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Kreis Erfurt.
nutzt werden können, und man berechtigt ist anzunehmen, dass der im Anfänge
des 12. Jahrh. stattgefundene Kirchenbau in seiner wesentlichen Disposition bis
auf unsere Zeit gelangt ist.1 Denn ausser dem Ban, welcher in Folge des Brandes
von 1221 vorgenommen sein muss, wird von einem späteren Um- oder Neubau
nirgends berichtet. Insbesondere ist die Allerheiligenkirche von keiner der vielen
Feuersbrünste, die im 13., 14. und 15. Jahrhundert Erfurt betrafen, erreicht worden,
da der Umstand, dass 1290 der Blitz in sie eingeschlagen hat, nicht in Betracht
kommen kann, indem der angerichtete Schaden sich darauf beschränkte, dass
eine Altarplatte zertrümmert und eine Casula verbrannt ist. Namentlich ist jenes
nicht bei dem grossen Brande von 1472 geschehen, so sehr derselbe sie auch in
Gefahr gebracht hat, da das in ihrer Nähe belegene Haus zum rothen Löwen von
den Flammen ergriffen worden ist. Stolle, der 1. c. f. 156 den Umfang der Brand-
stätte sehr genau angiebt, und von jeder der betroffenen Kirchen anführt, wie
weit sie zerstört worden ist, gedenkt der Allerheiligenkirche nicht. Zwar berichtet
derselbe (f. 254), dass 1487 in der Kreuzwoche (20. — 26. Mai) die Thurmspitze
derselben aufgesetzt worden sei, doch berechtigt nichts zu dem Schluss, dass dies
in irgend welcher Beziehung zu jenem Brande stehe.
1515, Freitag nach St. Lucas (19. Oktob.) hat Thilo v. d. Sachsen zwei neue
Altäre in dieser Kirche errichten lassen (v. Milwitz bei Hartung 1. c. S. 193).
Nachdem die Reformation in Erfurt Eingang gefunden, wurde 1525 der
Gottesdienst in derselben ganz eingestellt; sie wurde aber bereits 1526 den Katho-
liken zurückgegeben (Friese 1. c. II. 434, 439) und ist seitdem ununterbrochen in
deren Besitz geblieben.
In baulicher Beziehung ist nur noch zu erwähnen, dass die Kirche mehrfach
Beschädigungen durch Gewitter erlitten hat, so namentlich am 3. Juli 1577, wo
der Blitz in dieselbe einschlug (Milwitz, Nachricht. S. 785). Auch am Busstage
(11. Mai) 1870 wurde der Thurm von einem solchen getroffen, welcher zündete,
infolgedessen die Spitze ausbrannte und erneuert werden musste.
1 Hartung, 1. c. S. 190 sagt zwar, nachdem er die Mängel und Unregelmässigkeiten der
Kirche aufgeführt und das „auffallend verkümmerte Bild, was alles dasjenige vermissen lasse,
was in andern Kirchen mit Andacht und Ehrfurcht erfülle,“ geschildert hat: „Alles dieses
spricht nun dafür: dass das Haus mehrmals, und zwar zu seinem Nachtheil, baulich ver-
ändert wurde, und nicht mehr dieselbe Kirche ist, wie sie ursprünglich angelegt sein mochte.
Denn wenn auch auf dem ein Dreieck bildenden Raume, auf welchem die Kirche steht, ein
ehemaliger Prachtbau nicht gesucht werden kann, so lässt sich in Verbindung mit dem
schönen Thurm mit ziemlicher Sicherheit vofäussetzen, dass bei der Anlage dieses Gottes-
hauses ein bestimmter Plan Vorgelegen hat, und dieser, so schlicht und einfach er immer ge-
wesen sein mag, dennoch ein symmetrisches Ganze repräsentirt haben wird. Wie diese Kirche
ursprünglich beschaffen gewesen sein kann, lässt sich jedoch um so weniger bestimmen, als
die Lage der Pläuser an der Marktstrasse, hinter Allerheiligen und in dem Kirchgässchen
seit circa 150 Jahren gänzlich verändert worden ist.“ Wenn man aber auch der letzteren
Aeusserung beipflichten muss, so zeigt doch schon der Augenschein, dass, wenigstens rück-
sichtlich der Aussenmauern, sich die vorgenommenen Veränderungen nur auf Unwesentliches,
Fenster, Eingänge und möglicherweise die Hinzufügung des Seitenschiffes, beschränkt haben
müssen und die Kirche unmöglich jemals ein symmetrisches Ganze gebildet haben kann, wir
also in der Hauptsache noch jetzt den ursprünglichen Bau mit allen seinen Mängeln und
Unregelmässigkeiten vor uns haben.
