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Die Teuerung im Buchgewerbe.
ängst waren die Preisforderungen für die meisten Dinge
des täglichen Bedarfs einschließlich der Lebensmittel sprung-
haft auf das Drei- und Mehrfache gegen früher in die Höhe
geschnellt, da waren immer noch die meisten Zeitungen, Zeitschriften
und Bücher zu den Preisen entschwundener Friedenstage zu haben.
Erst im Jahr 1917 setzten zögernd und dem Zwang gänzlich ver-
änderter Verhältnisse nachgebend auch für diese Erzeugnisse Preis-
erhöhungen ein, sie blieben aber sehr bescheiden im Vergleich zu
den bedeutenden Steigerungen, wie sie inzwischen aus anderen Ge-
bieter: eingetreten sind. Verwöhnt durch die niedrigen Preise deut-
scher Bücher, sowie die Billigkeit unserer an Vielseitigkeit wetteifernden
Zeitschriften, wollen trotzdem viele Leute ungerechterweise dem Buch-
gewerbe nicht einmal in maßvollen Grenzen zubilligen, was sie
nach anderer Seite in ungleich größerem Umfang gleichmütig zu-
gestehen. Tatsächlich leidet das Buchgewerbe in allen Zweigen schwer-
unter Rohstoffmangel und den nur notdürftig brauchbaren, teuren
Ersatzmitteln, der: Einberufungen geschulter, gut eingearbeiteter
Kräfte und den nötig gewordenen Lohnsteigerungen.
Allerdings erhöhte sich die Nachfrage nach Lesestoff, je mehr
die Gelegenheiten, andere Dinge zu kaufen und zu verschenken, ab-
nahmen. Das Buch ist nicht nur bei unseren Feldgrauen im ein-
tönigen Stellungskrieg als williger Unterhalter und billiger Lehr-
meister in der Wertschätzung gestiegen, auch daheim lernte man
mehr als in der an vielgestaltigen Zerstreuungen reichen Friedens-
zeit die Werte schätzen, die durch gute Bücher und Zeitschriften ver-
mittelt werden. Die Vorteile dieser günstigen Absatzmöglichkeiten
wurden jedoch völlig aufgewogen durch die immer schlimmer werden-
den Behinderungen und die gesetzlichen Einschränkungen der Her-
stellung, Verringerung der notwendigsten Rohstoffe und Steigerung
der Kosten. Die Anpassungen an die Notstandsverhältnisse und die
Überwindung der technischen Schwierigkeiten verdienen als erstaun-
liche Leistungen des Verlagsbuchhandels Bewunderung. Es ist
deshalb zu wünschen, daß größere Einsicht in die Teuerungsnöte
des Buchgewerbes zu einer gerechteren Beurteilung der schwierigen
Sachlage und der unvermeidlichen Preiserhöhungen führen möge.
An einigen Beispielen sei der ungeheuerliche Abstand zwischen
den Verhältnissen vor dem Krieg und dem jetzigen Stand dargetan.
Da ist zunächst die Papiernot. Dieser Stoff, den ein Kultur-
volk so wenig zu entbehren vermag wie Lebensmittel für des Leibes
Nahrung und Notdurft, ist im Preise um das V i e r- b i s Sechs-
fache gestiegen. Bekanntlich wird zur Papierherstellung Holz
gebraucht, aus dem man Zellulose als Grundstoff für Papier be-
reitet. Infolge der hochgetriebenen Holzpreise und der neuerlichen
Verwendung der Zellulose zu Papiergeweben wurde der Papier-
verbrauch, soweit er das Buchgewerbe betrifft, von feiten der Re-
gierung geregelt, das heißt zunächst — eingeschränkt. Auch hier ist man
also, wie auf anderen Gebieten, zur Zuteilung übergegangen. Die
behördlich geregelte Zuweisung der zugebilligten Papiermenge
wird im Verhältnis zum Verbrauch des Jahres 1916
mit sechzig Prozent be in essen, sie zwingt zu immer
beschwerlicher werdenden Einschränkungen.
Auch der Buchdruck ist äußerst gehemmt. Unter seinen wich-
tigsten Werkstoffen ist zunächst die Druckerschwärze zu nennen.
Da sie aus Firnis und Ruß bereitet, der Ruß aber durch Verbrennung
von Mineralölen gewonnen wird, die vor dem Kriege meist aus
dem Ausland bezogen wurden und jetzt kaum zu haben sind, so
muß man sich mit Ersatz behelfen, der fünf- bis sechsmal so
teuer, aber nicht halb so ausgiebig ist wie die ehemalige Schwärze.
Mit den bunten Druckfarben ist es noch schlechter bestellt.
Die Minderwertigkeit der Farben erfordert beim Druck häufigeres
Waschen der Walzen und Druckformen; die üblichen Waschmittel,
Petroleum und Terpentin, sind nicht mehr oder nur zu
unverhältnismäßig hohen Preisen zu haben. Auch in diesem Falle
muß inan sich mit Ersatz behelfen, der weniger ausgiebig ist. Zur
Herstellung der Walzenmasse wären Gelatine und G l y-
zerin nötig, die jetzt zu den unerreichbaren Stoffen gehören.
