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Bickell, Ludwig [Hrsg.]
Die Bau- und Kunstdenkmäler im Regierungsbezirk Cassel (Band 1): Kreis Gelnhausen: Textband — Marburg, 1901

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https://doi.org/10.11588/diglit.13326#0220

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Wirtheim.

Kinzechewes übergab (Mon. Germ. Dipl. II, p. 145). Hein Name lautet 1184 Weirtheim, 1336 Wertheim,
1439 Wirtheym und ist von dem ahd. warid, nhd. = wird, wörth, wirth = Insel abzuleiten, bedeutet also
eine Wohnung auf einer Insel (cf. Arnold, p. 312 u. 382), welche hier durch Kinzig und Bieber gebildet wurde.

Kirchlich und weltlich blieb der Ort nebst den beiden (ibengenannten bis zur Abtretung an Mainz
im Jahr 1588 in der Hand des Stiftes zu Aschaffenburg (Gudenus cod. dipl. II, 335). In und um Wirtheim
sassen noch im 14. Jahrb. freie Leute, welche aber später Mannen der v. Rieneck bezw. deren Vorgänger
der v. Bernbach wurden (cf. G. v. Schenck z. Schweinsberg, Ztschr. d. Ii. G. V. V, p. 41 u. Urk. IV, p. 508).

Das Gericht bestand nur aus den drei erwähnten Orten, deren Einkünfte aus Abgaben und Wäldern
auch gemeinsam verwaltest wurden. Es wurde von dem Vogt zu Cassel und zwar ursprünglich auf dem
Kirchhof, später auf dem Rathaus gehegt (cf. unter Kirche) Wolf p. 71.

Der Ort war ummauert und hatte ein Oberthor und ein Unterthor. Von den Mauern haben sich
an vielen Stellen Reste von geringer Höhe erhalten, und von dem Unterthor steht noch ein Fragment dem
Anitshaus gegenüber, welches noch das unterste Stück des Fallgatterfalzes trägt. In der modernen Aufmauerung
daneben sind beiderseits 2 Wappen eingesetzt; das an dem Amtshaus zeigt ein Mainzer Rad. das andere eine
von einer Frauenfigur gehaltene Tartsche mit dem Nassauiscben Löwen. Daraus dürfte geschlossen werden
können, dass die Befestigung von Wirtheim um das Jahr 1442 entstand, als bei zweispaltiger Wahl ein Streit
um den Kurhut unter Adolf v. Nassau und Diether von Ysenbnrg ausbrach, und Adolf, der schon die nahe-
gelegene Burg Beilstein besass, auch hier nahe dem Hauptsitz der Ysenburger festen Fuss fassen wollte.

Die Pfarrkirche zum heil. Kreuz.

Schon 976 soll eine Kirche in Wirtheim bestanden haben und dem Archidiaconat Rodgau des Stiftes
St. Peter und Alexander zu Asciiaffenburg durch Otto I. einverleibt worden sein (Würdtwein Diöc. Mog. 1.
p. 830). Im Jahr 1184 nahm Papst Lucius III. diesen Besitz in Schutz: cuttern in Wirtheim cum pärrochia et
deeimis (Urk. 1, p. 88), aber erst aus dem Jahr 1386 wieder ist eine Kunde von der Existenz der Kirche
erhalten, in dem Reinhardus de Hanawe rector seu capellanua attaris sanetorum Sebastiani et Fäbiani martirum
in ecclesia parochiali Wertheim *iti, aufgeführt wird (Urk. IV, 362). Die Kirche muss also damals nicht unbedeutend
gewesen sein, wenn der Domherr und Archidiacon Ludwig v. Hanau mit seinem Bruder dies Stellen tauschen
konnte, was der Inhalt der Urkunde ist.

Der Kirchhof war zugleich Gerichtsstätte wie daraus hervorgeht, dass eine Gerichtsverhandlung
1439 21./I. uf ilcm Hröhhofe vor des heiligen erttees Capellen stattfand (Marbnrger Staatarchiv Dep. v. Gelnhausen).
Weitere Nachrichten aus dem Mittelalter fehlen, auch trägt der bestehende Hau keinerlei Inschrift. Nach den
Bauakten des Pfarrarchivs hat im Jahr 1861/62 ein umfassender Umbau stattgefunden, bei welchem nach
dem Vorschlag des kgl. bayr. Bauamtes zu Aschaffenburg die Umfassungsmauern unter Beibehaltung aller alten
Werkstücke als Masswerke, Thür- und Fenstergewände, Dach- und Giebelsims, sowie den Bogentheilen des
Triumphbogens und dgl. um vier Fuss erhöht, ein neuer Dachstuhl und neue Emporen an Stelle der alten
angelegt sind. Zur Ausstattung hatte bereits 1857 unter der Hand die Gemeinde einen reichen Barockaltar
aus Münnerstadt erworben. Leider ist aber in naher Zukunft eine abermalige Erweiterung in Aussicht genommen,
bei welcher weniger schonend verfahren werden kann.

Der Bau in seinem gegenwärtigen Bestand hat ein flachgedecktes rechteckiges Schiff mit ebenfalls unge-
wölbtem etwas schmälerem, im halben Achteck geschlossenem Chor, au welchen sich auf der Südseite ein quadra-
tischer Thurm ohne Gesimse und andere Gliederung schliefst, der mit einem achtseitigen pyramidalen ins Viereck
übergeführten hohen Holzhelm gedeckt ist. Er ist als völliger Neubau in der 2. Hälfte des 15. Jahrb. entstanden.

Das Schiff hat keinen Sockel, und eine einfache Hohlkehle mit Platte als Dachsims. Die Spitz-
bogenfenster der Längseiten sind mit Hohlkehlen zwischen schrägen Plättchen profilirt, und entbehren des
.Masswerks. Die Giebelwand hat in der unteren Hälfte zu Seiten des Hauptportals zwei kurze breite mass-
werklose. in der oberen Hälfte drei schmale nasenbesetzte Spitzbogenfenster, und in der Spitze eine Rosette
mit steifem Masswerk, welches, wie auch das Giebelkreuz, eine moderne Ztithat ist. Auf den Aussenseiten
beider Längswände führen Freitreppen zu den Emporen, deren alte Thüren mit modernem Oberlicht versehen
sind. Ausser der Westthüre führt eine schön profilirte kleine Pforte; (Tab. 339) neben dem Thurm ins Innere,
welcher eine ebensolche vermauerte auf der andern Seite entsprochen hat. Die doppelten Fernster der West-
seite und die alten Thüren mit Freitreppen beweisen, dass die; Emporenanlage eine; dem Hau gleichzeitige ist.
 
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