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Bickell, Ludwig [Hrsg.]
Die Bau- und Kunstdenkmäler im Regierungsbezirk Cassel (Band 1): Kreis Gelnhausen: Textband — Marburg, 1901

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https://doi.org/10.11588/diglit.13326#0166

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148

Hausen.

Erzstift Mainz zu verkaufen. Für Hausen behielt sie sich zunächst freien Eingang in den „langen steinernen
Bau" rechts vom Tliore vor, trat alter auch diesen 1558 ab, da der Erzbischof hier seine Canzlei und Capelle
eingerichtet hatte.

Mainz setzte in das Schloss Hausen einen Oberamtmann, dem die Amtsvögte zu Orb (mit Gericht
Wirtheim) und Burgjoss nebst dem des faidischen Pfandbesitzes unterstanden. Den Gottesdienst in der Capelle
besorgte der Pfarrer, resp. Klostergeistliche aus Salmünster; damit jedoch keine Ersitzung zu Gunsten von
Fulda stattfinden konnte, las der Erzbischof, wenn er dort anwesend war, selbst die Messe (Wolf p. 103—9.).
Nachdem Fulda von seinem Einlösungsrecht Gebrauch gemacht hatte, wurde das Oberamt in dem Mittelpunkt
des noch verbleibenden Gebietes nach Orb gelegt. Der Hauptbati der Burg, nun nicht mehr bewohnt, sondern
zu den Zwecken des Hofgutes benutzt und schlecht unterhalten, verfiel, und wenn er auch noch jetzt unter
Dach steht, so ist doch wenig von der alten Disposition und Ausstattung erhalten und zu erkennen. Die be-
quemeren Nebenbauten erhielten sich dagegen sehr viel besser.

Die Burg

war eine Wasserburg, deren Anlage aus einem bayrischen Catasterplan von 1850 noch wohl erkennbar ist,
während jetzt ein Theil der Gräben verschüttet und sonst noch manches zerstört ist cf. Tab. 239.

Das Kern werk hat geringen Umfang, und besteht nur aus dem vierstöckigen massiven Wohnbau,
welcher auf einer Anschüttung von ca. 3 m Höhe steht und ohne Ringmauer in geringer Entfernung von einem
breiten tiefen Wassergraben umgeben ist, über den eine spätere steinerne feste Brücke führt.

Die Tafeln 239 und 240 stellen den Hauptbau von Südost und Nordwest dar, so dass die auf allen
vier Seiten vorhandenen Spuren der alten Disposition, welche sich durch vorhandene oder vermauerte Fenster
und Thüren ergeben, sichtbar sind. Charakteristische architektonische Details fehlen leider gänzlich, insbesondere
ist mit dem Treppenthurm und einem Theil des betr. Giebels die Hauptthüre und damit die übliche Stelle für
grösseren Schmuck, Wappen und Inschriften zerstört worden. Vermauerte, schmale und kleine rechteckige
Fenster, und eine Spitzbogenthür in der Höhe des zweiten Stockwerkes (Tab. 240) an deren Stelle stichbogig
überdeckte breite Fenster wohl gleichzeitig mit den kleinen Vorhangsbogenfensterchen auf Tab. 239 traten,
machen es wahrscheinlich, dass der Kern dieses Hauptbaues noch dein Anfang des 15. Jahrhunderts angehört,
und dass um 1540 eine durchgreifende Erneuerung stattfand.

Im Innern haben sich von der letzten die Säulen, Träger und Dachbalken erhalten, alles in einfachster
maferialgemässer und durch Fasern belebter Construction und fast durchgängig der Ausfüllung der Decken
und Scheidewände beraubt.

Der lange Bau (df) hat ebenfalls einen altern Kern, welcher mehrfache Umbauten erfuhr. Der durch
seine Form als jetzt ältester erkennbare Theil ist die bei d gelegene Tab. 240 Fig. 4 dargestellte Capellen-
thüre, welche, wie oben erwähnt, nach der Besitzergreifung von Mainz 1540 in dem vorhandenen Bau einge-
richtet ist. Wie das erzbischöfliche Wappen über der Eingangsthür (Tab. 240) zeigt, ist dann 1568 der Bau
einer Modemisirung unterzogen, vor welcher nur die nach dem Graben gelegene Seite die Fensterreihe mit
Karniesprofil bewahrt, während Fenster und Thüren nach dem Hofe zu in diesem Jahrhundert vergrössert und
mit nüchternen platten Gewänden versehen sind, wobei man das Wappen wieder anbrachte.

Die Mühle, dem langen Bau gegenüber gelegen, ist in der Anlage dieser gleichzeitig aber ohne
interessantes Detail und im Innern modernisirt, auch in gesonderten Besitz gelangt.

Die Aussen mauern scheinen an Stelle eines Pallisadenzaunes vom Erzstift im Verfolg seiner Er-
neuerungsbauten errichtet. Dem Charakter der Burg entsprechend dienten sie nur zum Schutz der Vertheidiger
gegen Schüsse, nicht als wesentliches Hinderniss beim Sturm, und sind deshalb sehr niedrig und schwach. An
den mit abc des Situationsplanes bezeichneten Stellen befinden sich Erker bezw. Kondeln. Von den Erkern
ist der auf Tab. 241 abgebildete bei a allein vollständig, der bei b befindliche des Ueberbaues beraubt lässt
die Jahreszahl 1572 neben dem erzbischöflichen Wappen erkennen. Die für kleine Geschütze resp. „Büchsen"
berechneten Schiesslöcher haben das aus den Tafeln erkennbare Profil, an dem Rondel sind sie kreisrund nach
Tab. 241, Fig. 5.

Der breite vordere Graben ist jetzt zugeworfen und zu Gärten benutzt, die Brücke cassirt. Ausserhalb
der Kingmauern in einiger Entfernung von den Wegen, welche sich vnn g Fig. 6 abzweigen, liegen massive alte:

Wirthschaftsbauten jetzt Bauernhöfe und Wirthshaus. An einem derselben, welche der gleichen
Erneuerungsperiode w. o. angehören, und ähnliche Karniesprofile an den Fenstern haben, wie der lange Bau,
 
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