Unter der Verschlechterung der Werkstoffe leiden auch die teuren
Maschinen, zumal ihre Wartung vielfach weniger geübten Kräften
anvertraut werden muß, und das dafür benötigte Schmieröl

hat jetzt einen Preisaufschlag von etwa dreihundert-
fünfzig Prozent erfahren. Bei dem für das Zeitschriften-
wesen so wichtigen Jllustrationsverfahren steigern sich die Schwierig-
keiten fast ins Unüberwindliche. Die zur Herstellung von Druck-
stöcken für die Bilder erforderlichen Grundstoffe und chemischen
Arbeitsmittel kosten das Vielfache und sind größtenteils ganz vom
Markt verschwunden, der Ersatz ist geringwertig.
Dazu kommt noch die Verteuerung der H e r st e l l u n g
durch die gesteigerten Löhne. Der Tarifausschuß ver-
deutschen Buchdrucker hat Anfang Juli in Rücksicht auf die er-
höhten Kosten für den Lebensunterhalt eine weitere erheb-
liche Teuerungszulage an die Mitarbeiter beschlossen.
Auch die Buchbinderei hat Mit kaum noch erträglichen
Erschwerungen und Verteuerungen aller Werkstoffe zu kämpfen.
Leinwand ist nicht mehr vorhanden; man muß mit Papie r-
überzug derBücher vorliebnehmen. Die verschiedenen
Papiersorten und Pappe in allen Stärken sind um drei-
bis fünfhundert Prozent in: Preis g e st i e g e n,
Faden um mehr als dreihundert. Gaze in Ersatz-
papiergewebe um neunhundert Prozent! Auch Heft-
draht ist um zweihundert Prozent teurer. Die hundert
Kilo Lein: — und zwar beste Qualität L e d e r le i m — kosteten
1914 97 Mark und jetzt verlangt die amtliche Leimverteilungs-
stelle, durch die allein die Ware erhältlich ist, für die gleiche
Menge in bedeutend geringerer Beschaffenheit 412 Mark für
hundert Kilo. Stärke — zur Bereitung von Kleister —, Farbe,
Bronze und Gold sind, wenn überhaupt noch erhältlich, bis
zu hundert Prozent und mehr im Preise gestiegen.
Der Verleger, der hinsichtlich der Herstellung vom Buch-
drucker und Buchbinder abhängig ist, leidet unter diesen Teuerungs-
verhültnissen, und vor allem unter der Papiernot. In normalen
Zeiten konnte er durch die Auflagehöhe den Kostenanteil für das
einzelne Buch verringern, weil sich bei der Herstellung größerer
Auslagen die Druckkosten mehr verteilten, und weil das Papier
verhältnismäßig billig war. Jetzt sind ihm durch die Verteuerung
und die beschränkte Papierlieserung die Hände gebunden. Daß der
Verleger, abgesehen von den empfindlichen Lücken unter seinen
schriftstellerischen und künstlerischen Mitarbeitern wie den technischen
Angestellten, auch unter der Verteuerung der Fracht- und Post-
gebühren, dem hohen Preisaufschlag für Packmaterial und Kontor-
bedarf aller Art, den Steuer- sowie Gehaltserhöhungen und Teue-
rungszulagen zu leiden hat, sei nur zur Vervollständigung der
Schwierigkeiten erwähnt. — Einem guten Buch ein angemessenes
äußeres Gewand zu geben, in Sah und Bildschmuck das zu leisten,
was der deutsche Verlag in unermüdlichen: Wetteifer bisher anstrebte,
ist jetzt mit so bedeutenden Hemmnissen verknüpft, daß die Grenze
des geschäftlich Erträglichen überschritten zu werden droht.
Während die Herstellungskosten und Herstellungsschwierigkeiten
von Woche zu Woche zunehmen, sind die Einnahmen durch Ver-
ringerung der Anzeigen bedeutend zurückgegangen, so daß viele
Zeitschriften ihr Erscheinen einstellen mußten. Das kann auch der
Allgemeinheit durchaus nicht gleichgültig sein. Es ist vielmehr von
großer Wichtigkeit, daß sich der deutsche Zeitungs- und Zeitschriften-
verlag auf seiner anerkannten Leistungsfähigkeit und kulturellen
Bedeutung halte. Diese Forderung ist denn auch in den Verhand-
lungen des Hauptausschusses, in: Reichstag ausdrücklich hervorgehoben
worden. Die Wichtigkeit der Presse, die Unentbehrlichkeit des Buches
und der Zeitschriften in allen Abstufungen, von: Handbuch des Ge-
lehrten bis zum Lebensmut weckenden kleinen Bändchen eines
schlichten Erzählers, sind erfreulicherweise auch in der Kriegszeit in:
Feld und daheim mehr als je erkannt worden.
Wie gewaltig arbeiten unsere Feinde durch
das gedruckte Wort, durch bildliche Darstellungen
gegen uns! Darum mußauchbeiunsdas Schrift-
tum noch mehr geschätzt und gefördert werden,
denn es ist auch für uns eine wichtige Kriegs-
waffe, die aber nur dann scharf und leistungs-
fähig bleibt, wenn das ganze Volk dazu bei-
trägt, sie zu erhalten und zu stärken für den
großen Kampf, den das Vaterland gegen eine
Welt von Feinden zu führen gezwungen ist.
 
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