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Böttiger, Carl August; Sillig, Julius [Hrsg.]
C. A. Böttiger's kleine Schriften archäologischen und antiquarischen Inhalts (Band 1) — Dresden, Leipzig, 1837

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https://doi.org/10.11588/diglit.5484#0217

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auch bei den alten Arcadiern im Geringsten nicht Wunder neh-
men. Gerade diese Disposition zur Melancholie und jene sonder-
baren Yerirnmgeii einer verschrobenen Einbildungskraft machten in
der Folge unter den cultivirten Arcadiern die Erlernung der Mu-
sik zu einem unentbehrlichen Bedürfnifs und wichtigen Bestand-
teile des Jugendunterrichts. Man weifs, wie viel sich das Alfer-
thnm bei der Knr tiefsinniger und verrückter Menschen von den
Wunderkräflen der Musik zu versprechen pflegte*), und man wird'
niiu die Stelle des Pol y bi us, wo er die musikalische Liebhaberei
seiner Landslcnte, der Areadier, ausdrücklich als ein Bedürfnifs

et locis T. I. p. 333. s. edit. Mackii. Es ist bekannt, dafs,
nachdem man diese weibische Krankheit bei vornehmen Scythen
bald mit Bon hier für Päderastie, bald für Hämorrhoiden oder
sonst etwas ausgegeben hatte, Heyne in einer eigenen Abhand-
lung- de maribus inter Scythas morbo effeminatis in den Com-
ment. Gotting. vom Jahre 1778, Class. Philolog. T. I. p. 28.
dieses Uebel durch Vergleichung der Hermaphroditen in Florida
und anderer ähnlicher Yerriickungen aus neuen Reisebeschreibern
zuerst richtig'erklärt hat. ■ Vergl. Sprengel's Apologie des
Hippokrates TB. II. S. 611, ff. Die von Heyne und Spren-
gel gesammelten Beispiele könnten aus Keisebeschreibungen noch
sehr vermehrt werden. So fand Gmelin zu Tomsk in Sibirien
einen bartlosen alten Kerl, der vollkommen aussali wie ein altes
Weib und sich auch so betrug. Gmelin's Reisen, TM. I. S.
320. So erzählt Schaff er in Witwer's Archiv für die
Geschichte der Arzneikunde, St. 1. S. 217. und nun auch
in seinen Reisen Th. I. S. 136. von einem Wahnsinnigen im
Bicetre zu Paris, der sich seit 20 Jahren einbildete, ein Weib zu
sein, in weiblichen Kleidern ging und nur dem schön that, der
ihn mit Madame anredete. Ein wahres Gegenstück zu den Scy-
then, die Longiji yvvatxi^ovTx; nennt.

*) Browne' s medicina m'usica und der scharfsinnige Aufsatz eines
Engländers in Mäfpurg's histor. krit. Beitr. B. II. S. 16. ff,
sind bekannt. Man sehe die ziemlich vollständige Literatur über
die Musik als Heilmittel, die Musikdirector Forkel aus dem
Realkatalog der Göttingischen Bibliothek gegeben hat, in seiner
Allg, Geschichte der Musik Th. I, S. 114. Noch immer
verdient dieser auch für die Aufklärung so mancher Dunkelheiten
des Alterthums, z. B. des ägyptischen Sistrums, der Orgien n. s.
■w., wichtige Punkt eine neue Behandlung eines philosophischen
Arztes. Beispiele, wie Herder (Geist der Ebr. Poesie,
R- II. S. 266.} erzählt, setzen die Sache selbst aufser Zweifel.
Aber es ist viel historische Kritik dabei nöthig, in welcher Rück-
sicht mich nach Allem, was ich darüber gelesen habe, ein Auf-

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