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Herzog Max von Hohenberg und seine Geschwister,
die Kinder des ermordeten österreichischen Thronfolgerpaares.

„Und das wäre? — Ah! Ich verstehe!"
„Wohl dem, der in seinem Herzen gewählt hat!" sagte der alte
Kraußer, den die Art und Weise, wie der Oheim den Neffen ausholte,
erheiterte. „Nun hat jedes vom anderen eine Antwort."
„Ich habe noch gar nichts gesagt," rief der Major. „Und deine
Antworten, Hans-Albrecht, sind derartig dunkel, daß sie mich völlig
unbefriedigt lassen. Sollte aber Tante Reppchen in dich dringen,
ihr meine Entschlüsse mitzuteilen, so verrate ihr nur, daß ich immer
noch Junggeselle bin. Immer noch, hörst du?"
„Das ist bedauerlich. Du gerade wärst doch in den Jahren, wo
wir Queris —"
„Jawohl! Aber ich bin noch lange kein solcher Invalide, wie
sich Tante Reppchen einredet. Sie denkt, ich kann es nicht er-
warten, bis jemand kommt, um mir die rheumatischen Glieder
in Baumwolle zu wickeln. Nun werde auch ich mit meiner Ent-
schließung warten. Nun will ich ihr zeigen, daß ich auch anders
kann!"
„Wie denn?" fragten fast gleichzeitig Hans-Albrecht und der
Justizrat. Ohne daß er den Namen genannt hatte, waren beide
im stillen fest davon überzeugt, daß der Major, mochte er reden,
was er wollte, in der Tiefe seines Herzens doch einzig und allein
an das Fräulein Ursula Kölsch dachte. Der alte Kraußer war sekunden-
lang betroffen. Das konnte nicht Ernst sein.
Doch der Major schien sich in Trotz hineinzureden. Wenn es
sein müsse, wenn man es durchaus nicht anders haben wolle, dann
führe er noch selbst nach Montevideo. Als Hans-Albrecht verriet,
daß ihm Tante Regine denselben Rat gegeben habe, geriet der Major
noch mehr in Erregung; laut rief er: „Dann wäre es das beste, wir
lösten uns beide eine
Fahrkarte und schiff-
ten uns ein. Je
eher, desto besser!"
Er war aufge-
standen und ging
mit langen Schritten
durchs Zimmer.
„Unter solchen
Umständen," nahm
der alte Kraußer das
Wort, „erübrigen sich
die anderen Punkte
wohl vorderhand?"
Da stand der
Major still. „Nein,
bitte! Ich halte es
für nötig, darüber
noch zu sprechen,
denn wer weiß, ob
wir vor der großen
Reise noch einmal so
zusammenkommen."
Hubert Kraußer
lächelte. Er kannte
doch den tempera-
mentvollen Major
viel zu gut. Bevor
der je ernstlich an
eine Überfahrt nach
Amerika dachte, floß
noch viel Wasser die
Wilde Ache hinunter.
Mit leisem Spott
sagte er: „Vergessen
Sie nicht, lieber

Das Testament des sel. Eusebius.
Roman von Viktor Hellinq.
(Fortsetzung.)
ch meine, lieber Onkel, eine Heirat bleibt, soviel ich davon
verstehe, immer ein Wagnis."
„Das ist ein großes Wort: ,Soviel ich davon verstehe*. Erlaube,
das ist geradezu prächtig; das klingt ja beinahe, als dächtest du über-
haupt nicht daran, die Erbschaft jemandem anderen streitig zu machen."
Der alte Kraußer schmunzelte: „Wir haben ja Zeit, in Ruhe —
ganz in Ruhe zu überlegen."
„Ruhe? Ich danke, lieber Freund! Eile haben wir! Das ist
ja gerade das Verzwickte dieser Klausel, daß nur eine so kurze Zeit
zur Bedingung gemacht ist."
„Ein ganzes Jahr doch! Ich verstehe auch Tante Regines Eile
nicht —"
Der Major schlug mit der Handfläche auf den Tisch: „Siehst du
wohl! Die superkluge Tante, sie weiß genau, worauf es an-
kommt !"
„Doch nicht," antwortete der Neffe. „Sie übersieht vor allem,
daß es doch in erster Linie darauf antommt, daß man auch zueinander
paßt."
„Das ist alles sehr schön gesagt, aber es ist weder ja noch nein.
So kommen wir nicht weiter. Hier handelt es sich doch darum:
Treten wir dem Heiratsplan mit Esther überhaupt näher oder nicht?
Oder gehen wir zum nächsten Punkt des Legats über?"
Statt zu antworten, zuckte Hans-Albrecht nur mit den Schultern.
Der Major fragte
eindringlich: „Jeden¬
falls ziehst du durch
Punkt eins üoch kei¬
nen glatten Strich?
Wie? Oder du willst
dir nicht in die Kar¬
tensehenlassen. Aber
hier muß Vertrauen
gegen Vertrauen sein.
Was mich betrifft...
hm ..." Er unter¬
brach sich und fuhr
mit der hohlen Hand
durch die Luft, wo
die Hummel wieder
bedrohlich summte.
„Du kriegst sie
nicht, Onkel —"
„Vor allen Din¬
gen mach mich nicht
noch nervöser, als ich
so schon bin! Was
ich sagen wollte, um
unseren liebenswür-
digenDoktvrKraußer
nicht länger als un¬
bedingt nötig ist auf¬
zuhalten, — was ich
für meine Person
sagen wollte, das ist
weder schwankend,
noch zaudernd. Da
solltestdudir ein Bei¬
spiel dran nehmen,
mein Junge."

IV. 1918.
 
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