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Chinesische Kochkunst. Von Ada Osten.


Phot. Hofphotograph Sandau.
General v. Hutier, der Eroberer von Riga.

verwendet man sie auch zu Eemüseeierkuchen. Tauben-und Kiebitz-
eier kommen in die Suppe, Enteneier werden zu den berühmten
„faulen Eiern" gemacht, indem man sie längere Zeit — je länger,
je besser — unter Luftabschluß aufbewahrt.
Ein besonderes Geschick besitzt der Chinese im Bereiten von Salaten
aus Pflanzen, die uns dazu unbrauchbar scheinen, so aus Lattich, aller-
hand Wurzeln und Strauchblättern. Die Kartoffel konnte sich im
Lande noch immer nicht einbürgern; inan findet sie wohl stellenweise
angebaut, doch spielt sie nur die untergeordnete Rolle eines Ersatz-
mittels. Gemüse werden außerordentlich gern gegessen; Rüben fehlen
selten bei einer Mahlzeit, ebenso Spinat, auch sind die Zwiebeln,
deren Wurzeln, Stengel und Blätter man ebenfalls verwendet, sowie
Knoblauch sehr beliebt. Auch Pilze schätzt man sehr; sie dürfen auf
Festtafeln nicht fehlen. Aber auch aus Flechten und Moosen bereitet
man beliebte Speisen. Ja, noch weiter geht der erfindungsreiche
Chinese: Algen verwendet er Zur Suppe; er kocht sie und gibt sie mit
Tunke auf den Tisch. Diese Gerichte sind eine Lieblingspeise der
Chinesen, zu welcher allerdings
nur einige besondere eßbare Arten
von Algen in Betracht kommen.
China ist reich an verschieden-
artigem und schönem Obst, das in
großen Mengen in Zucker, Honig
oder in Sirup eingemacht, aber
auch getrocknet wird. Gemüse wird
ebenfalls getrocknet, ferner Lotus-
nnd Lilienwurzeln, Oliven und
Pflaumen, doch wird auch das Jn-
Salz-legen und Kandieren ange-
wandt. Außer den von uns ver-
wendeten Gewürzen gebraucht der
Chinese Ingwer, Kardamom und
Anis in größeren Mengen; Senf
ist ihm unbekannt, dagegen ist Essig
beiden Mahlzeiten ähnlich unserem
„Maggi" stets zur Hand.
Auch die „Vogelnester" geben
eine bevorzugte Mahlzeit. Diese
sind die Speichelabsonderung einer
Seeschwalbenart des Ostindischen
Archipels; die besten und teuersten
sind jene, die am meisten Blut
enthalten, das der an einer schwind-
suchtähnlichen Krankheit leidende
Vogel aus dem Schnabel abson-
üert. Für diese seltenen Nester
werden bis zu hundert Mark für
das Pfund bezahlt; weniger wert-
voll sind die geringeren, nur Spei-
chel enthaltenden Nester.
In der Speisenfolge geht der
„Nachtisch", nach unseren Begrif-
fen, den Gängen voran. Bei einein
Festmahl bietet man Eingemachtes,
Geflügel und Fleisch und Obst
vielerlei Art als „Nachtisch"; die eigentlichen Gänge, die ebenfalls
reichlich bemessen sind, enthalten als besondere chinesische Leckerbissen:
Lotussamen, Vogelnester, Haifischflossen, Tintenfisch, Bärenpfoten,
Tigersehnen, Entenkopfblut und Senfblütter. Zuletzt gibt es Kuchen.
Als Getränk wird heißer Wein in winzigen, dünnen Täßchen geboten;
eine Tasse Tee eröffnet und beschließt das Festmahl.
Im Trinken ist der Chinese sehr mäßig; Tee allerdings genießt er
fast zu jeder Tageszeit; im Sommer liebt man, ihn kalt zu schlürfen.
Die Zubereitung ist von der unsrigen völlig verschieden und keines-
wegs zur Nachahmung empfehlenswert. Die vom Strauch gepflückten,
getrockneten und mit besonderen Blüten, gewöhnlich Jasminblüten,
„duftend" gemachten Teeblütter werden in Tassen oder kleine Krüge
getan, mit kochendem Wasser gefüllt und sogleich, ohne das Ganze
ziehen zu lassen, ungesüßt getrunken.
Bezeichnend für die Genügsamkeit der Chinesen ist es, daß täglich
nur zwei Mahlzeiten eingehalten werden; das Frühstück gegen zehn
Uhr, das Mittagessen gegen fünf Uhr nachmittags. Die Chinesen sind
das beste Beispiel dafür, mit wie wenig einfacher Nahrung und vor-
zugsweise Pflanzenkost der Mensch nicht nur zu leben, sondern auch
gesund zu leben vermag.

