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denden Abendlichte beleuchtet, aus dessen Schnee die entlaubten Bäume
und ein Kirchhof mit einer Kapelle hervorragt, nach welcher ein Greis
an seinem Stabe dahinschleicht [Kat 165 ?] und unzählige Skizzen so
wie viele, meist in Sepia ausgeführten Bilder trugen alle den Charakter
tiefsten Ernstes. Damals soeben war er mit einem seltsamen Bilde be-
schäftigt. Es stellte keine Landschaft dar, denn von dem Lande sah
man nichts als einige über den Hochnebel hervortretende Berggipfel,
sondern es war ein Bild, dergleichen nur der Luftschiffer sehen kann,
wenn er auf seinem Fahrzeuge sich über die Tiefe der Wolken, welche
das Land unter ihm bedecken bis dahin erhebt, wo schon hin und wie-
der durch den zerrissenen Nebelschleier das ungetrübte Blau des Him-
mels gesehen wird und ein Strahl der Sonne hereinbricht. Kein Luft-
schiffer aber, sondern ein Seeadler war es, den der Künstler als leben-
den Zeugen des Kampfspieles darstellte, das dort in der Höhe der Sturm
mit dem zerreißenden und flüchtigen Gewölk hielt. Denn in der Rich-
tung von diesem, wie am Gefieder des Adlers, der soeben aus dem flie-
henden Nebel sich heraus arbeitete in das lichtere Blau, konnte man
wie an einem wogenden Meere, die Gewalt ermessen, welche da oben
der Wind hatte. Es war ein Bild, dem der Künstler, wie ich nachher
sagen werde, seine Deutung gab. Für ihn ein Bild der damaligen Ge-
schichte des Vaterlandes [Kat. 157] [Anmerkung:] Ein ähnliches Bild
von ihm das keine Landschaft, sondern vielmehr eine Luftschaft mit
einer bei Mondschein zwischen den Wolken schwebenden Eule dar-
stellte, ist oder war im Besitze eines vermögenden Kunstfreundes [Kat.
2671-
Wer aber in dem Maler Friedrich nur diese eine Seite seines Wesens:
den tiefen schwermütigen Ernst sah, der kannte ihn nur halb. Ich habe
wenige Menschen kennen gelernt, welche im geselligen Umgang mit
anderen, wenn diese ihm nämlich zusagten, eine so heitere Gemüthlich-
keit, eine solche Gabe zum Scherz hatten, als er. Mit der ernstesten
Miene sprach und erzählte er Dinge, welche bei allen anderen ein un-
verlöschliches Lachen erregten. Überall wohin er kam, brachte er, wenn
ihm der Kreis gefiel, Heiterkeit mit sich und fröhliches Bezeigen.
Wenn er im tiefen Ernst versunken hei seiner Arbeit saß, und es kamen
Kinder aus der Nachbarschaft zu ihm, da plauderte und scherzte er mit
diesen selber wie ein Kind. Ein kleines Mägdelein der Nachbarin bat
ihn öfters um ein Geschenk von Bildern. Er, der keinem Kinde eine
Bitte abschlagen konnte, vermochte dies hier am wenigsten, ihn freute
der Sinn und die Neigung des Kindes zur Kunst, er gab ihm, denn an-
deres hatte er nicht, kleine Skizzen von seiner Hand. Als aber das Mäg-
delein gar so oft mit derselben Bitte kam, fragte er es einmal: was tust
Du mit den vielen Bildern ? — Ich wickle meine Sachen hinein, antwor-
tete die Kleine.
Doch ich wollte hier nur von dem ersten Eindruck erzählen, den dieser
seltene Mann auf mich machte. Es war gegen Ende des Oktobers; Na-
poleon mit all seinen Gewaltthätigkeiten; die Schmach des Vaterlandes,
kamen bald an’s Gespräch. Mit seinem gewöhnlichen Ingrimme gegen
die Franzosen sprach Friedrich zugleich seinen Schmerz über die Er-
niedrigung Deutschlands aus. Als aber wir anderen trübe Bedenken
und bängliche Befürchtungen für die fernere Zukunft äußerten, da
deutete er auf den Adler in seinem Bilde hin. »Er wird sich schon her-
ausarbeiten der deutsche Geist aus dem Sturme und den Wolken,«
sagte er, »und dort sind die Berggipfel, die feststehen und Sonne ha-
ben. Wäre der Sturm nicht gekommen, der Adler wäre vielleicht unten
im Nebel sitzen geblieben, wo keine Beute zu sehen und zu fangen war,
hätte gehungert und gelungert. Der Deutsche muß nur erst warm wer-
den, ehe er den Arm erhebt, wenn er ihn aber einmal erhebt, da flutscht
es, wie wir Pommern sagen. Es fällt mir dabei ein Geschichtchen von
diesem Warmwerden ein, das ich euch wohl erzählen will.«
Ich kam seitdem oft zu Friedrich in sein abgelegenes Haus in der Vor-
stadt, hörte gern seine Ergießungen seines deutschgesinnten Herzens
über die damalige Lage der Dinge an, und ging nie von ihm hinweg,
ohne über vieles belehrt, beruhigt und getröstet zu sein.
HÜBNER, Julius, Verzeichniss der Königlichen Gemälde-Gallerie zu
Dresden. Dresden 1856
1899. Zwei Männer in Betrachtung der aufgegangenen Mondsichel. Auf
L. 3'1" h. 1' 63/4" br. Im Jahr 1819 gemalt; im Septbr. 1840 aus des
Künstlers Nachlaß gekauft; 150 Thlr. [Kat. 261]
1900 Ruhe bei der Heuernte. Auf L. 2'7" h.3' 71/2„ br. Sein letztes
Bild 1835 gemalt, ebenfalls 1840 gekauft; 80 Thlr. [Kat.426]

