 Meter Meereshöhe, welche ſomit während der
Zeit ihrer Bewohntheit den höchſten Beobachterpoſten in Amexika
vorſtellte. Die hier in den ſiebziger und achtziger Jahren
gemachten Studien — jetzt wird die Station auf dem Pikes
Peak nicht mehr unterhalten — bezogen ſich mehr auf die
elektriſchen Erſcheinungen der Atmoſphäre, und haben bei der
Trockenheit und Dünne der Luft am Beobachtungsorte um-
faſſendes Material über den elektriſchen Zuſtand der oberen
Luftſchichten geliefert.

Wiederum eine Staffel höher gelegen iſt die im Jahre 1894
vollendete und mit den neueſten und vollkommenſten Appa-
raten ausgerüſtete Wetterwarte des franzöſiſchen Aſtronomen
Janſſen auf dem Gipfel des Montblanc. Auf einer mächtigen
Eis⸗ und Schneedecke ſtehend, muß das gedrungene, von ge-
waltigem Balkenwerk gehaltene Haus Stürmen trotzen, wie
ſie in der Ebene niemals auftreten. Es wurde im Thal fertig-
geſtellt, dann in Hunderte von einzelnen Trägerlaſten zerlegt


Schwierigkeitͤn mußten hier, in einer Almoſphäre, die kaum
halb ſodicht als am Meeresſpiegel iſt und ungusgeſetzt
Schwindel und Uebelkeit erregt, die Theile wieder zuſammen-
gefügt und die ſinnreichen Regiſtrtrungsapparate aufgeſtellt
werden. Ein ſtändiger Aufenthalt in dieſer Höhe würde nur
unter Aufopferung der Geſundheit des Beobachters möglich
ſein, man beſchränkte ſich deshalb auf Apparate, welche alle
Einzelheiten der Witterung, 3. B. den Luftdruck, Feuchtig-
keitsgehalt, die Temperatur, Windgeſchwindigkeit und Rich-
tung in kurzen Abſtänden ſelbſtthätig meſſen und aufſchreiben.
Zu beſtimmten Zeiten begibt ſich während des Sommers ein
Beobachter auf die Höhe, um die Apparate zu regeln und die
Aufzeichnungen mitzunehmen. Um endlich auch im Winter,
wenn der Berg unzugänglich iſt, die Beobachtungen nicht
unterbrechen zu müſſen, ſind die Apparate auf eine acht-
monatliche ſelbſtſtändige Thätigkeit eingerichtet. Man kann
mithin die Montblanewarte ſchlimmſten Falls von Anfang Sep-
tember bis Anfang Mai ſich ſelbſt üherlaſſen.

Wenn nun dieſe Wetterwarte für das civiliſirte Curopa
ſchlechterdings die höchſtgelegene bleiben muß, inſofern man
voͤn dort aus in der That auf unſeren ganzen Erdtheil herab-
ſchaut, ſo iſt doch in Amerika und Aſien die Höhe der Mont-
blancwarte bereits übertroffen. In Tibet gibt es in dem
4979 Meter hoch liegenden Bergdorfe Thok-Jeling noch einen
ſtändig bewohnken Fleck Erde, der höher iſt als der Kulmi-
nationspunkt der Alpen, und in Südamerika hat der Unter-
nehmungsgeiſt der dortigen —4 — Kräfte ſogar in
noch bedeuͤtenderen Höhen zwei Bergobſervatorien errichtet.
Am Abhang des 6100 Meter hohen, mit ewigem Schnee be-
deckten Charchani in Peru liegt die eine, und zwar nur
1000 Meter unter dem Gipfel, mithin faſt 300 Meter höher
als der Montblanc; die zweite Höhenſtation wurde im
Fahre 1893 auf dem Gißfel des benachbarten unthätigen
Julkans Miſti in der Höhe von 5850 Meter eingerichtet.
Allerdings waken hier Arbeit und Koſten nicht entfernt ſo
bedeutend, als auf dem Montblanc; einfache Steinhütten,
entſprechend dem Fehlen vvır Kälte und ſtarkem Schneefall
in jenen Breiten, nehmen beim Unterſuchen der Inſtrumente
den Beobachter auf. Die Apparate ſind untex Schutzdächern
aufgeſtellt und können zehn bis zwölf Tage ſich ſelbſt über-
laſſen bleiben; dreimal in jedem Monat werden ſie von einem
Beobachter der nahen Sternwarte von Arequipa kontrolirt.
Dieſe Wetterwarte auf dem Gipfel des Miſti iſt der höchſte,
regelmäßig beſuchte — wenn auch nicht feſt bewohnte —
Beobachtungspoſten der Erde. W Verdrow.

