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DIE ARCHITEKTEN.

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Gothik, welche vor hundert Jahren die Schloss-
bauten aus den Schauer- und Kitterromanen
anwehte, es ist der Ausfluss eines Stiles, welcher
im Handwerke noch Gnade fand, als die ,hohen
Künste1 ihn proscribirten. Ihm gehorchten, was
die Dispositionen betrifft, die Kirche zu Melle
und Hopsten noch 1721/24 und 1732.

Als in der Renaissance allmählich die Wand-
lungen der Kriegskunst das Fortificationswesen
aus dem Bereiche der
Kriegsführer und hand-
werklichen Mauerleute in
die Hände von Zeich-
nern und Mathematikern
gespielt, kamen überall
die Ingenieure und mit
ihnen die Architekten
auf, in Westfalen jedoch
erst regelmässig, als das
französische Hof- und
Kunstwesen das altdeut-
sche Kunstlehen er-
drückte oder zersetzte.

Anderswo mögen die Um-
wälzungen geschildert
werden, welche das ganze
Kunstgetriebe, das Ver-
hältniss der Künste und
Künstler, der formale
Volksgeschmack darun-
ter erlitten hat, — es soll
nur betont werden, dass

hier unter Beruard von Galen zuerst das Hof-
kiinstlertum die frühere Gleichstellung der
Künstler erschütterte und dass nun der Inge-
nieur auch als Architekt für Kunstbauten auftrat.

Bernara7 Spoede hielt sich anscheinend bloss
an Festungshauteil und leitete auch den Umbau
des Stadtgürtels von Warendorf; sein College
Peter Pictorius aber plante von 1670 bis 1684
auch Kunstbauten und -Anlagen in demselben
Maasse wie Fortificationen. Nach der Ueber-
lieferung war er im dreissigjährigen Kriege mit
den Schweden nach Münster gekommen und
wegen seiner Fertigkeit im Zeichnen dem
Bischöfe Galen empfohlen; •— anders die
Quellen. Unterm 24. September 1654 beschei-
nigt und besiegelt der Capitain der spanischen

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Cuirassiere Don Melchior de Carbaxal j Leiva
zu Neapel, dass Pedro Pitorio, Sohn des Lorenzo
von der Insel Moen in Dänemark als braver
und pflichttreuer Soldat in seiner Compagnie
gedient habe, bis er am 5. Februar auf Befehl
des Conde de Castillo in die deutsche Garde
eingetreten wäre, und gibt ihm dies Zeugniss
zu seinem Nutzen und Wohlergehen. Nach den
Acten sowie nach den Zeichnungen und Schriften

von seiner Hand war
Pictorius ein hochgebil-
deter Mann, dann an der
Seite der Fürsten, dann
der Klöster, des Adels
oder auch (1672) des
Fürstbischofs von Pader-
born thätig. Neben den
Festungen vollführte er
Kloster-, Schlosshauten
und Gartenanlagen, diese
1680 noch am Frater-
hause zu Münster. Ohne
Frage sind auch die neuen
Schloss- und Parkanla-
gen zu Sassenberg gleich
wie zu Marienfeld seine
Werke. Um 1684 starb
er; nun empfahl schon
Bischof Fürstenherg sei-
nen Hofmaler Rudolphi
zu Marienfeld als Plan-
macher — und bald tre-
ten mit Schloss- und Kirchenplänen der Dom-
werkmeister Quinken, dessen wir unter Evers-
winkel gedenken, und der General von Corfey
hervor, wie sich dann das Architektenwesen hier
noch lange an das Genie- und Artillerie-Wesen
anlehnt.

Noch aus dem Jahre 1688 liegen Pläne vor
von Pictorius über Anlagen zu Nordkirchen, ob
von Peter oder von Godfried Laurenz Pictorius,
ist nicht näher bestimmt. 1712 erscheint der
letztere als Architekt, entweder Peters Anver-
wandter oder Sohn; denn die Pläne beider erb-
ten sich im seihen Familiennachlasse fort; der
jüngere Pictorius entfaltete dann als Major, dann
als Ohristwachtmeister, dann als Ingenieur oder
als Architekt eine noch weit grossartigere Bau-

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