m allgemeinen wissen wir noch recht wenig vom Land und
von den Leuten Chinas und meist nur Zweifelhaftes, was in
----Zverallgemeinernd abgefaßten Reisebüchern von Leuten berichtet
wird, die nie an Ort und Stelle gewesen sind; geglaubt aber werden
solche Schilderungen, weil die größere Masse aller Leser für das Un-
geheuerliche und Wunderbare besonders eingenommen ist. Immer
noch besteht der Glaube, daß der Chinese ausschließlich von Reis lebt
und nur bei besonderen Anlässen den Küchenzettel ändert und an
faulen Eiern, Vogelnestern und Regenwürmern Genuß findet. Fast
nie geht es bei Beschreibungen chinesischer Tafeleien ohne diese, mit
dem üblichen europäischen Entsetzen geschilderten Delikatessen ab.
Allerdings ist Reis das Hauptnahrungsmittel; dafür sprechen schon
die riesiger: Reisfelder in Mittel- und Südchina. Im Norden gedeiht
der Reis nicht. Auch einige Redensarten in der Umgangsprache
deuten darauf hin: „Haben Sie
Ihren Reis schon gegessen?" fragt
der Chinese bei der Begrüßung;
eine höfliche Erkundigung, die un¬
serem „Wie geht es Ihnen?" ent¬
spricht. „Reis essen" bedeutet all-
gemein eine Mahlzeit einnehmen.
Der Chinese lebt aber nicht aus¬
schließlich von Reis, ja es gibt in
China fast kein Tier und keine
Pflanze, die dort nicht als Nah¬
rungsmittel Verwendung finden.
Er ernährt sich zum größten Teil
von Pflanzenkost, und die strengen
Anhänger Buddhas genießen über¬
haupt kein Fleisch. Am verbreitet¬
sten ist Schweine- und Hammel¬
fleisch; auch Rindfleisch wird ge¬
nossen. Von den ärmeren Volks¬
klassen wird ferner das Lenden-
fleisch von Kamelen, Pferden,
Mauleseln und Eseln gegessen. Die
Ansicht, daß der Chinese haupt¬
sächlich Hunde- und Katzenfleisch
genieße und aus Ratten sich eine
Delikatesse mache, ist übertrieben.
In manchen Gegenden allerdings,
vor allem im Binnenlande, wird
das Fleisch von Hunden und Katzen
verzehrt, aber der Chinese ist nun
bei diesen Tieren noch wählerisch:
er bevorzugt schwarzeKatzen; weiße
und gefleckte sind von geringerem
Wert und werden in manchen Ge¬
genden überhaupt nicht gekauft.
Ratten und Mäuse finden nur in
einigen Gegenden in der Küche
Unbemittelter Verwendung.
Geflügel wird hauptsächlich im Winter zur Nahrung verbraucht;
bevorzugt werden Hühner und Enten. Auch andere Vögel, vor allem
Sperlinge, erscheinen auf dem Speisezettel. Das „Feldhuhn", wie
der Chinese den Frosch nennt, findet Liebhaber, und die Puppe der
Seidenraupe schmückt, gekocht und mit einer süßen Tunke gegeben,
als große Kostbarkeit die Tafel.
Fische werden kaum in einem Lande der Erde so viel gegessen
wie in China. Der Tintenfisch, den europäischer Geschmack ablehnen
würde, gilt als großer Leckerbissen; auch Haifischflossen, die zubereitet
eine gallertartige Speise geben, ißt man mit Vorliebe. Ferner sind
Haifisch- und Kabeljaumagen, getrockneter und gesalzener Fischrogen
und eine lange Reihe der seltsamsten Schaltiere sehr beliebt. All diese
Speisen finden sich fast nur bei den Bemittelten; der einfache Mann
ißt meistens Reis und dazu —nicht umgekehrt —Fisch oder eingesalzene
Gemüse. In Nordchina, wo der Reis nicht gedeiht, tritt an dessen
Stelle Hirse, Mais und Weizen, daneben von den Hülsenfrüchten
namentlich Bohnen und Erbsen; auch Buchweizen wird viel verbraucht.
Milch, Butter und Käse ißt der Chinese nicht, dafür bereitet man
aus Hülsenfrüchten eine Art Quark, der ihm als Ersatz dient. Groß
ist der Verbrauch von Eiern; man genießt sie roh oder gekocht, vielfach
 
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