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Bickell, Ludwig [Hrsg.]
Die Bau- und Kunstdenkmäler im Regierungsbezirk Cassel (Band 1): Kreis Gelnhausen: Textband — Marburg, 1901

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https://doi.org/10.11588/diglit.13326#0090

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72

Die Peterskirche.

thürme abgebrochen, und unter Beibehaltung alter Mauertheile eine dreistöckige Wohnhausfacade mit gewöhn-
lichen Fenstern hier angelegt worden ist. Von den Westseiten des Querhauses ist die südliche die interessantere,
da hier, wie Tab. 109 zeigt, einmal das hochgelegene vermauerte Rundbogenfenster und dann die Scheidebögen
des ursprünglich geplanten Seitenschiffes über dem jetzigen Dach zu sehen sind. Auch Ansätze für einen
Schildbogen in der Flucht der Seitenschiffmauern kann man deutlicli erkennen.

Die Seitenschiffe sind nur in den untersten Schichten bis zu den beiden Seitenportalen mit dem
Sockel und Quaderwerk des Querhauses gleich behandelt, während über und neben denselben wieder Bruch-
steinmauerwerk beginnt, welches nach Westen hin weder Spuren alter Fenster noch einen Sockel besitzt.

Das Südportal ist das reichste Architekturstück des Baues (Tab. 110, 111 und 109), und erinnert
im Profil der Kämpfer, durch das Zickzackband und die rechteckige Umrahmung an die Formgebung des
Kamines in der Burg Gelnhausen resp. an die der Thorhalle daselbst. Die Löwen, welche ehemals die ein-
geblendeten Säulen trugen, sind leider zu einer formlosen Masse verwittert und beschädigt. Auf den Zwickel-
füllungen finden sich Steinmetzzeichen (Tab. 96), während an dem Querhaus solche nicht zu entdecken waren.
Auffallend ist die Art der Steinfügung über dem Portalbogen, welche fast eine Umsetzung desselben, eine
Entnahme von anderer Stelle vermuthen Hesse. Der Thürflügel des Portals ist noch aus dem Anfang des
16. Jahrhunderts und hat eine schön profilirte Sehlagleiste (Tab. 105, Fig. 11).

Das Nordportal ist sehr viel einfacher im Aufbau und in den Gliederungen (Tab. 112), aber auf
dem Tympanon mit einer sitzenden Petrusfigur geschmückt. Leider steckt der Sockel des Baues hier im
Pflaster verborgen und dicht neben dem Portal ist ein Wohnhaus der Kirche angebaut, welches gerade diese
wahrscheinlich in grösserem Umfang alte Mauer vollständig verdeckt. Es war weder in den Bodenräumen
noch dem Hof und Keller desselben eine Stelle der Kirchenwände zu entdecken, und eine weitere Untersuchung
unmöglich. Unmittelbar über dem Portalbogen ist ein Stück Rundbogenfries von grossen Dimensionen mit
auffallend langen Schenkeln, offenbar von anderer Stelle entnommen, eingesetzt. Wenn auch das ansteigende
Terrain schon ursprünglich vier Stufen bis zu dem Innenniveau nöthig machte, kann doch unmöglich das Seiten-
schiffdach die jetzige geringe Höhe gehabt haben (ef. unter Inneres). Ein Dachsims fehlt sowohl den Seiten-
schiffen als dem Querhaus.

Das Mittelschiff hat schlichte, schmale, beiderseits abgeschrägte, ganz leise spitzbogige Fenster mit
Quadergewänden. Alles übrige Mauerwerk bis auf die Eckkanten ist wieder aus Bruchstein hergestellt und
getüncht gewesen. Das Dachsims besteht aus einer grossen Viertelskreiskehle mit Platte darüber. An dem
Westgiebel, welcher bei dem Umbau zu Wohnzwecken flacher gelegt ist, entspricht nur das gekuppelte Spitz-
bogenfenster des Giebeldreiecks denen der Langseiten, während das Westportal und das jetzt des Masswerks
beraubte Fenster des Mittelschiffes, sowie die beiden schönen, zweitheiligen Seitenschifffenster einer spätgothischen
Erneuerung, letztere der Zeit um 1420, die erstere der um 1450 angehören dürften.

Das Innere.

Im Innern, welches jetzt durch Zwischenwände und Decken gänzlich verbaut und in Folge dessen sehr
schwer zu untersuchen ist, concentrirt sich das Interesse hauptsächlich auf die Westwand des Querhauses,
welche alle für die ursprüngliche Gestaltung des Baues massgebenden Elemente glücklich bewahrt hat. Sie
ist mit einem grossen, unprofilirten Hundbogen durchbrochen, dem ein schwächerer auf halbrunden Diensten
mit reichgegliederten Sockeln, Eckblattbasen und schwungvollen Capitälen ruhender Gurtbogen untergelegt ist.
Tab. 115 giebt das zugehörige Detail, Tab. 113 das nördliche der beiden Capitäle (nach Ausbruch einer Wand).

Die Grundgestalt der Vierungspfeiler ist durch den Umbau nach Osten hin zerstört, an den übrigen
Seiten aber wohlerhalten. Für die ehemalige Disposition nach dem Chor hin ist die Innenansicht bei Ruhl
(Tab. 110) sowie die Aufmessung von Hundeshagen als Beleg zu verwenden. Danach haben diese Pfeiler einen
kreuzförmigen Querschnitt besessen, in dessen Winkel Viertelssäulen als Träger der Kreuzrippen im Mittel-
schiff und Quersehiff, und vor dessen Arme Halbsäulen als Träger von breiten Gurtbögenverdopplungen des
Eingangsbogens des Querschiffs und der Mittelschiffarkaden gestellt waren.

Der Triumphbogen ist jetzt zerstört, ein prachtvolles grosses vollständig erhaltenes Blattkapitäl des-
selben liegt aber nocli als Brunnenuntersatz benutzt in dem südlichen Seitenschiff.

Das Mittelschiff ruht jetzt auf schlichten Rundpfeilern mit Schmiegesockel und Kehlengesims, welche
ziemlich steile, unprofilirte Spitzbögen tragen, die an den Vierungspfeilern aus den zu dem Zweck des
Dienstes beraubten Flächen des kreuzförmigen Grundkörpers ohne Kämpfersims hervorwachsen, während die
 
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