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Tettau, Wilhelm
Beschreibende Darstellung der älteren Bau- und Kunstdenkmäler der Provinz Sachsen (Band 13): Beschreibende Darstellung der älteren Bau- und Kunstdenkmäler der Stadt Erfurt und des Erfurter Landkreises — Halle a. d. S., 1890

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https://doi.org/10.11588/diglit.41154#0034
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16

Einleitung.

möglichst zu erweitern, so dass für Erfurt die Aussicht reichsfrei und von Mainz
unabhängig zu werden, unwiederbringlich verloren ging.
Dazu kam: dass dessen volkswirtschaftliche Bedeutung und der Wohlstand
der Bürger durch die in dieser Zeit stattgefundenen Entdeckungen, namentlich
die des Seeweges nach Ostindien, eine sehr einschneidende Schädigung erlitt. Die
grosse Handelsstrasse, die vom Oriente und dem Adriatischen Meere über Erfurt
nach dem Horden und Osten Europas geführt, verlor dadurch fast jede Bedeutung
und hiermit Erfurt eine Hauptquelle seines Reichthums. Der schon verringerte
Waidhandel wurde durch den Indigo lahm gelegt. Auch einen grossen Theil des
Binnenhandels riss das von den sächsischen Fürsten und auf deren Betrieb von
der kaiserlichen Regierung begünstigte Leipzig an sich.
Hierzu trat: dass noch ein anderer Faktor des Ruhmes und des Wohlstandes
Erfurts, die Universität, im Schwinden begriffen war. Zwar hatte dieselbe noch
im Ausgange des 15. und dem Beginne des 16. Jahrhunderts, wo sie den Hauptsitz
der Humanitätswissenschaften in Deutschland bildete, wo die berühmten Briefe
der Dunkelmänner von ihr ausgingen, eine Nachblüte erlebt, doch schon der
sog. Studentenlärm von 1510, wo die Bibliothek und das Archiv der Universität
zugrunde gingen und viele Studenten flüchtend die Stadt verliessen, auch nach
Wiederherstellung der Ruhe nicht zurückkehrten, hatte unersetzlichen Schaden
gebracht. Die Reformation, von der man einen neuen Aufschwung der Hochschule
hätte erwarten sollen, da sie deren erste Wiege gewesen, war es gerade, die deren
gänzlichen Verfall herbeiführte, da sie innere Zwistigkeiten verursachte, die, ob-
wohl zunächst ihre Gegner, die sie veranlasst hatten, in dem sog. Pfaffenstürmen
1521 eine Niederlage erlitten, doch die Folge hatten, dass der grössere Theil der
Studenten die Stadt verliess und die Freudigkeit der Lehrenden und Lernenden
gebrochen ward. Da nun die benachbarten Hochschulen, Leipzig, das kürzlich
gegründete Wittenberg, wo die Reformatoren lehrten, das bald nachher gegründete
Jena, Marburg, das nun die Hessen, die bisher fast ausnahmslos ihre Ausbildung
in Erfurt gesucht, diesem entzog, alle von Landesherren reich ausgestattet, die
lediglich von einer in Verfall gerathenen Gemeinde kärglich unterhaltene hiesige
Universität verdunkelten, so konnte diese fortan nur kümmerlich ihr Dasein fristen.
Ihre Blüte war auf immer dahin und alle Bemühungen, solche von neuem sich
entfalten zu lassen, blieben ohne dauernden Erfolg.
Auch die Zwistigkeiten, in welche die Stadt m\t dem Erzbischof von Mainz
dadurch gerieth, dass sie im Bauetnaufruhr 1525, um das Ihrige zu erhalten, Hab
und Gut der Geistlichkeit preisgegeben, schlugen zu ihrem Schaden aus; denn sie
sah sich gezwungen in dem Hammelburger Vertrage 1530 vollen Ersatz zu leisten
und die landesherrlichen Rechte des Erzstifts von neuem anzuerkennen und musste
sich mit dem Zugeständnis der Religionsfreiheit begnügen.
Alle diese Umstände waren natürlich von dem wesentlichsten Einflüsse auf
Bau- und Kunstthätigkeit in Erfurt im letzten Drittheil des 15. und dem
ersten des 16. Jahrhunderts. Nach dem so verhängnisvollen Brandunglücke von
1472 beschränkte man sich zunächst beinahe allein darauf, die durch die Flammen
zerstörten Gebäude wiederherzustellen. Schon in dem genannten Jahre ging man
an den Neubau des Langhauses und der Thürme des Doms, sowie des Schiffes
der Severikirche, kurz nachher an den der Benedictskirche und des Georgenthaler-
 
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