die der Künstler in herzlich nüchterner Weise als allegorisch hergerichtet hat. Alle
diese Szenen im Innenraum sucht der Künstler nicht etwa durch pikante oder intime
Auffassung, durch schöne Gestalten, durch raffiniertes Arrangement oder ähnliche
Mittel interessant zu machen: in alledem ist er ebenso schlicht wie naiv. Selbst der
Raum, den Pieter de Hooch durch Überschneidungen, reiche Ausstattung und Aus-
blicke in Nebenräume so sorgfältig zu gestalten weiß, ist leer und wenig gegliedert
wie ein einfaches Bürgerzimmer seiner Zeit. Wenn Vermeer ausnahmsweise, wie
bei der jungen Dienstmagd, die bei der Arbeit eingeschlafen ist, in der Sammlung
B. Altman in New York (jetzt Metropolitan-Museum), und in der „Liebesbotschaft"
des Rijksmuseums, nach Hoochs Vorbild den Blick in einen Nachbarraum fallen läßt,
so geschieht dies in bescheidener und wenig geschickter Weise. Seine ganze Kunst
beruht auf der malerischen Darstellung, auf der Wahrheit, mit welcher er das Motiv
erfaßt, auf der pikanten Beleuchtung, auf dem Reiz der Farben und der Behandlung.
Wie bei Rembrandt und den zahlreichen Meistern, welche sich diesem um die Mitte
des Jahrhunderts unmittelbar oder mittelbar anschließen, ist es das Sonnenlicht, das
seinen Bildern höchsten Reiz verleiht; aber der Künstler gibt nicht die Wirkung
einzelner Lichtbündel wieder, die voll und warm in das Dunkel hineinfallen, wie
Rembrandt, sondern die Wirkung des hellen Sonnenscheines, der den ganzen Raum
durchdringt und die Schatten auflichtet. Die Farben, die er bevorzugt, sind daher
hell; vor allem wählt er ein lichtes Zitronengelb und ein kühles Blau. Um den
Fleischton kräftig und farbig erscheinen zu lassen, liebt er es, seine jungen Frauen
mit einer großen weißen Kopfhaube oder mit einem weißen Kragen um den Hals
darzustellen und die Gestalten von der vollbeleuchteten hellen Wand abzuheben.
Durch einen bunten orientalischen Teppich oder einen farbigen Vorhang im Vorder-
grund gibt er dem Bilde Tiefe und den Farben Zusammenhalt; gern verstärkt er das
prächtige Farbenkonzert durch einen bunten Marmorfußboden, welcher ihm den Raum
verkürzen hilft, durch ein farbiges Fenster, einzelne groß und einfach gezeichnete
Möbelstücke, durch Bilder und Spiegel, Geräte und Arbeitszeug, einen Fruchtkorb und
ähnliche Dinge, die wie zufällig im Räume angebracht sind. Die Technik ist malerisch
und weich und trotz der Selbstverständlichkeit, mit der sie ausgeübt erscheint, äußerst
überlegt und sorgfältig; im stärksten Licht ist sie pastos und körnig, voll täuschender
stofflicher Wirkung. Wer sich vor einem dieser Bilder von der Art der Entstehung,
von der Arbeit des Künstlers genaue Rechenschaft zu geben sucht, wird begreifen,
daß er nicht viel malte. Den einzelnen Farbton — seinen emailartigen Schmelz,
seine Leuchtkraft und seinen einschmeichelnden Zauber — hat wohl kein Maler seit
Jan van Eyck zu so wundervoller Wirkung zu bringen gewußt wie Vermeer.
