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In einer Landschaft, die zur Wohnung für viele Glückliche geeignet
scheint, stellt der Winter eine Wüste dar. Meistens fehlen auf seinen
Bildern alle Figuren. Bisweilen finden wir ein paar nachdenkliche Jüng-
linge im Vordergrund, die nur dazu dienen, um das lächerlich Kleine
dem wunderbar Großen gegenüberzustellen. Sie stehen am Meeres-
strande auf Steinen, die ringsum von den Wellen umschäumt werden
[Kat. 383]. Auf einem andern Seestück verschmilzt der Nebel Himmel
und Wasser zu einer Masse und es verlieren sich in ihm und verschwin-
den große Schiffe. Friedrich malte ein Altarblatt, er der Landschafter,
und zwar eine Landschaft. Auf einer Felsenhöhe ragt ein Kreuz em-
por, aus rohen Stämmen zusammengefügt, und hinter ihm geht die
Sonne auf [Kat. 167 ?].
Zu bedauern ist es, daß der Maler über einem träumerischen Brüten es
vergaß, die Natur in ihrer wirklichen Bildung in sein Bildungsvermö-
gen aufzunehmen. Er war berufen, Landschaften zu malen von einer
Wirkung, wie sie uns in den Werken Ruysdaels erscheinen, eines Mei-
sters, den Friedrich in seinen erhabensten Erzeugnissen auf der Galerie
in Dresden kennen lernen konnte. Er versäumte das und so kam es, daß
sich später für seine Landschaften keine Abnehmer fanden. Er bekam
eine Anstellung in Dresden, aber weil er keine Bilder verkaufte, so
darbte er im vorgerückten Alter. Er starb in dem Hause, in dem der
Norweger Dahl ohne mystische Beziehungen, auf ein treues Naturstu-
dium sich verlassend, eine Masse Landschaften malte, die gesucht und
geschätzt wurden. Friedrich erreichte ein Alter von 65 Jahren als er
vom Schlage gerührt mühselig 1840 vom Leben schied. Eine fürstliche
Unterstützung (von Rußland), die ihn, der einst über seine Kräfte
wohltätig gewesen, der drückendsten Sorgen entheben sollte, genoß er
nicht mehr.
S. 103 Carus in Dresden, der Landschaften malt und über Landschafts-
malerei schrieb, sagt: »daß Friedrich es war, welcher mit einem durch-
aus tiefsinnigen und energischen Geiste und auf absolut originale Weise
in den Wust des Alltäglichen, Prosaischen, Abgestandenen hineingriff
und, indem er ihn mit einer herben Melancholie niederschlug, aus des-
sen Mitte eine eigenthümlich neue, leuchten poetische Richtung her-
vorhob.« Er teilt uns mit, der Bildhauer David habe geäußert, als er
Friedrichs Arbeiten und ihn selbst kennen gelernt: Ȋ decouvert la tra-
gedie du paysage.« Noch seine spätesten Bilder »beweisen, mit wie sel-
tener und eisenfester Eigenthümlichkeit er bis in seine letzten Lebens-
jahre dieselbe tief melancholische und immer geistig lebendige Roman-
tik der Poesie in seinen Werken walten ließ.« Das letzte Bild, das er nicht
über eine sorgfältige Untermalung hinaus zu vollenden vermochte, be-
schreibt er in einem Briefe in folgender Weise: Jetzt arbeite ich wieder
an einem großen Gemälde, das größte, so ich je gemacht, 3 Ellen 12
Zoll hoch und 2 Ellen 12 Zoll breit. Es stellt ebenfalls, wie das in mei-
nem letzten Briefe erwähnte Bild, das Innere einer zerfallenen Kirche
dar. Und zwar habe ich den schönen noch bestehenden und gut erhal-
tenen Dom zu Meißen zu Grunde gelegt. Aus dem hohen Schutt, der
den innern Raum anfüllt, ragen die mächtigen Pfeiler mit schlanken,
zierlichen Säulen hervor und tragen zum Teil noch die hochgespannte
Wölbung. Die Zeit der Herrlichkeit des Tempels und seiner Diener ist
dahin, und aus dem zertrümmerten Ganzen eine andere Zeit und an-

