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Kreis Erfurt.

Der ornamentirte Holzbau, der namentlich in einigen Städten Niedersachsens
so treffliche Werke geschaffen, ist in Erfurt nie heimisch gewesen. Ebenso hat
der Ziegelbau erst in der neusten Zeit daselbst Eingang gefunden. Früher baute
man, wenn nicht in Holz und ungebranntem Lehm, lediglich in Bruch- oder be-
hauenen Steinen. Die noch erhaltenen Bauten aus älterer Zeit sind sämmtlich in
diesem Material.
Räumlich beschränkt sich die Gegend, wo dergleichen Gebäude sich finden,
auf den Kern der Stadt, den Theil derselben auf beiden Seiten des Breitstroms
zwischen dem Friedrich-Wilhelmsplatz und dem Anger. Hier Avar es, wo die
Wohnhäuser der Patrizierfamilien lagen. Für die vorn eh m ston Gegenden der
Stadt galten die Markt-, die Allerheiligen-, die Michaelis-, die Schlösser, die Futter-,
die obere Johannis-, die Regierungsstrasse und der Anger.
So wie in anderen deutschen Städten, so bestand auch in Erfurt die Sitte,
jedem Privathause einen Namen beizulegen. Diese Einrichtung ersetzte die später
aufgekommenen Hausnummern. Sie war sehr alt und existirte schon im ll.Jahrh.
(Cassel, Erfurter Bilder und Bräuche S. 26), hatte, wue das Zinsbuch des Severi-
stiftes von 1350 und die Yerrechtsbücher von 1493 und 1510 ergeben, allgemeine
Annahme gefunden, hat sich lange erhalten und ist noch jetzt nicht ganz ver-
schwunden, wie man denn auch noch gegenwärtig an vielen Häusern die in Stein
gehauenen bildlichen Darstellungen jener Namen erblickt.
Was sich an interessanten Wohnhäusern aus älterer Zeit in Erfurt noch findet,
wird nachstehend aufgeführt werden, und zwar nach alphabetischer Reihenfolge
der Strassen und den Hausnummern, da eine andere Anordnung, namentlich
die chronologische oder bautechnische, sich nicht consequent durchführen lassen
würde.

A. Allerheiligenstrasse.
Nr. 6. Haus zur Windmühle. Im Erdgeschosse sind gekuppelte Fenster
angebracht in wunderlicher unbeholfener Frührenaissance, von Säulen eingefasst
mit kräftigem Gesimse abgeschlossen und darüber Flachbogen mit Muschelfüllung.
Da sich gleiche Fenstereinfassungen an dem unfern belegenen Collegium saxonicum
finden, so sind beide Häuser avoIü von demselben Meister und etwa gleichzeitig
erbaut, das in Rede stehende also um 1540. Die oberen Fenster desselben sind
einfach in mittelaltrigem Profile. Dagegen ist die prächtig geschnitzte Hausthüre
mit ihren korinthischen Säulen und ornamentalen Flachreliefs von schönem
Schwünge der Zeichnung, ein Werk des vollendeten Styls (Lübke, 1. c. S. 365).
Die Thüreinfassung besteht in einer sich verjüngenden, durch Stäbchen und Ein-
ziehungen begrenzten Nische; die Thür selbst ist mit ihren Ornamenten von
Figuren und LaubAverk ein Meisterstück der Holzsculptur. Yon gleicher Schönheit
sind die Thüreinfassungen im Innern des Hauses, insbesondere aber ein grosser
dreitheiliger, im reichsten Renaissancestyl ausgeführter Wandschrank.
Nr. 8. Zum güldenen Sternberg. Obwohl das Haus erst 1533 von dem
Procurator Johannes Hoffmann gebaut ist, herrscht darin ausschlieslich die Gothik
(Lübke 1. c.). Gerstenberg envähnt in seinen Novantiq. Erford. eine Sage, nach
welcher alle Bewohner desselben A^erarmt wären, Aveil einer der Besitzer das Wort
Patientia, das ein Yorgänger auf einen; Stein habe einhauen, wieder habe ab meissein
 
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