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Bickell, Ludwig [Hrsg.]
Die Bau- und Kunstdenkmäler im Regierungsbezirk Cassel (Band 1): Kreis Gelnhausen: Textband — Marburg, 1901

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https://doi.org/10.11588/diglit.13326#0207

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Udenhain.

18!)

Arnd Hecht hat, wenn er Udenhain als Centgericht, Spielberg und Wächtersbach als blosse untergeordnete Schöffen-
gerichte bezeichnet. Gerichsstätte war die noch neben der Kirche stellende alte Linde. Alle Dörfer des Gerichtes
waren nach Würdtwein III (p. 162 u. 170) dahin eingepfarrt, und die Kirche bildete mit Salmünster und Aufenau
ein Rektorat (ibid. III, p. 8 u. 9). Nach einer Urkunde des Büdinger Archivs (Culturwesen 1461—1545 Nr. 627)
gehörte 1461 Udenhain zu dem Stift Maria ad gradus in Main/ und die Grafen zu Ysenburg waren Patrone der
ecclesia St. Martini in Udenhain. Nach derselben Quelle gehörten 1543 die Kirchen zu Schlierbachj
Spielberg, Hellstein als Filiale hierher, während jetzt Udenhein ein Filial von Hellstein ist. Im Jahre 1546
wurde die Kirche durch des Kurfürsten und Landgrafen Kriegsvolk ihres Kassenbestandes „neben den Kleinodien,
Kelchen und anderem" beraubt (Büdingen, Arch. Culturwesen 603), und 182!) fand eine Hauptreparatur statt.

Die Martinskirche

hat eine ungemein malerische Lage auf einem das Dorf überragenden Hügel, und zeichnet sich vor den nieist
nüchternen, jungen Kirchen des Kreises durch eine fast vollständige Erhaltung der mittelalterlichen Anlage aus,
welche von Haus ans eine gewisse schlichte monumentale Durchbildung hatte. Die Tafeln 310—313 geben
dieselbe in Grundriss, Ansichten und Detail.

Der Thurm hat weder Sockel noch Dachsims. Im Westen führt eine einfach gefaste Spitzbogenthür
in das gewölbte und durch schmale Schlitze erleuchtete Untergeschoss, eine ähnliche schmälere in's Innere des
Schiffes. Etwas über der halben Höhe des Thurm es liegen auf den drei freien Seiten desselben grössere Spitz-
bogenöffnungeii und unter der westlichen derselben sitzen grosse Kragsteine, welche wohl eine Pechnase zur
Yertheidigung der Eingangsthüre getragen haben. Auch muss die nördliche den Zugang zum oben) Theil des
Thurmes gebildet haben, da die einzige vorhandene jetzige Verbindung mit der Kirche ein offenbar späterhin
gebrochenes Loch hinter der Orgel bildet. Die Sehallöffnungen sind leider im 18. Jahrhundert zu rechteckigen
Fenstern umgeändert worden. Das Dachwerk ist seiner Constructioh und Form nach noch das ursprüngliche,
und an dem Thurmkreuz ist der Anfangsbuchstabe des Ortes als Decorationsmotiv verwendet. Tab. 312,5.

Das Schiff hat ebenfalls weder Sockel noch Dachsims, und auf jeder Seite nur zwei kleine, auffällig
tief sitzende, ungetheilte aber mit Nasen besetzte Spitzbogenfenster mit holdem Gewände. Auf dem Schlussstein
des südöstlichen ist die Jahreszahl 1469 eingemeiselt. Leider hat man gerade zwischen 4 und (i ein Loch für
die Verankerung der später zu beschreihenden Emporen durchgebohrt und so die Lesung erschwert, welche
durch Betrachtung in der Nähe jedoch sicher festgestellt ist. Auf der Nordseite liegt etwas ausse r der Mitte
eine vermauerte gefaste Spitzbogenthüre mit einem kleinen steifen Crucifix darüber.

Der Chor hat einen Schmiegesockel, einen Dachsinis mit Hohlkehle, mit Platte und unter den Fenster-
sohlbänken läuft ein Kafsims mit Wasserschlag her (Tab. 312, 4).

An den geraden Chorseiten steht je ein ganz schmales Spitzbogenfenster mit flachem hohlem Gewände
und Nasen, an den Polygonseiten dagegen befinden sich zweitheilige Fenster mit verschiedenem, je aus einem
Stein bestehendem in Falz liegendem Masswerk, von denen das südliche so völlig den beiden identischen
Fenstern der Seitenchöre zu Orb gleicht, dass beide nur von demselben Meister zu annähernd gleicher Zeit
ausgeführt sein können. Das Ostfenster ist Tab. 312,6 abgebildet, sein Profil Fig. 3.

An der Südseite feldt das Kafsims zum Theil, da hier eine gewölbte Sacristei sich anschloss. deren
aussen stichbogige, innen spitzbogige vermauerte Thüre und deren Grundmauern noch erhalten, und im Grund-
plan eingetragen sind. Der Dachstuhl des Chores ist neu aus der Mitte des 19. Jahrhunderts.

Im Innern ist von der alten Einrichtung des Schiffes nichts mehr zu erkennen (Tab. 313). nach-
dem schöne einfache Emporen in zwei Geschossen Nord-, West- und Südseite umgeben, sodass hässliche recht-
eckige Fenster zu ihrer Erleuchtung auf beiden Langseiten gebrochen werden mussten. Die Erbauungszeil
dieser Emporenanlage ergiebt sich aus einer Jahreszahl über der in die Südwestecke eingebrochenen recht-
eckigen Thüre zu den Emporentreppen': 1706, ebenda ist auch eine 1892 geschehene wesentlich in einem
Anstrich (mit klebendem Lack zum Theil!) bestehende Auffrischung verewigt. Die tiefe Lage der Schifffenster
und ihre Vertbeilung lässt verinuthen, dass das Schiff mit 2 Kreuzgewölben überdeckt war.

Das Innere des Chores ist, allgesehen von dem Ausbrechen des vorspringenden Triumphbogens
(welches dank der soliden Ausführung bis jetzt ohne schädliche Folgen geblieben ist), noch Wohl erhalten.
Das Kreuzgewölbe desselben, aus dem polygonen Theil und einem ganz schmalen und daher sehr tiefbusigen
Joch bestehend, hat hohlprofilirte Rippen, die aus runden Diensten mit den (Tab. 312. 1 u. 2) dargestellten
 
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