Ein wunderlicher Heiliger. — Sonderbaͤre Menſchen
erzeugt wohl jedes Land, ganz beſonders geſegnet mit ſolchen
aber ſcheint Rußland zu ſein. Zu den wunderbarſten Er-
ſcheinungen in dieſer Hinſicht dürfte ohne Zweifel ein Mann
im Zarenreiche gehören, dem mMan dort den Namen „Anton
der Wanderẽr“ beigelegt hat. Derſelbe befindet ſich ſchon
ſeit vierzig Jahren auf ununterbrochener Wanderſchaft und
hat in diefer Zeit Sibirien, Centralaſien und das europäiſche
Rußland durchpilgert. Ueber ſeine Schultern und ſeinen
Körper ſind eiſerne Ketten zuſammengeſchweißt, welche ins-
geſammt fünfzig Pfund wiegen. Ein eiſerner Gürtel von
dreißig Pfund Schwere umgibt die Lenden und iſt mit einem
Schlofſe geſchloſſen, deſſen Schlüſſel der Träger ſeiner Zeit
in das nördliche Eismeer geworfen hat. Enorme Summen
hat der unermüdliche Wanderer auf ſeinen Pilgerfahrten
geſammelt, von denen er keine Kopeke für ſich verbrauchte,
denn ſie ſind ausſchließlich zum Bau von Kirchen und Schulen
beſtimmt.

Der ganz eigenartige Mann ſteht nicht allein beim un-
wiſſenden Landvolke, ſondern auch bei den gebildeten und be-
güterten Klaſſen in hoher Achtung. Nänner und Frauen aller
Stände nehmen den Rath „Anton's“ in geiſtlichen wie welt-
lichen Angelegenheiten in Anſpruch. O. v. B.

Viſſtger Beſcheid. — Der franzöſiſche Schriftſteller
Francois Nene de Chateaubriand (} 1848) litt in der letzten
Periode ſeines Lebens an einer faſt krankhaften Eitelkeit, die
ihn nicht ſelten dem Geſpött ſeiner Bekannten preisgab. Be-
ſonders fühlte ſich der alternde Dichter darüber verletzt, daß


geiſterung nicht theilen wollte, welche ihm früher die Anhänger
ſeiner Müſe im höchſten Grade hatten zu Theil werden laſſen.
In einer Geſellſchaft der höchſten Kreiſe, in welcher auch
Talleyrand zugegen war, bildete einſt auch die angedeutete
Dünkelhaftigkeit Chateaubriand's den Geſprächsſtoff. Eine
Dame nahm jedoch für den Dichter Partei und bemerkte, daß
ſein leicht zu verletzendes Weſen wohl durch die Taubheit
bedingt ſei, an der Chateaubriand zu leiden habe; er klage
auch fortgeſetzt über ſeine Schwerhörigkeit.

„Sehr begreiflich,“ ſprach Talleyrand, „denn ſeitdem man
nämlich aufgehört hat von ihm zu reden, hält er ſich für
taub!“ Dn


Im unterzeichneten Verlage erſcheint:

Ill
 
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