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Böttiger, Carl August; Sillig, Julius [Editor]
C. A. Böttiger's kleine Schriften archäologischen und antiquarischen Inhalts (Band 1) — Dresden, Leipzig, 1837

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https://doi.org/10.11588/diglit.5484#0300

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67. gemein gewönnen. Ich kann eine ganze Reihe dergleichen,
die auf den ersten Blick für Vorstellungen jener Furicuscene
erkannt weiden müssen, ans den noch immer sehr unvoll-
ständigen Hilfsmitteln, die mir zu Gebote stehen, aufführen.
Aber alle beweisen, was Lessiug so zuversichtlich in voraus
behaupten konnte , ilafs die alte Kunst n i e Furien , wohl
aber idealisirle Eumeniden bildete, und sich durch keine Dich-
terphantasmen, die, des Schrecklichen und Ekelhaften hier
nicht genug haben können, vou ihrer richtigen Bahn abbrin-
gen liefs.

Da die Furie nach den Begriffen des Alferthums immer
mit Vollstreckung der Blutrache und Bestrafung des Frevels
oder nach der späteren Vorstellnngsart mit Anfachung des
Krieges nnd Einhauchung des Wahnsinnes beschäftigt ist, so
konnte schon darum keinem kunstverständigen Bildner die
Idee beikoinmen, eine Furie ganz isoliif darzustellen. Man
könnte sagen: die Figur hört auf eine Furie zn sein, sobald
sie blos vereinzelt und auf sich selbst beruhend angeseheu
wird. Schon diese Betrachtung, die sich noch auf manche
andere allegorische Wesen des Altcrthums, als z. B. den T o d,
die Parcen, die Bellona, Nemesis u. s. w., anwenden Iäfst,
bätte die Alterlhumsauslegcr gegen manchen Mifsgrilf bewah-
68. ren *) und auf einen sehr wesentlichen Fehler unserer heuti-
gen Allegorie aufmerksam machen können **). Wirklich fin-

*) So wäre gewifs die mit dem Dolche drohend einherschreitende,
einzelne weibliche Figur auf dem schönen Carniol der Stoschi-
schen Sammlung Class. II, n. 356, und nunmehr aucli abgebildet
in der Auswahl vorzüglicher Gemmen aus dem Stoschischen Ca-
binete von Schlich tegro 11 T. I. n. 46. nie weder von Win-
ckelmann in der Biblioth. der seh. Wiss. I, 30. und im
Catalogue du Cabinet de St. p. 84. noch von Raspe in Tassie's
Catalogue n. 1514. für eine Furie gedeutet, sondern sogleich für
das, was sie ist, für eine Medea, die zum Mord ihrer Kinder
schreitet, invieta feroxque Horaz A. P. 123. (vergl. Vasengemälde
II, 168. ff.) gehalten worden, wenn man bedacht hätte, dafs wohl
eine leidenschaftliche Frau, aber nicht die strafende Furie, allein
gestellt, ein Gegenstand der Kunst sein könne. Dafs an keine
Furie hier zu denken sei, sah auch schon Lessing im Laokoon
S. 158. f,
**) Statt eine Handlung zu erfinden, wodurch unsere allegorischen
Figuren sich selbst aussprächen, suchen wir das Fehlende und
Dürftige durch Anhäufung symbolischer Attribute auf dieselbe Fi-
 
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