Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Bieńkowski, Piotr
Die Darstellungen der Gallier in der hellenistischen Kunst — Wien, 1908

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.14663#0052

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
36

einen dicken Wulst wiedergegeben. Die Augen, deren Äpfel noch Ilach und nach Skopas' Gewohn-
heit wie eingezogen sind, liegen sehr tief und sind durch zusammengezogene Brauenmuskeln,
die sich zum Teil über die Augenlider senken, beschattet. Die Stirn ist sehr charakteristisch
modelliert. Die untere Hälfte ist vorgeschoben, die obere schmal und zurückweichend; gegen
die Schläfen zu merkt man zwei ziemlich große Einrenkungen. Das Ganze läßt den geistvollen,
Hotten Meißel eines bedeutenden hellenistischen Künstlers erkennen. In stilistischer Beziehung
ist der Kopf in einigen Merkmalen den pergamenischen Galliertypen ähnlich, in anderen
verschieden. So treffen wir auch hier das charakteristische, keltische Gesicht mit breiten Backen-
knochen, struppigem Haar und wenig profilierten Gesichtszügen wieder, aber bei den Pergame-
nern sind die letzteren mit einem gewissen Idealismus behandelt, während sie hier mit einem
rücksichtslosen Realismus wiedergegeben sind. Dieser Unterschied wird wohl damit im Zusam-
menhang stehen, daß die pergamenischen Gallierköpfe, so abweichend sie auch von einander
sind, allgemeine Typen wiedergeben, während der Kopf von Gizeh recht individuell ist und zwei
verschiedene Gesichtshälften zeigt. Dazu kommt der Unterschied der Ausführung. Während die
pergamenischen Schöpfungen sich alle in einer gewissen Härte und Schärfe gleichen, der man
es ansieht, daß sie auf Bronze berechnet sind, hat der Gallierkopf in Gizeh etwas Weiches, Unbe-
stimmtes, Formen, die für Marmor von Anfang an bestimmt waren. Schreiber hat bekanntlich
diesen Unterschied benutzt, um der alexandrinischen Plastik überhaupt das Skizzenhafte als Cha-
rakteristikum zuzuweisen. Sein Versuch wurde jedoch von Furtwängler (Berl. philol. Wochen-
schrift 1896, 945) mit der Bemerkung zurückgewiesen, daß unter den Marmorfunden von Per-
gamon auch einige, z. B. der bekannte schöne weibliche Kopf, von derselben weichen Art
sind. Nun ist es natürlich nicht ausgeschlossen, daß auch der Gallier-Kopf in Gizeh von einem
»pergamenischen« Künstler gearbeitet sei, aber beweisen läßt es sich ebensowenig, wie der ale-
xandrinische Charakter des Kopfes. Warum soll es denn schließlich unmöglich sein, daß solche
Werke auch außerhalb Pergamons, z. B. auf einer der Inseln (der Kopf soll ja nach einer Angabe
aus Thasos stammen), entstanden seien? Wie dem auch sei — der Kopf in Gizeh ist ein bedeut-
sames Monument, welches beweist, daß es im dritten und zweiten Jahrhunderte, dem er mit
Sicherheit zuzuweisen ist, noch Strömungen in der hellenistischen Kunst gab, die nicht in den
offiziellen, übermäßig deutlichen und harten pergamenischen Stil mündeten. Das Bild jener Zeit
verliert dadurch an Einseitigkeit, gewinnt aber an geistigem Gehalt.

„•-

Fig. 49 a.
 
Annotationen