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Tettau, Wilhelm
Beschreibende Darstellung der älteren Bau- und Kunstdenkmäler der Provinz Sachsen (Band 13): Beschreibende Darstellung der älteren Bau- und Kunstdenkmäler der Stadt Erfurt und des Erfurter Landkreises — Halle a. d. S., 1890

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https://doi.org/10.11588/diglit.41154#0167
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I. Kirchliche Gebäude — B. Klosterkirchen.

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gilt nach dem Dome für die schönste Kirche Erfurts, lässt sogar auch diesen an
einfacher Planmässigkeit und kunstvoller Harmonie aller Theile hinter sich zurück.
Ihre Dichtung geht von Westen nach Osten. Ihre Länge beträgt 76m, die
Stärke ihrer Mauern durchschnittlich 1m, die Höhe der Umfassungswände bei
den Seitenschiffen 14m, zu denen noch die 4m der auf dem Gewölbe ruhenden
Mauern des Mittelschiffs treten. Die Breite des Langhauses beträgt am West-
giebel 19m. Aufgeführt ist das Gebäude aus Quadern des trefflichen Seeberger
Sandsteins.
Der 1279 im wesentlichen vollendete Chor (Fr. 45) ist einschiffig und er-
heblich schmaler wie das Langhaus; er schliesst mit drei Seiten eines Achtecks
ab; seine Umfassungsmauern erreichen die Höhe des Mittelschiffs, so dass die
Firste der Dächer beider aneinanderstossen. Seine fünf Fenster, die eine Höhe
von 15m und eine Breite von 1 1;2 m haben, sind zweitheilig und mit, hin und
wieder nicht gut erhaltenem, Masswerk versehen. Die vier Strebepfeiler gehen bis
zum Gesimse des Zwischendaches und sind reicher geschmückt wie die des Schiffes.
An der nördlichen Umfassungsmauer des Langhauses befinden sich sechzehn
Strebepfeiler, die einmal abgetreppt, von einem einfachen Wasserschlage bedeckt sind
und nicht ganz bis an das Gesims des Zwischendaches reichen. Zwei derselben
haben eine grössere Tiefe als die übrigen, doch rührt dies, wie deutlich wahr-
nehmbar ist, von einer neuerdings an der Stirnseite vorgenommenen Verstärkung
her. — Die Aufsatzmauer des Mittelschiffs entbehrt der Strebepfeiler. Die West-
front enthält zwei solche, da wo das Mittelschiff an die Seitenschiffe stösst; sie
sind höher wie die andern, da sie beinahe bis an das Dach des ersteren reichen;
ihre Spitzen werden durch drei kleine Giebel gebildet.
Auf der Südseite fehlen die Strebepfeiler da ganz, wo das Kloster früher an
die Kirche stiess; die vorhandenen sind erheblich schwächer wie die der Fordseite.
Die Kirche hat auf der letzteren, der Predigerstrasse zu, vier Eingänge,
deren einer, zwischen dem fünften und dem sechsten Strebepfeiler, von Westen
gerechnet, mittelst einer Doppelfreitreppe zur Empore führt, aber erst aus neuerer
Zeit herrührt. Der daneben liegende Eingang ist mit einem Bogen überwölbt und
war sonst mit Bildsäulen geschmückt, die auf den, eben so wie die Baldachine,
noch vorhandenen Consolen in halbrunden Fischen in den Leibungen der Thüre
standen.
Das Hauptportal befindet sich in der Westfront (Fr. 46), die überhaupt
den schönsten Theil des Bauwerks bildet (Abbild, bei Kruspe, Beitr. Taf. II, 16),
der Paulsstrasse gegenüber. Dasselbe besteht in einer sich nach innen verjüngenden
kleinen Halle, deren Seiten zwei durch Rundstäbe eingefasste Fischen einnehmen.
In jeder derselben steht eine kurze, schlanke Dreiviertelsäule mit zierlichem Blätter-
kapitäl, die einst dazu diente, eine Bildsäule zu tragen, welche von einem reichen
Baldachine bedeckt wurde. Durch eine gleiche Säule mit Baldachin werden die
beiden Flügel der Thüre getrennt. Auch auf den beiden Seiten der letzteren sieht
man noch Kragsteine, welche einst Bildsäulen getragen haben und die dazu
gehörigen Baldachine. In dem spitzbogigen oberen, jetzt vermauerten Bogen-
felde befand sich früher über dem durch einen Pfosten gestützten Thürsturz,
der, wo er an die Umfassung stösst, von zwei kleinen Figuren, über deren Be-
deutung Zweifel obwalten, getragen wird, eine Rosette. Eine gleiche zeigt das
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