Einleitung.
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Klöstern Georgenthal (1472, 1481 und 1486) und Reinhardsbrunn (1472) ausge-
dehnte 'Waldgrundstücke erkaufte, um mittelst der daraufstehenden Bäume das
zum Wiederaufbau nöthige Holz zu beschaffen.
Zu jenem Unglück trat noch hinzu: dass die Stadt mehrfach von verheerenden
Seuchen heimgesucht wurde, wie unter anderen die Pest 1483 10— 12000 Menschen
hinraffte, insbesondere aber, dass der Rath sich in der leichtfertigsten Weise eine
kaum glaubliche Verschleuderung der öffentlichen Gelder zuschulden kommen
liess, wie unter anderen 1474 die unnöthige Theilnahme an der Belagerung von
Neuss, die der Stadt weder Vortheil noch Ruhm eintrug, 400000fl. die „grössten-
theils auf Bankettiren draufgingen“ gekostet hat, und bald nachher (1477) ein grosser
glänzender Schützenhof abgehalten ward, zu welchem sich viele Fürsten, Grafen
und Herren einfanden, die nicht nur von dem Rathe freigehalten, sondern auch
noch reich beschenkt wurden, so dass die dadurch der Stadt erwachsenen Kosten
ungemein hoch waren. Wenn jener von 1472, wo der grosse Brand stattfand, bis
1477 an Baukosten 19270 Schock verausgabt hat, so mag dies durch die Umstände
gerechtfertigt gewesen sein, wenn er es sich aber 1480 7893 Schock kosten liess:
die Genehmigung der geistlichen Oberen zur Verlegung des Cyriaxklosters in die
Stadt zu erlangen, um auf dessen bisheriger Stelle eine Burg zu bauen, so ist
dies kaum zu entschuldigen. Durch alle diese Massregeln gerieth die Stadt-
gemeinde in eine so tiefe Verschuldung, dass der Rath, statt wie bisher sonst
alljährlich neue Güter anzukaufen, sich nunmehr (1507) genöthigt sah, heimlich
die Herrschaft Kapellendorf, seine einzige reichsunmittelbare Besitzung, pfandweise
an die sächsischen Fürsten abzutreten, was bekanntlich neben der ebenso eigen-
mächtigen als eigennützigen Weise, wie die Patrizier die Gemeindeangelegenheiten
verwalteten, die Veranlassung zu den inneren Unruhen gab, welche in dem so-
genannten tollen Jahre 1510 ihren Gipfelpunkt erreichten.
Aber schon vorher hatte Erfurt seine Stellung als Schiedsrichterin Thüringens
eingebüsst. Es hatte sich in dieser so lange behaupten können als es ihm möglich
gewesen war, seine Politik: die beiden Nachbarn, welche eine Landesherrlichkeit
über die Stadt und ihr Gebiet in Anspruch nahmen, die Erzbischöfe von Mainz
und die thüringischen IGirsten dadurch gegenseitig in Schach zu halten, dass es
sich des einen gegen den andern bediente und sich stets dem anschloss, von welchem
augenblicklich die wenigste Gefahr drohte, durchzuführen. Seit aber an Stelle des
zuletzt in Verfall gerathenen thüringischen Landgrafenhauses die mächtigen und
energischen Markgrafen von Meissen getreten waten, deren Macht sich noch durch
die Erwerbung der Kurwürde steigerte, und dann auch noch einer derselben, Herzog
Albert, den mainzischen Stuhl bestieg (1482), war Erfurt der vereinigten Macht
nicht mehr gewachsen, und es vermochte nur durch schwere Geldopfer und die
Abtretung eines Theiles seines Gebietes 1482 den Frieden zu erkaufen.
Fast noch trauriger waren die Folgen der oben angedeuteten erst 1516 zum
Abschluss gelangten inneren Unruhen. Eine grosse Auzalil der reichsten Patrizier-
familien hatte während derselben die Stadt verlassen, sich anderswo niedergelassen
und die wichtigsten Zweige des Gewerbebetriebes, so den Waidhandel, mit sich
geführt, so dass dem Wohlstände der Stadt die empfindlichsten Wunden geschlagen
wurden. Erzbischof Albrecht von Mainz hatte seine Vermittelung der städtischen
Wirren (1515) dazu benutzt, die Rechte des Erzbistlrams wieder herzustellen und
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Klöstern Georgenthal (1472, 1481 und 1486) und Reinhardsbrunn (1472) ausge-
dehnte 'Waldgrundstücke erkaufte, um mittelst der daraufstehenden Bäume das
zum Wiederaufbau nöthige Holz zu beschaffen.
