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Bieńkowski, Piotr
Die Darstellungen der Gallier in der hellenistischen Kunst — Wien, 1908

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https://doi.org/10.11588/diglit.14663#0166

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sich als eine spätrömische Kopie nach einem pergamenischen Original. Nicht nur die Maße
sondern auch der Gesichtsschnitt, die stark emporgezogenen Augenbrauen, der halb offene Mund,
überhaupt der ganze Ausdruck erinnern verhältnismäßig an den jungen zurücksinkenden Vene-
tianer (oben Fig. 58, 59) am meisten. Dagegen sind die Pupillen bereits durch runde Eintiefungen
ohne umgebende Kreislinien wiedergegeben. Das Haar ist ganz grob angelegt mit zahlreichen
Bohrerrillen; der Schnurrbart ist dünn und durch parallele Strichlinien wiedergegeben; die Augen-
brauen sind weder durch das Haar noch durch den Wulst verstärkt, somit ausdruckslos. In Bezug
auf die flaue und nachlässige Ausführung kommt dieser Kopf dem Fig. 74, 75 abgebildeten
Bologneser am nächsten.

Nichts destoweniger bleibt der Wiener Kopf wegen seines Fundortes wichtig. Nach dem
am Stücke selbst angeklebten Zettel — Inventar fehlt — ist er im J. 1868 vom Pater Moses War-
danian aus dem Mechitaristenkloster in Aidin (zwischen Ephesos und Aphrodisias) nach Wien
gebracht worden. Alle anderen Stücke, sowohl der besseren als der schlechteren Serie wurden
mit Ausnahme des Athener Torsos wahrscheinlich in Jtalien gefunden. Für die Figuren der
besseren Serie ist Rom als Fundort sicher. Klügmann (Aich. Zeit. 1876, 36) folgte der Annahme,
daß sie in der Nähe des Palazzo Madama gefunden wurden, in welchem Bellieure und Aldroandi
sie gesehen haben, und vermutete, daß sie einst zum Schmucke der auf dem Marsfelde von
Agrippa angelegten, von Nero und später von Alexander Severus erweiterten Thermen dienten.
Wie dem auch sei, haben wir schon oben S. 37 auf die Unwahrscheinlichkeit hingewiesen, daß
alle diese Kopien in Rom oder Jtalien verfertigt sein sollten. Die Marmorgattung schien eher für
Griechenland, eine der Inseln oder Kleinasien zu sprechen. S. Reinach (Gaulois dans Fart p. 12,
not. 5) glaubte zwischen der Technik der großen Gallierfiguren und derjenigen des Fechters
von Agasias im Louvre eine Analogie zu finden und riet daher auf Ephesos als die Heimat der
»pergamenischen« Repliken. Diese Vermutung erhält nun durch den Wiener Kopf Bestätigung
und Berichtigung zugleich. Es kommt nämlich jetzt Aidin selbst, das antike Tralles, dessen
Kunstliebe auch in spätrömischer Epoche die letzten Ausgrabungen (vgl. Rev. arch. 1904, 348)
beweisen, vielmehr in Betracht als Ephesos oder Aphrodisias, natürlich unter der Voraussetzung,
daß der Marmor der »besseren« Serie und der von Nr 28, 30 der Gattung nach identisch, nur
qualitativ verschieden ist. Man könnte ferner annehmen, daß die bessere Serie, auch die großen
Gallierstatuen, die in technischer Beziehung mit den bronzenen Originalen wetteifern, etwa in
trajanisch-hadrianischer Zeit, da diese Technik auch an Porträts beliebt war, ausgeführt worden,
die schlechtere Kopienserie dagegen, die entweder neutral oder in Marmortechnik, immer aber
auf die Fernwirkung gearbeitet ist, eist in der spätantoninischen Epoche entstanden isl. Alle
diese Vermutungen werden jedoch so lange in der Luft schweben, bis die Marmorfrage von
einem Spezialisten beantwortet sein wird. Der Verfasser der »Griechischen Marmorstudien«
B. Lepsius wäre dazu berufen.

Die S. 44 erwähnten, Fig. 49 a abgebildeten Tonfragmente aus dem Theater des Piräus
sind mittlerweile für das Antiquarium in München erworben worden. Nach Dr. ,T. Sievekings
Mitteilung sind es im ganzen vier Bruchstücke, zwei mit Guirlanden haltenden Eroten, zwei mit
Kämpfern. Von diesen, die beide oben abgebildet sind, enthält das eine nur einen griechischen
Beiter, der gegen einen am Boden vorauszusetzenden Gegner die Lanze richtet, vielleicht gegen den
Gallier links auf dem anderen Fragment, der sich mit dem Schwert den Todesstoß gibt. Bechts
von diesem kämpft ein Paar, — der Galher mit dem Langschild und sein Gegner, von dem
nur das rechte Bein mit Resten von hohen Stiefeln und vom Gewandsaum über dem Knie
übrig ist — über einem zweiten Gefallenen, von dem die beiden Beine, der auf diesen aullie-
gende rechte Arm und einige Gewandreste sichtbar sind. Die Eroten waren wahrscheinlich
unterhalb der Kampfszenen angebracht.
 
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