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Böttiger, Carl August; Sillig, Julius [Hrsg.]
C. A. Böttiger's kleine Schriften archäologischen und antiquarischen Inhalts (Band 1) — Dresden, Leipzig, 1837

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https://doi.org/10.11588/diglit.5484#0383

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313

Dritte Abhandlung.

Mit gewissen tief eingewurzelten Yorurtlieilen geht es, wie
mit manchen Wucher- und Schmarozerpfianzen. Man schneidet,
man rauft, nian brennt. Sie treiben und sprossen doch immer
wieder aufs Neue hervor. Man mufs sich also auch die Mühe
nicht verdriefsen lassen, sie immer aufs Nene zu beschneiden und
von der Wurzel auszujäten. Die Sache bat sehr ernste Ansichten.
Hier mag iudefs nur von einer unbedeutenden Kleinigkeit die Rede
sein. Dem Freunde des Altcrthumes , der darin Siegel und Vor-
bild späterer Zeilen ehrt, ist indefs nichts unbedeutend, was zu
einer irrigen Ansicht desselben verleiten könnte; und mit einer
falschen Vorstellung von den Gebräuchen in der alten Welt habe
ich's hier zu thun. Werd' ich langweilen?

Ich habe es gewagt, bei verschiedenen Veranlassungen gerade-
zu zu behaupten, dafs .wenigstens die Frauen in Athen, so lange
dieser Staat noch Selbstständigkeit hatte, der Aufführung der
Trauer- und Lustspiele auf den dortigen Theatern während der
Baechusfeste nicht beiwohnten *). Mehrere vertraute Kenner des
Alterthums haben seitdem meiuer Behauptung beigepflichtet **).
Allein die Meisten sind ungläubig geblieben. Es scheint doch gar
zu hart, die Frauen und Töchter des Volkes, aus welchem die herr-
lichste Blüthe der Kultur und Musenkunst hervorging, von dem
Genüsse dessen, was die griechische Dichtkunst Köstlichstes erzeng-
te, von den Trauerspielen eines Aescliylus, Sophokles und Euri-
pides, ausznschliefsen. Noch vor Kurzem bat Professor Böckh in
Heidelberg in einer Schrift voll Gelehrsamkeit und Scharfsinn ***),
der ich ungemein viel Belehrung verdanke, meine Behauptung für
völlig unstatthaft erklärt und sich auf drei Zeugnisse seines Plato
berufen, in welchen mit dürren Worten zu lesen steht dafs die
Tragödieen auch vor Weibern und Kindern gespielt worden sind.
Hätte der treffliche Mann, dem es eigentlich nur um eine
Ehrenrettung jener alten Sage zu thun ist, nach welcher bei der
ersten Aufführung der Aeschyleischen Eumeniden sogar schwangere
Frauen vor Schrecken sogleich mit unreifen Geburten niederge-
kommen sein sollen, sich die Mühe gehen können, die Abhandlung
im neuen tentschen Merkur vom Jahre 1796 selbst nachzulesen, wo
ich mehr aus dein Zustande und Verhältnisse der Athenischen Bür-

*) Zuerst in folgendem Aufsatze: „Waren die Frauen in Athen Zuschaue-
rinnen bei den dramatischen Vorstellungen?" imn.t. Merkur 1796. St.
I. S. 28 ff. Dann in der Abhandlung: „Die Furienmaske im Trauerspie-
le und auf den Bildwerken der Griechen." (Weimar 18010 S. 3. f.
) Z.B. Jakobs in den Anmerk. zu den Atheniensischen Briefen, I, 539.
***) Graecae tragoediae prineipum — num ea, quae supersint, et ge-
nuina omiüa sint et forma primitiva serata. (Ileklelb. 1808.) p. 37., 38.
 
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