Zu jenem Unglück trat noch hinzu: dass die Stadt mehrfach von verheerenden
Seuchen heimgesucht wurde, wie unter anderen die Pest 1483 10— 12000 Menschen
hinraffte, insbesondere aber, dass der Rath sich in der leichtfertigsten Weise eine
kaum glaubliche Verschleuderung der öffentlichen Gelder zuschulden kommen
liess, wie unter anderen 1474 die unnöthige Theilnahme an der Belagerung von
Neuss, die der Stadt weder Vortheil noch Ruhm eintrug, 400000fl. die „grössten-
theils auf Bankettiren draufgingen“ gekostet hat, und bald nachher (1477) ein grosser
glänzender Schützenhof abgehalten ward, zu welchem sich viele Fürsten, Grafen
und Herren einfanden, die nicht nur von dem Rathe freigehalten, sondern auch
noch reich beschenkt wurden, so dass die dadurch der Stadt erwachsenen Kosten
ungemein hoch waren. Wenn jener von 1472, wo der grosse Brand stattfand, bis
1477 an Baukosten 19270 Schock verausgabt hat, so mag dies durch die Umstände
gerechtfertigt gewesen sein, wenn er es sich aber 1480 7893 Schock kosten liess:
die Genehmigung der geistlichen Oberen zur Verlegung des Cyriaxklosters in die
Stadt zu erlangen, um auf dessen bisheriger Stelle eine Burg zu bauen, so ist
dies kaum zu entschuldigen. Durch alle diese Massregeln gerieth die Stadt-
gemeinde in eine so tiefe Verschuldung, dass der Rath, statt wie bisher sonst
alljährlich neue Güter anzukaufen, sich nunmehr (1507) genöthigt sah, heimlich
die Herrschaft Kapellendorf, seine einzige reichsunmittelbare Besitzung, pfandweise
an die sächsischen Fürsten abzutreten, was bekanntlich neben der ebenso eigen-
mächtigen als eigennützigen Weise, wie die Patrizier die Gemeindeangelegenheiten
verwalteten, die Veranlassung zu den inneren Unruhen gab, welche in dem so-
genannten tollen Jahre 1510 ihren Gipfelpunkt erreichten.
Aber schon vorher hatte Erfurt seine Stellung als Schiedsrichterin Thüringens
eingebüsst. Es hatte sich in dieser so lange behaupten können als es ihm möglich
gewesen war, seine Politik: die beiden Nachbarn, welche eine Landesherrlichkeit
über die Stadt und ihr Gebiet in Anspruch nahmen, die Erzbischöfe von Mainz
und die thüringischen IGirsten dadurch gegenseitig in Schach zu halten, dass es
sich des einen gegen den andern bediente und sich stets dem anschloss, von welchem
augenblicklich die wenigste Gefahr drohte, durchzuführen. Seit aber an Stelle des
zuletzt in Verfall gerathenen thüringischen Landgrafenhauses die mächtigen und
energischen Markgrafen von Meissen getreten waten, deren Macht sich noch durch
die Erwerbung der Kurwürde steigerte, und dann auch noch einer derselben, Herzog
Albert, den mainzischen Stuhl bestieg (1482), war Erfurt der vereinigten Macht
nicht mehr gewachsen, und es vermochte nur durch schwere Geldopfer und die
Abtretung eines Theiles seines Gebietes 1482 den Frieden zu erkaufen.
Fast noch trauriger waren die Folgen der oben angedeuteten erst 1516 zum
Abschluss gelangten inneren Unruhen. Eine grosse Auzalil der reichsten Patrizier-
familien hatte während derselben die Stadt verlassen, sich anderswo niedergelassen
und die wichtigsten Zweige des Gewerbebetriebes, so den Waidhandel, mit sich
geführt, so dass dem Wohlstände der Stadt die empfindlichsten Wunden geschlagen
wurden. Erzbischof Albrecht von Mainz hatte seine Vermittelung der städtischen
Wirren (1515) dazu benutzt, die Rechte des Erzbistlrams wieder herzustellen und