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Bickell, Ludwig [Hrsg.]
Die Bau- und Kunstdenkmäler im Regierungsbezirk Cassel (Band 1): Kreis Gelnhausen: Textband — Marburg, 1901

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https://doi.org/10.11588/diglit.13326#0109

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Das Franziskanerklostei".

9]

der Guardian Jorig Grauell „alle Briefe, Register, Kleinode und Kirchengezierde" in die Hände des Rathes,
und dieser verpflichtete sich dagegen, die Schulen mit gelehrten Personen zu versehen und zu erhalten,
i »Staatsarchiv Marburg, Urk. der Franziskaner in Gelnhausen). Noch 1552 verhauten die Kirchenbaumeister
..an der nuwen kirchen sacristeien dach und sonsten daselbs" 3 fl. 17 ss. 2 d. bei der Einrichtung derselhen
zu einein städtischen Archiv (Gelnhausen, Stadtarchiv, Zins und Gefälle des gemeinen Kastens 1547/48).

Diese Sacristei hatte die Stadtverwaltung, da in dem Rathhaus kein gewölbter feuersicherer Raum vor-
handen war, zum Archiv eingerichtet. An denn Seitenschiff wurde ein künstliches Uhrwerk angebracht, welches
auf der Ansicht Tab. 16 zu sehen ist, von dem in den Stadtprotokollen nichts auf Einrichtung und Verfertiger
bezügliches, wohl aber eine Beschwerde der Zünfte über die hohen Kosten überliefert ist.

Nachdem im Jahre 1627 die Kaiserlichen gewaltsam das Kloster mit Franziskanern besetzt
hatten, welche nach dem westfälischen Frieden wieder vertrieben wurden, versuchte man im Lauf des 17. und
18. Jahrhunderts mehrmals aber vergeblich von Salmünster aus das Kloster wieder in Gang zu bringen (cf.
auch Himmelau und Arnsburger Hof; Geinhäuser Stadtarchiv, Protokolle von 1653, 75, 76, 86). Die Kirche
war bei der Einrichtung zum protestantischen Gottesdienst mit Emporen und festem Gestühl versehen worden,
erhielt jedoch erst 1665 gelegentlich einer Reparatur der Marienkirche eine kleine Orgel. In dem Stadtprotokoll
von 1681 (20./12.) wird ein „Lettner" genannt, es wird damit aber wohl nur die Orgelempore gemeint sein,
obwohl es nicht undenkbar wäre, dass der geräumige Chor durch einen monumentalen Lettner von der Laien-
kirche abgetrennt gewesen wäre.

Aon den Klostergebäuden war der Avestlich an dem Kreuzgang stossende Flügel für die Schulen, der
östliche zur Wohnung für den Geistlichen eingerichtet worden, der Kreuzgang diente als Holzstall auf der Ost-
seite, als Hausflur auf der Westseite. Aon der alten Kirche ist merkwürdigerweise nie die Rede, sodass es
den Anschein gewinnt, als sei sie schon bei der Säkularisation in Privatbesitz gelangt. Hundeshagen weiss
mit einer zweiten Kirche nichts anzufangen und nennt sie das Kapuzinerkloster.

Im siebenjährigen Krieg war die neue Kirche als Magazin benutzt und sehr verwüstet worden, doch
scheint sie wiederhergestellt und benutzt zu sein, da noch 1766 ein Begräbnis« in derselhen stattfand (Stadt-
protokolle von 1765—69). Hundeshagen sah sie aber noch als Kirche eingerichtet.

Bei einer Durchreise im Jahre 1806 hatte der Kurfürst von Hessen an der schlecht unterhaltenen in
die damalige Poststrasse vorspringenden Kirche Anstoss genommen, und in einer allerhöchsten Resolution vom
4. Juli d. J. bestimmt, dass sie sainmt dein Kreuzgang abgebrochen, der Erlös dem Kirchenärar zugeführt und
der Platz der Stadt zu anderweiter Benutzung überlassen werden solle (Staatsarchiv Marburg Akten des Kreis-
amts Gelnhausen, Abbruch des Klosters betreffend).

Das westfälische Interregnum hinderte die Ausführung dieses Beschlusses; er bewirkte aber, dass man
den Hau für vogelfrei ansah, und in den Kriegszeiten einzelne Theile ohne weiteres abbrach, wenn man Bau-
steine brauchte. So wurde nach einem Bericht des Ingenieurhauptmanns Rödiger vom 19. October 1817, mit
dem Material der Kirche die Mauer des Todtenhofes ausgebessert. Er beantragte dagegen den Abbruch zum
Zweck des Chaussee- und Brückenbaues bei Höchst. Das Presbyterium war zum Verkauf bereit, nach der
Abschätzung durch Baurath Heerwagen sah jedoch die Rentkammer von dem Ankauf ab.

Der begonnene Abbruch hatte die prächtige Kirche zur Ruine gemacht, und nun war es dem Kreisrath
Klingelhöfer vorbehalten, die völlige Zerstörung auch dieses Denkmals mit aller Energie zu betreiben. Er
erklärte dasselbe für gefährlich baufällig, wollte durch den Abbruch eine (ganz überflüssige) Vergrösserung und Ver-
schönerung (!) des Obermarktes erzielen, und setzte auch durch, dass im April 1822 der Abbruch fortgesetzt wurde
(Akten des Kreisamts w. o.), wobei man den Kreuzgang und damit die dicke Nordwand der Kirche schonte, um hier
Schulräume einzurichten. Nach endlosen Schreibereien sah man endlich ein, dass der schmale Kreuzgang hierzu
ungeeignet sei und verfügte den völligen Abbruch. (Akten des Kreisamts Gelnhausen w. o. 1822—30.)

Die sclHinen Quadern des Chores hatten seit 1822 auf dem Obermarkt gelegen, weil niemand sie kaufen
wollte. Die besten und meisten verschwanden aber unter der Hand. Da nun durch den Abbruch des Kreuz-
ganges in dem Westflügel eine offene Lücke entstanden war, wurde, um die Kosten der Herstellung dieser
Wand zu decken, die übrigen Quadern und Mauern an den Dr. med. Grau verkauft, welche» damals gerade
den Rest des Hofes der Schelm von Berge (cf. Breidenbacher Hof) niedergelegt hatte, um einen Neubau zu
errichten. Der Kaufpreis betrug 3 fl. 30 Kr. per Ruthe, die Kosten des Abbruches 2 fl. per Ruthe, sodass die
Reste um des Gewinnes von 60 fl. halber verschwanden (Pfarrrepositur Gelnhausen, geistliche Güter Fach 9,
Fase. 29).

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