SC HASLER, Max, Berlins Kunstschätze. 2. Abteilung - Die öffent-
lichen und Privat-Kunstsammlungen, Kunstinstitute und Ateliers der
Künstler und Kunstindustriellen von Berlin. Berlin 1856, S. 369
Herr Prof. Gropius (im Diorama) 9. Friedrich (in Dresden) Letzter
Gang zu Kapelle, [Kat. 254].
S. 279 Bildergalerie im Schloß Bellevue. 1. Vorzimmer
1 Friedrich (aus Dresden) Felsige Gegend. Morgennebel [Kat. 190].
2 Ders. Winterabend mit einer verfallenen Kapelle [Kat. 169].
5 Friedrich Meeresstrand [Kat. 168]
S.295 Consul Wagen er
39 Casp. Dav. Friedrich, Dorflandschaft bei Morgenheleuchtung. 1823
[Kat. 298]
40 ders. Mondschein auf ruhigem Meere mit Schiffern und Figuren-
staffage. 1823. [Kat. 299]
Catalog der von den verstorbenen Herren Alb. Chr. Reindel und Joh.
Gottlieb Ahr. Frenzei hinterlassen und anderen schönen Sammlungen
Rudolph Weigel, LEIPZIG 1.4.1856
Nachlaß J. G. A. Frenzei, Nr. 2687 C. D. Friedrich, Landschaft, rechts
mit einem großen Baum und Felsen, und drei Figuren. Schwarze Kreide,
oben links: C. D. Friedrich f. qu f.

1857
HAGEN, A., Die deutsche Kunst in unserem Jahrhundert. I, Berlin
1857, S. 81-84.
Wenn Goethe in des früh dahin geschiedenen Malers Erfindungen
[Runge] bei den Figuren eine Verwandtschaft mit Correggio zugesteht,
so findet sie Tieck vorzüglich in der Symbolik der hieroglyphischen
Arabesken und er nimmt sie nicht weniger bei Runge wahr, als in den
nebeltrüben Landschaften Friedrich’s. Wenige dürften jetzt die Lob-
rede unterschreiben, die er diesem Künstler hält. Wiederholt rühmt
und schildert er die empfindungsvollen Landschafts-Elegien. Zuletzt in
der Novelle »Die Sommerreise«. Caspar David Friedrich war in Greifs-
wald geboren. Auch hier schrieb sich die wehmutsvolle Stimmung schon
von seiner Knabenzeit her. Beim Schlittschuhlaufen brach er ein, wurde
von seinem Bruder ergriffen, er sah sich gerettet, aber seinen Bruder ret-
tungslos untergehen. Friedrich theilt das mit Runge, daß auch er dem
protestantischen Glauben treu bleibend, nie in Italien war, daß auch er
auf der Kopenhagener Akademie den ersten Unterricht empfing, daß
auch er von dem Anblick der Gegenden Rügens tief bewegt wurde, daß
auch er die Gegenstände der Natur malte, um seine geheimsten Gedan-
ken von Welt und Schicksal, Leben und Unsterblichkeit auszusprechen.
Er trat zuerst durch seine Arbeiten der Veduten-Malerei Hackerts ent-
gegen und führte das in das Landschaftsgebilde ein, was man unter
Stimmung versteht. Einem Grundaccord der Empfindung ordnet sich
alles unter und verschmilzt, wie verschieden es auch sei, zu einem Gan-
zen.
Der Maler, dies war sein Ausspruch, soll nicht bloß malen, was er vor
sich sieht, sondern auch, was er in sich sieht. Sieht er aber nichts in sich,
so unterlasse er auch zu malen, was er vor sich sieht. Schließe, sagt er,
dein leibliches Auge, damit du mit dem geistigen Auge zuerst sehest
dein Bild. Dann fördere zu Tage, was du im Dunkeln gesehen, daß es
zurückwirke von außen nach innen.
Es war eine Zeit, in der seine Landschaften auf den Ausstellungen gro-
ßen Anklang fanden und die Empfindung selbst ruhig denkender Be-
schauer dermaßen gefangen nahmen, daß man Natur da zu sehen glaub-
te, wo man im Vergleich zu Darstellungen in unseren Tagen sie gera-
dezu in Abrede stellen wird. Der verstorbene König, der nichts weniger
als Schwärmer und Mystiker war, sprach sich gegen Schadow über das
Bild »der Felsen mit dem Kreuze« in folgender Weise aus und zwar
noch im Jahre 1814 [es folgt Zitat aus Schadow 1849, Kat. 190] Für
seine ausgezeichnetsten Werke gelten zwei Bilder im Königlichen Schloß
in Berlin: die Abtei im Eichwald an einem Winterabende [Kat. 169] und
Wanderer am Gestade des Meeres [Kat. 168].
Die Natur ist dem Maler die Dolmetscherin der Gefühle und ihm ge-
fällt es besonders, das Verloren- und Verlassensein, das Verschwinden
in der Unendlichkeit darzustellen. Beifall fanden seine Kirchhofs- und
Winterlandschaften. Ringsum ist es düster und das Licht, das durch
einen Wolkenspalt fällt, erleuchtet allein das Grüne auf einem Grabe.

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