Kreis Erfurt.
nutzt werden können, und man berechtigt ist anzunehmen, dass der im Anfänge
des 12. Jahrh. stattgefundene Kirchenbau in seiner wesentlichen Disposition bis
auf unsere Zeit gelangt ist.1 Denn ausser dem Ban, welcher in Folge des Brandes
von 1221 vorgenommen sein muss, wird von einem späteren Um- oder Neubau
nirgends berichtet. Insbesondere ist die Allerheiligenkirche von keiner der vielen
Feuersbrünste, die im 13., 14. und 15. Jahrhundert Erfurt betrafen, erreicht worden,
da der Umstand, dass 1290 der Blitz in sie eingeschlagen hat, nicht in Betracht
kommen kann, indem der angerichtete Schaden sich darauf beschränkte, dass
eine Altarplatte zertrümmert und eine Casula verbrannt ist. Namentlich ist jenes
nicht bei dem grossen Brande von 1472 geschehen, so sehr derselbe sie auch in
Gefahr gebracht hat, da das in ihrer Nähe belegene Haus zum rothen Löwen von
den Flammen ergriffen worden ist. Stolle, der 1. c. f. 156 den Umfang der Brand-
stätte sehr genau angiebt, und von jeder der betroffenen Kirchen anführt, wie
weit sie zerstört worden ist, gedenkt der Allerheiligenkirche nicht. Zwar berichtet
derselbe (f. 254), dass 1487 in der Kreuzwoche (20. — 26. Mai) die Thurmspitze
derselben aufgesetzt worden sei, doch berechtigt nichts zu dem Schluss, dass dies
in irgend welcher Beziehung zu jenem Brande stehe.
1515, Freitag nach St. Lucas (19. Oktob.) hat Thilo v. d. Sachsen zwei neue
Altäre in dieser Kirche errichten lassen (v. Milwitz bei Hartung 1. c. S. 193).
Nachdem die Reformation in Erfurt Eingang gefunden, wurde 1525 der
Gottesdienst in derselben ganz eingestellt; sie wurde aber bereits 1526 den Katho-
liken zurückgegeben (Friese 1. c. II. 434, 439) und ist seitdem ununterbrochen in
deren Besitz geblieben.
In baulicher Beziehung ist nur noch zu erwähnen, dass die Kirche mehrfach
Beschädigungen durch Gewitter erlitten hat, so namentlich am 3. Juli 1577, wo
der Blitz in dieselbe einschlug (Milwitz, Nachricht. S. 785). Auch am Busstage
(11. Mai) 1870 wurde der Thurm von einem solchen getroffen, welcher zündete,
infolgedessen die Spitze ausbrannte und erneuert werden musste.
1 Hartung, 1. c. S. 190 sagt zwar, nachdem er die Mängel und Unregelmässigkeiten der
Kirche aufgeführt und das „auffallend verkümmerte Bild, was alles dasjenige vermissen lasse,
was in andern Kirchen mit Andacht und Ehrfurcht erfülle,“ geschildert hat: „Alles dieses
spricht nun dafür: dass das Haus mehrmals, und zwar zu seinem Nachtheil, baulich ver-
ändert wurde, und nicht mehr dieselbe Kirche ist, wie sie ursprünglich angelegt sein mochte.
Denn wenn auch auf dem ein Dreieck bildenden Raume, auf welchem die Kirche steht, ein
ehemaliger Prachtbau nicht gesucht werden kann, so lässt sich in Verbindung mit dem
schönen Thurm mit ziemlicher Sicherheit vofäussetzen, dass bei der Anlage dieses Gottes-
hauses ein bestimmter Plan Vorgelegen hat, und dieser, so schlicht und einfach er immer ge-
wesen sein mag, dennoch ein symmetrisches Ganze repräsentirt haben wird. Wie diese Kirche
ursprünglich beschaffen gewesen sein kann, lässt sich jedoch um so weniger bestimmen, als
die Lage der Pläuser an der Marktstrasse, hinter Allerheiligen und in dem Kirchgässchen
seit circa 150 Jahren gänzlich verändert worden ist.“ Wenn man aber auch der letzteren
Aeusserung beipflichten muss, so zeigt doch schon der Augenschein, dass, wenigstens rück-
sichtlich der Aussenmauern, sich die vorgenommenen Veränderungen nur auf Unwesentliches,
Fenster, Eingänge und möglicherweise die Hinzufügung des Seitenschiffes, beschränkt haben
müssen und die Kirche unmöglich jemals ein symmetrisches Ganze gebildet haben kann, wir
also in der Hauptsache noch jetzt den ursprünglichen Bau mit allen seinen Mängeln und
Unregelmässigkeiten vor uns haben.