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Bickell, Ludwig [Hrsg.]
Die Bau- und Kunstdenkmäler im Regierungsbezirk Cassel (Band 1): Kreis Gelnhausen: Textband — Marburg, 1901

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https://doi.org/10.11588/diglit.13326#0217

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Wächtersbaeh.

19!)

Daraals muss auch die Halle 0 in dein Innenhof entstanden sein, um eine bequemere Treppenanlage
zu erhalten, da auffallender Weise nur die eine Wendeltreppe in dein bis 1816 an Stelle von P stellenden
Wartthurm vorhanden gewesen zu sein scheint, und der Thurm N, in welchem jezt die Haupttreppe unter-
gebracht ist, selbstverständlich nicht eine solche, sondern in dem obersten Geschoss den bevorzugtesten
Repräsentationsraum des Schlosses enthalten haben muss. An dem andern Ende des Hufes wurde damals, oder
wenig später, noch ein Einbau hergestellt, welcher jetzt zu langen schmalen Vorratsräumen im Erdgeschoss
abgetheilt ist (0). Von allen decorativen Stücken der Ausstattung in den beiden Perioden ist nichts erhalten,
kein Thürgestell, kein Kamin, es ist sogar nicht festzustellen, welchen Grundriss die oberen Geschosse hatten,
wie dem Mangel an durchgehenden Corridoren bei gleichzeitigem Mangel an ausreichenden Treppen begegnet
wurde, was jetzt zum Tbeil durch eingezogene Fachwerkwände geschehen ist.

Im 19. Jahrhundert wurde nichts wesentlich neues geschaffen sondern nur zerstört. Zunächst hei 1816
(Simon p. 61) der an Stelle von P (etwa!) stehende Wart- und Treppenthurm, welcher auf dem Bild (Tab. 320)
den Bau überragt, dem nach Simon ein römischer Ursprung angedichtet wurde (!!). Es wurde die gesammte
Wanddecoration beseitigt, als man nach Norden hin Festsäle mit modernen Fenstern anlegte, und der Park-
seite die edle Einfachheit gab, welche auf (Tab. 323) so wohl zur Geltung kommt. Leider haben sich
angeblich Rechnungen und Pläne dieser Umbauten nicht erhalten, aus welchen doch über das Beseitigte
mancher positive Nachweis zu führen gewesen wäre, und auch über die Bauten der vorhergehenden Jahr-
hunderte sind Rechnungen etc. nicht erhalten, weil die Archivalien bei dem wiederholten Besitzwechsel zu
Grunde gegangen sind.

Die heutige Bestimmung der Bäume des Erdgeschosses entspricht wohl kaum der ursprünglichen. So
ist in der jetzigen Küche K wohl die alte Hofstube, und in H einem Raum mit schönem Netzgewölbe (Tab. 326),
die alte damit verbundene Capelle zu sehen, wahrend die Räume II n. I jetzt das fürstliche Archiv enthalten.
BDE dienen der Dienerschaft zu Wohn- und Aufenthaltsräumen, während früher B Eingangshalle war und die
andern mit dem Keller verbundenen Räume wohl die Küche und Zubehör enthielten. In L sind Tafel-
Geräthe und dgl., sowie Wohnung der Köche untergebracht. In M wurde eine kleine Luftheizung für die
darüber liegenden Räume eingebaut und R ist ein Wartezimmer.

Bei den Bauten im Schloss zu Wächtersbaeh werden sich die Grafen selbstverständlich der Büdin ger
Steinmetzen bedient haben, welche, wie wir in dem Artikel Birstein sahen, überall in den gräflichen
Schlössern bis nach Kelsterbach hin beschäftigt wurden. Für die zweite Periode dürfte deshalb Meister
Asmus in Betracht kommen, der noch die gothisirenden Formen handhabte, welche auch der Zeitdifferenz
entsprechend in Wächtersbach noch correckter sind als an dem alten Bau A zu Birstein (Tab 202), für die
dritte Periode Hans Eckel und Hans Thomas.

Von mobilen Ausstattungsstücken sind schöne alte Schränke und Truhen zu erwähnen, welche aber
weder durch lokale Beziehungen oder hervorragende Eigenschaften eine besondere Besprechung veranlassen können.

Unter dem zahlreichen Geräth von Edelmetall, welches meist der Empire- und späterer Zeit entstammt,
ist bemerkenswerth:

Das Taufgeräth, eine schöne länglich achtseitig getriebene Schüssel nebst Giesskanne, ursprünglich
profaner Bestimmung, welche schon seit mehreren Generationen dem gegenwärtigen Zweck dienen. Eine Marke
fehlt. Tafel 328 stellt sie dar und bedarf keiner weiteren Erläuterung.

Neben dem Schloss ist im Anfang vorigen Jahrhunderts der Kamm erb au errichtet worden wie die
Inschrift über dem einfachen Barockportal besagt: Ferdinandus Maximiiianus pro tempore comes regens hoc
aedificium e fundamento j in annis 1735 et 1736 erexit. Es ist ein schlichter Bruchsteinbau mit Mansardendach.

Der Wirthschaftshof nördlich vom Schloss ist wohl der alte Fronhof und besteht zum Tbeil aus
Bauten, die in ihrem Kern noch in das 16. Jahrhundert zurückgehen, alter keine bemerkenswerthen Einzelheiten
bewahrt haben.

Der jetzige Prinzenbau an der Westgrenze des Schlossgebäudes war ehemals Privathaus und enthält
in seinem Obergeschoss eine schöne eingelegte Thüre von ca. 1750 (cf. Tab. 327).
 
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