Der Künstler hat sich auch als Landschaftsmaler versucht. Freilich, wer wollte
von einem Versuch sprechen vor einem Gemälde wie die Ansicht von Delft in der
Galerie des Haag! Um so wunderbarer bei einem so einzigen Meisterwerk, daß sich
der Künstler, wie es scheint, nur ausnahmsweise mit der Landschaftskunst beschäf-
tigt. Auch in der Versteigerung von 1696 sind nur drei Landschaften (unter ihnen
die eben genannte) erwähnt, von denen nur eine verloren gegangen ist: die andere
ist die Ansicht einer Straße in Delft mit einem Blick auf die Fassade eines Giebel-
hauses in der Sammlung Six zu Amsterdam. Das Haager Gemälde erzielte damals
schon die für jene Zeit außerordentliche Summe von zweihundert Gulden. Man
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diese Szenen im Innenraum sucht der Künstler nicht etwa durch pikante oder intime
Auffassung, durch schöne Gestalten, durch raffiniertes Arrangement oder ähnliche
Mittel interessant zu machen: in alledem ist er ebenso schlicht wie naiv. Selbst der
Raum, den Pieter de Hooch durch Überschneidungen, reiche Ausstattung und Aus-
blicke in Nebenräume so sorgfältig zu gestalten weiß, ist leer und wenig gegliedert
wie ein einfaches Bürgerzimmer seiner Zeit. Wenn Vermeer ausnahmsweise, wie
bei der jungen Dienstmagd, die bei der Arbeit eingeschlafen ist, in der Sammlung
B. Altman in New York (jetzt Metropolitan-Museum), und in der „Liebesbotschaft"
des Rijksmuseums, nach Hoochs Vorbild den Blick in einen Nachbarraum fallen läßt,
so geschieht dies in bescheidener und wenig geschickter Weise. Seine ganze Kunst
beruht auf der malerischen Darstellung, auf der Wahrheit, mit welcher er das Motiv
erfaßt, auf der pikanten Beleuchtung, auf dem Reiz der Farben und der Behandlung.
Wie bei Rembrandt und den zahlreichen Meistern, welche sich diesem um die Mitte
des Jahrhunderts unmittelbar oder mittelbar anschließen, ist es das Sonnenlicht, das
seinen Bildern höchsten Reiz verleiht; aber der Künstler gibt nicht die Wirkung
einzelner Lichtbündel wieder, die voll und warm in das Dunkel hineinfallen, wie
Rembrandt, sondern die Wirkung des hellen Sonnenscheines, der den ganzen Raum
durchdringt und die Schatten auflichtet. Die Farben, die er bevorzugt, sind daher
hell; vor allem wählt er ein lichtes Zitronengelb und ein kühles Blau. Um den
Fleischton kräftig und farbig erscheinen zu lassen, liebt er es, seine jungen Frauen
mit einer großen weißen Kopfhaube oder mit einem weißen Kragen um den Hals
darzustellen und die Gestalten von der vollbeleuchteten hellen Wand abzuheben.
Durch einen bunten orientalischen Teppich oder einen farbigen Vorhang im Vorder-
grund gibt er dem Bilde Tiefe und den Farben Zusammenhalt; gern verstärkt er das
prächtige Farbenkonzert durch einen bunten Marmorfußboden, welcher ihm den Raum
verkürzen hilft, durch ein farbiges Fenster, einzelne groß und einfach gezeichnete
Möbelstücke, durch Bilder und Spiegel, Geräte und Arbeitszeug, einen Fruchtkorb und
ähnliche Dinge, die wie zufällig im Räume angebracht sind. Die Technik ist malerisch
und weich und trotz der Selbstverständlichkeit, mit der sie ausgeübt erscheint, äußerst
überlegt und sorgfältig; im stärksten Licht ist sie pastos und körnig, voll täuschender
stofflicher Wirkung. Wer sich vor einem dieser Bilder von der Art der Entstehung,
von der Arbeit des Künstlers genaue Rechenschaft zu geben sucht, wird begreifen,
daß er nicht viel malte. Den einzelnen Farbton — seinen emailartigen Schmelz,
seine Leuchtkraft und seinen einschmeichelnden Zauber — hat wohl kein Maler seit
Jan van Eyck zu so wundervoller Wirkung zu bringen gewußt wie Vermeer.
Der Künstler hat sich auch als Landschaftsmaler versucht. Freilich, wer wollte
von einem Versuch sprechen vor einem Gemälde wie die Ansicht von Delft in der
Galerie des Haag! Um so wunderbarer bei einem so einzigen Meisterwerk, daß sich
der Künstler, wie es scheint, nur ausnahmsweise mit der Landschaftskunst beschäf-
tigt. Auch in der Versteigerung von 1696 sind nur drei Landschaften (unter ihnen
die eben genannte) erwähnt, von denen nur eine verloren gegangen ist: die andere
ist die Ansicht einer Straße in Delft mit einem Blick auf die Fassade eines Giebel-
hauses in der Sammlung Six zu Amsterdam. Das Haager Gemälde erzielte damals
schon die für jene Zeit außerordentliche Summe von zweihundert Gulden. Man
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