Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Böttiger, Carl August; Sillig, Julius [Hrsg.]
C. A. Böttiger's kleine Schriften archäologischen und antiquarischen Inhalts (Band 1) — Dresden, Leipzig, 1837

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.5484#0250

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
180

bekränzt, im lang herabniefsemleii Matroncngewnnde, züchtig nieder-
gesenkleu Blickes, mit feierlich langsamen Schrillen., als Kanc-
phorcn des heiligen Drachen ans dem Tempel hervor und nä-
herten sich, unlcr Anführung der Priesterin, vor den Augen der
' gläubigen Menge, die mit. banger Erwartung der Entscheidung die-
ser bedenklichen Probe entgegensah, während sich die jungen Her-
ren und Damen aus der Residenz, die in ihren gallischen Cabrio-
lets gerade noch zu »echter Zeit angekommen waren, um sich ihre
witzigen Bemerkungen über dieses fromme Gaukelspiel in's Ohr zu
flüstern] eine Menge antivesfaliseher Einfälle mitlheilteu, Am Eingange
der Grolle windenden schönen Speiseträgeiinnen die Augen .verbun-
den. Wehe der Armen unter ihnen, die zu früh von der verbote-
nen Frucht gekostet und ihren Jungierngürlel im Verborgenen ge-
liis't hatte. Fürchterlich tönte ihr das Zischen des Drachen. Strafe
der zürnenden Gottheit und die schmählichste ...Beschimpfung- wartete
,,auf sie. Kaum beträten sie den Eingang der Grotte, so fühlten sie
sieb, wie durch eine unsichtbare Kraft, fortgezogen und kamen, ohne
zu wissen, wie, an's Lager des furchtbaren Drachen. Zitternd hielt eine
Jede die in Honig getränkten Opferkuchen vor sich hin. Waren
es nun reine und unbedeckte Jungfrauen, so verzehrte der besänf-
ligle Drache die Kuchen sogleich aus ihrer Hand; wo nicht, so
wulsle der nie zu lauschende! Jungferninslinkt des heiligen Thicres
die Verhrechcrin sogleich herauszufinden. Er verschmähte nicht
nur die ihm von unreinen Händen dargebotene Speise, sondern er
liefs auch der Frevlerin seinen ganzen Zorn fühlen. Er umwickelte
nud bifs sie. Beschimpfung" und Ehrlosigkeit war ihre Strafe. Heilige
Ameisen trugen den zerbröckelten Kuchen aus der entweihten Grot-
le. Das Fest war unterbrochen. Alles trauerte. Indefs liefsen
es die Mädchen, die sich nicht ganz rein wufslen,. wohl selten auf
diese gefährliche Probe ankommen. Gewöhnlich war der Drache
sehr gnädig und zufrieden. Die r.eincrfuiidcucn Jungfrauen kamen
glorreich aus der Höhle zurück und sprangen unter dem lauten
Jubel der Anwesenden ihren ängstlich harrenden Aellern an den
Hals. Der gute Appetit des Drachen war. zugleich die fröhlichste
Vorbedeutung. Der hocherfreute Landniaun gelröstete sich nun der
Hoffnungen eines fruchtbare» Jahres. Die Luft erschallte von Freu-
dengeschrei und Glückwünschen. Die gepriesenen Heldinnen des
Festes, die Jungfrauen selbst, wurden vielleicht mit eben so vieler
Feierlichkeit in ihr mütterliches Haus zurückbegleitet und empfin-
gen vielleicht eben so schnell den Lohn ihrer erprobten Keuschheit
durch eine haldige Hochzeit als eilist die belobten und prjesterlicb
eingesegneten Roseninädchen in Salency und Wörlitz. Dann
hätte wirklich der Zweck das Mittel geheiligt nud wäre aus einem
sumpfigen, ungesunden Boden eine zarte. Blume emporgesprofst.

Das Gaukelspiel-selbst bedarf wohl übrigens keiner mühsamen
Enthülluu»-. Das Fressen oder Niclitfrcssen der heiligen Schlange
 
Annotationen