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Bergner, Heinrich [Editor]
Beschreibende Darstellung der älteren Bau- und Kunstdenkmäler der Provinz Sachsen (Band 24): Beschreibende Darstellung der älteren Bau- und Kunstdenkmäler der Stadt Naumburg — Halle a. d. S., 1903

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https://doi.org/10.11588/diglit.25507#0189
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Kreis Naumburg.

in den breiten Dach sing (Gürtel), mit der Linken hält er sich an dem Aste, der
oben als Ranke zurückfällt; der andere klettert, das Knie auf eine Ranke
gestemmt, am Aste hoch. Als seitlicher Aufsatz dient ein urnenartiges Gebilde,
welches auf einem Leuchterfuß einen massigen Stengel und zwei breite über-
fallende Palmetten, in der Mitte eine Blütenknospe etwa von Ananas empor-
treibt. Die Schiede sind wie bei 2, doch setzen darüber konsolartige, durch-
brochene Tafeln auf, in welchen schwungvolle Ranken und Phantasieblüten
ausgeschnitten sind. Die einzelnen Sitze sind mit Muscheln gedeckt. Die Stirn-
krönung besteht in drei innen mit Lilien besetzten Rundbögen, die außen mit
Kielbögen umrahmt und geschlossen und durch vorgekragte Strebefialen getrennt
und begrenzt sind. In den drei Feldern der Rückwand findet sich Christus
zwischen Petrus und Paulus in Flachrelief, Christus mit Liliennimbus, die rechte
Hand segnend, die linke mit der Weltkugel erhoben, so ungeschickt gezeichnet,
daß die Unterarme unmittelbar aus den Rippen kommen; die beiden Apostel
mit Muschelnimbus, Büchern und Schlüssel, resp. Schwert. Ganz wie bei 2 ist
die Arbeit im Kackten roh, die Falten lebhaft, in wurstartigen Zügen. Die
Einzelformen, die Verwendung von Muscheln und spätgotischen Rankenmustern
nach Miniaturen weisen auf die Zeit von 1510—20.

5. Die drei Lesepulte, das eine vor dem Dreisitz, zwei andere zweiseitige,
in der Mitte stehend, sind ohne jede Zier, aus dicken Eichenbohlen zusammen-
gefügte Kästen, die zugleich als Schränke dienen. An letzteren noch ein Licht-
träger, ein sehr einfacher Arm aus Schmiedeeisen mit gerollten Stützen
zusammengenietet.

6. Das Gestühl im Westchor war lange Zeit zernommen und die größere
Hälfte stand im Ostchor. Bei der Restauration ist es zusammengesetzt und füllt
mit den 16, auch zu den Blendarkaden passenden Sitzen genau den Raum
zwischen den Pfeilersockeln. Sonach kann es keinen Zweifel leiden, daß es

Fig. 78. Laubfries der Chorstühle.

ursprünglich für den Westchor bestimmt war und, nach dem Wappen zu schließen,
unter Johann von Schönburg gearbeitet wurde. Kach der Anlage und den
Einzelformen entspricht es genau dem unter 2 geschilderten Yiersitze. Über
den Armlehnen läuft ein Laubstab mit wechselnden Mustern, nämlich zwei um-
einander gedrehte Stäbe mit gezackten Distelranken, darin ein Ziegenbock hinter
einem Baume kniend, ein gerader Stab, um den die Distelranke geschwungen
ist, endlich eine Weinranke mit Blattschmuck und Trauben. Darüber der Zinnen-
fries (Fig. 78), der die Jahreszahl 1516 aufweist. An den Rundungen der Schiede
treten wieder die Grotesken auf, unter denen einige Frösche, Hasen und Drachen
recht witzig gebildet sind. (Fig. 79.)
 
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