und gar nicht das innere Drängen und Treiben der Seele erkennt, und
nicht den Menschen, wie ihn der liebe Gott geschaffen und geprägt und
gestempelt hat, wollet, sondern wie die Zeit und die Mode es will.« Des
Malers Landschaft mit dem Kruzifix auf dem Tannenhügel und der
aufgehenden Sonne, über die sich ein literarischer Streit entspann, fand
Nachahmer. Beim Anblick einer solchen Kopisten-Arbeit fragt er:
»Was soll hier das Kreuz? Würde nicht an dessen Statt viel besser ein
wiederkäuender Ochse sich dahin gepaßt haben? Äfft doch nicht gleich
alles nach, wenn ihr euch nicht berufen dazu fühlt!«
C. F. von Rumohr [sic!] griff 1809 Friedrichs Werke an. G. v. Kügelgen
legte da, ungeachtet der ihm »angeborenen Buchstabenscheu«, eine
Lanze für den Verfolgten ein. Aus Dankbarkeit stellte dieser in einer
Kirchhofszene das Grab des ermordeten Freundes dar, indem sein Denk-
stein den Mittelpunkt der Landschaft bildet.
Auf den Kunstausstellungen in Königsberg im Jahre 1832 und 1837
befanden sich Bilder von Friedrich. Der Verfasser dieser Vorlesungen
schrieb damals nach frisch empfangenen Eindrücken seine Ansicht über
das Gesehene nieder und hält es für erlaubt, so hier wie in der Folge
einige seiner Aufzeichnungen auszugsweise mitzutheilen. Die Hingabe
an das Kunstwerk und die unmittelbare Auffassung mögen hier, wo
so oft nach den Berichten von Gewährsmännern geurtheilt werden
mußte, die eigne Anschauung bekunden. [Es folgt der Abdruck der
Äußerungen Hagens von 1832 und 1837]
Verzeichnis von Oelgemälden ausgezeichneter neuer und alter Mei-
ster ... aus der Verlassenschaft der Herrn Max Freiherr v. Speck-
Sternburg ... 22. 6. 1857. Rudolph Weigel, LEIPZIG. Leipzig 1857.
Nr. 12 Prof. G. Friedrich in Dresden. Auf Leinwand, 42 Zoll breit, 34
Zoll hoch, in Goldrahmen
Seegestade mit Schiffen, Fischerbooten und Apparaturen. Ein Unter-
gang des zunehmenden Mondes in der Abendbeleuchtung [Kat. 358].
1858
Katalog zur Deutschen allgemeinen und historischen Kunstausstellung
in MÜNCHEN. München den 5. September 1858
Nr. 392 Morgenlandschaft. E: Hr. v. Quandt [Kat. 416]
Nr. 398 Winterlandschaft. E: S.Dahl [Kat. 162]
Nr. 399 Ein Schiff vom Eise zertrümmert. E: Hr. v. Quandt [Kat. 295]
ANONYM, Die deutsche allgemeine u. historische Kunst-Ausstellung
in München. Beilage zu den Berlinischen Nachrichten von Staats- und
gelehrten Sachen, Nr. 205, 3. 9. 1858
Der Tiroler Joseph Koch und der Pommer Caspar Daniel Friedrich
können uns als Ausgangspunkte für die zwei verschiedenen Bahnen
dienen. Der erstere ist die umfassendere, der letztere in genügender
Weise auf der Ausstellung vertreten. Im Gegensatz zu der hergebrach-
ten Ansehimgsweise, daß das norddeutsche Naturell sich zum süddeut-
schen wie Reflexion zum Gemüth verhalte, wäre es ganz interessant,

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die beiden genannten Landschaftsmaler im Zusammenhänge mit ihrer
heimischen Natur und Kultur einander gegenüber zu stellen. Freilich
kann man namentlich das Letztere, und die persönliche Bildungsschule,
die ein jeder von ihnen den Umständen zufolge durchzumachen hatte
dabei nicht hoch genug in Anschlag zu bringen.
Nr. 207 Sonntag d. 5. Sept. 1858
C. D. Friedrich, der auf dieser Seite der Chorführer ist, hat seine Ver-
tretung auf der Ausstellung durch drei Landschaften gefunden als
deren Eigenthümer die Herren S. Dahl und v. Quandt in Dresden ge-
nannt werden. Friedrich ist der Romantiker xar’ 8^OXY]V unter den
Landschaftsmalern. Er war mit Tieck befreundet und ward von diesem
zu den »Boten des Frühlingslebens« gezählt, »das sich an Poesie und
Kunst, wie in der Philosophie und Geschichte zu Anfang des Jahrhun-
derts bei uns meldete«. Es liegt eine unendliche Kindlichkeit, zugleich
aber auch etwas von jenem untrüglichen Ernst des Kinderauges in
seinen Bildern. Damals betonte man in denselben namentlich die
»feierliche Wehmut und eine geradezu religiöse Schwärmerei«. Viel-
leicht ist jedoch das Betonen des religiösen Elements den Bildern mehr
von der Nennung ihrer Entstehungszeit angedichtet als aus ihnen her-
ausgeschaut. Die drei vorliegenden Beispiele wenigstens sind für unser
Gefühl die einfachsten Naturklänge, so rein und unabsichtlich, wie die

deres Verlangen nach Klarheit und Wahrheit hervorgegangen. Hohe,
schlanke, immergrüne Fichten sind dem Schutte entwachsen und auf
morschen Heiligenbildern, zerstörten Altären und zerbrochenen Weih-
kesseln steht mit der Bibel in der linken Hand und die rechte aufs Herz
gelegt, an die Überreste eines bischöflichen Denkmals gelehnt, ein evan-
gelischer Geistlicher, die Augen zum blauen Himmel gerichtet, sinnend
die lichten, leichten Wölkchen betrachtend [Kat. 425].
Friedrich wurde bewundert und nachgeahmt, als er in Dresden vom
gewöhnlichen Koloristen gewöhnlicher Kupfer mit Landschaften sich
zum Künstler erhob und er wurde bemitleidet, als sein Ruhm immer
tiefer und tiefer sank.
Die Theilnahme vorher und nachher war ihm lästig. Er war der Mei-
nung, daß ein Modegeschmack ihm die Gemüter entfremde. Ein sol-
cher konnte sie ihm auch zugeführt haben. Sich selber hat Friedrich of-
fenbar im Auge, wenn er von einem Maler spricht, der heiter im Um-
gang gern Düsteres malt, und also in der Erzählung fortfährt:
»Seine Freunde sind bemüht, ihn von dieser Neigung abzulenken und
beauftragen ihn deshalb, heitere Gegenstände zu malen. Seiner Natur
nach kann er wohl nie mit Wohlgefallen und Lust solche Aufträge aus-
führen, während er mit heiterem Sinne trübe Lüfte und ernste düstere
Landschaften darstellen würde. — O, ihr Gutmütigen! die ihr so ganz
 
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