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Bickell, Ludwig [Hrsg.]
Die Bau- und Kunstdenkmäler im Regierungsbezirk Cassel (Band 1): Kreis Gelnhausen: Textband — Marburg, 1901

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https://doi.org/10.11588/diglit.13326#0143

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Bieber.

125

Ueber ihre Entstehung und Geschichte ist nichts zu ermitteln gewesen, es ist auch unbekannt, seit
wann sie der kleinen katholischen Gemeinde als Pfarrkirche diente, nachdem sie früher Wallfahrtscapelle
gewesen, was sie wieder wurde, nachdem eine neue Pfarrkirche für Hieber und die benachbarten Orte im
Thüle im Jahr 1853 erbaut ist.

Den architektonischen Formen nach kann sie noch um die Wende des 13. und 14. Jahrhunderts ent-
standen sein, wurde im Laufe des 15. und 18. Jahrb. verschiedentlich umgebaut, und erhielt insbesondere
im letztern die Innenausstattung. Tab. 193, 194, 195j sowie Grundriss und Detail auf Tab. 242 geben eine
Vorstellung von dem kleinen interessanten Bruchstembau.

Das Schiff ist nachgedeckt und ohne Strebepfeiler. Seine Westthüre ist mit einem gefasten Giebel-
sturz überdeckt und gehört, wie das zweitheilige Westfenster, mit strengem Masswerk aus geradprotilirteu
Dreipässen der Erbauungszeit an. Auf der Südseite desselben haben sich aus gleicher Zeit zwei hochge-
legene kleine Spitzbogenfenster vermauert erhalten. Das dritte, östliche, ist am Schluss des 15. Jahrhunderts
•etwa durch ein grosses Spitzbogenfenster ersetzt, dessen einfach hohlprofllirtes Gewände in einer äusseren
flachen Spitzbogenblende liegt. Zwischen den alten Fenstern ist ein grosses rechteckiges im 18. Jahrhundert
gebrochen, ebenso eine mittlere Thüre mit interessantem Beschlag an dem Thürflügel. Tief unten an dem Ost-
«nde sitzt noch ein kleines hohlprofllirtes vermauertes Kreuzstockfenster. Die Nordseite wird grösstentheils
von der hier augebauten Sacristei bedeckt, welche im Anfang des 16. Jahrhunderts errichtet sein dürfte. Sie
bat zwei rippenlose Kreuzgewölbe, eine Eingangsthüre mit Kielliogenschluss und eine Piscina mit Vorhangs-
bogen, neben andern rechteckigen Wandnischen.

Der Chor ist aussen rechteckig, innen polygon gestaltet und hat ein Kreuzgewölbe, dessen hohl-
profilirte Kippen im polygonen Theil auf einfach profilirten [Tnb. 242, 4) Consölchen aufsitzen, im geraden
aus den Wänden hervorwachsen, und sich in ersterein zu einem achtpassförmigen Schlusssteine mit dem
hanauischen und isenburgischen Wappen, im letzteren in einem runden mit dem hanauischen Wappen ver-
einigen. Die zweitheiligen, auf den Tafeln genügend deutlich erkennbaren Fenster mit wohlerhaltenem Mass-
werk im Verein mit dem Detail der Gewölbe beweisen, dass der Chor in der zweiten Hälfte des 15. Jahrh.
.entstanden sein muss. Das Profil des an abnormer Stelle angebrachten Chorpf Örtchens ist jedoch ein viel
.älteres (Tab. 242, 5), und muss der Periode des Schiffes angehören, was sich so erklärt, dass das alte
Gewände der im 18. Jahrhundert veränderten Südpforte gleichzeitig zur Anlage dieses Pförtchens benutzt
wurde. Auch in Orb und Wirtheim — an den einzigen altern katholischen Kirchen des Kreises — linden sich
solche Chorpförtchen.

Von der Ausstattung des Innern, welche dem spätem 18. Jahrhundert angehört, ist folgendes
erwähnenswerth:

Der Hochaltar hat mich die alte gemauerte Mensa mit Eohlkehlenprofil an der Deckplatte, welche
mit einer geschweiften Holzverkleidung umgeben ist. Darüber erhebt sich ein kleiner Aufsatz, welcher aus einer
seitlich von Voluten begrenzten das Drehtabernakel umsehliossenden Predella, und darüber einer ebenfalls von
grossen Voluten mit vergoldetem Laubwerk begrenzten Nische mit Madonnenstatue besteht, welche mit einem
gelbverglasten „Auge Gottes" in Wolken abschliesst.

Der Seitenaltar hat einen ähnlich stylisirten noch kleineren Aufsatz ohne figürlichen Schmuck.

Das Gestühl ähnelt dem zu Altenmittlau. Eine Orgel fehlt, die Altargeräthe waren leider nicht
zugänglich.

In dein Dachreiter, dessen schmiedeeisernes Kreuz besonders bemerkenswert!) ist, und noch dem
15. Jahrhundert angehört, hängen zwei (i locken, deren grössere die Inschrift in lateinischen Gross-
buchstaben trägt:

PH H BACH ZU WINDECKEN GOSS MICH Fl"KU DIE KATHOL. KIRCHE ZU BIEBEK 1858.
Die kleinere hat keine Inschrift, dürfte aber noch dem 15. Jahrhundert angehören.
 
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