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Bieńkowski, Piotr
Die Darstellungen der Gallier in der hellenistischen Kunst — Wien, 1908

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https://doi.org/10.11588/diglit.14663#0164

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Barons Baracco notiert und als ein in Neapel gekauftes Reliefbruchstück erkannt haben.
Seine Höhe beträgt 0*255 m. Die ganze Nase und fast das ganze Kinn sind neu. Der barbarische,
speziell der gallische Charakter des Gesichtes spricht sich besonders in dem herabhängenden
Schnurrbart aus. Das Haupt ist mit einer Fellmütze bedeckt, welche unter dem Kinn durch ein
Band gehalten wird. Der pathetisch erregte Gesichtsausdruck tritt besonders in den empor-
blickenden Augen und den zusammengezogenen Brauen zu Tage. Indes ist der Pathos hier
nicht mehr so gewaltig wie an den echten Werken der pergamenischen Schule. Es ist denkbar,

daß der Kopf bereits in der römischen, und zwar, da, noch keine

Pupillen in den Augen angegeben sind, in der frührömischen
Epoche enstanden ist, wofür auch der mit Ilachen Strichen
wiedei gegebene Schnurrbart spricht.

Das Stück ist besonders wegen seiner ungewöhnlichen
Kopfbedeckung wichtig. Wäre der Schnurrbart nicht da, würde
man an einen römischen Signifer oder Cornicen, überhaupt an
einen Musikanten denken, die besonders in der Kaiserzeit, aber auch
schon früher, Fellmützen oder Löwenfelle auf den Köpfen zu
tragen pflegten. Indes würde man in dem Falle einen Löwenkopf
am Vorderhaupte erwarten, wovon hier keine Spur vorhanden ist.
Übrigens gleichen die Haarzipfel der Mütze nicht einem Löwen-
felle, sondern am ehesten Roßhaaren. Am Kopfe des sterbenden
Persers (Arndl-Bruckmann, Denkmäler Taf. 515) sind die Über-
reste einer Pferdemähne ganz in derselben Weise wiedergegeben.
Ist dem aber so, dann liegt die Vermutung nahe, daß an unserem

Gallierkopfe jener rätselhafte Gegenstand dargestellt ist, den man
so oft als Krönung der gallischen Trophäen römischer Zeit antrifft. Er wurde bis jetzt fast
einstimmig (Literaturangabe bei S. Beinach, Gaulois dans l'art p. 53, not. 4) für einen Skalp
erklärt und daraufhin den Galliern die besonders bei Indianern verbreitete Sitte des Skalpierens
zugeschrieben. Indes wird diese von keinem antiken Schriftsteller erwähnt, auch sonstige histo-
rische Quellen wissen nichts davon (vgl. D'Arbois de Jubainville, Les Geltes (ed. 1904); C. Jullian,
Histoire de la Gaule vol. I—II. 1908). Daß einige abgehauene Köpfe auf dem Triumphbogen von
Orange (Caristie, pl. 17 et 18) kahl dargestellt sind, kann ebensowenig dafür sprechen, wie die
von Livius XXIII, 24 beschriebene Sitte der Boier, Schädel der getöteten Feinde als Trinkgefäße
zu benutzen. Das Rätsel löst sich einfach so, daß die Gallier, gewiß nicht überall, aus Rosshaar
verfertigte Fellmützen gebrauchten, die von den römischen, auch südfranzösischen Kunstlern
als Gegenstücke der Helme zur Krönung der Trophäen verwendet wurden. Nach allem, was
wir wissen, unterliegt es keinem Zweifel, daß der Typus des gallischen Trophäums keine
Schöpfung der römischen Kunst war, sondern bereits in der hellenistischen Epoche ausgebildet
wurde. So ist es beinahe sicher, daß die an unserem Gallierkopf dargestellte Fellmütze auch
von hellenistischen Kelten getragen wurde. Wenn sie aber öfters erst auf den südfranzösischen
Trophäen erscheint, so möge das als Beispiel dienen, wie anziehend und gewinnbringend es
wäre, die Beziehungen zwischen dem kleinasiatisch-ionischen Osten und der Kunst des südlichen
Frankreich näher darzulegen. Doch liegt dieses Problem bereits außerhalb der Grenzen, die
diesem Bande gezogen sind.
 
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