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Böttiger, Carl August; Sillig, Julius [Hrsg.]
C. A. Böttiger's kleine Schriften archäologischen und antiquarischen Inhalts (Band 1) — Dresden, Leipzig, 1837

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https://doi.org/10.11588/diglit.5484#0415

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würdiges Studium im Faltenwurf, in deren malerischem Spiel man
die Winke und Belehrungen eines grofsen Meisters nicht verken-
nen konnte. Aber das grbfste, lauteste Lob gebührt dem rastlosen
Eifer und den unvergleichlichen Anstrengungen der sämmllicheii
Schauspieler selbst, die diese Aufführung zu einer der vollendet-
sten und rundesten machten, die wir je in Weimar gesehen haben.
Mlle. Ja gern an n trug den Ion mit aller Mischung knabenhafter
Unschuld und stolzen Bewußtseins hoher Abkunft vor, die schon
das Allerthum in diesem seltenen und so selbst auf der griechi-
schen Bühne nirgends weiter vorkommenden Charakter bewundert
hat. Ihr Anstand, ihre Figur, Alles stimmt darin überein, aus
der Künstlerin einen Apolüno zu machen, zu dem dann das Urbild
in der letzten Scene erscheinen sollte. Mad. V o li s trug die
Krensa mit so viel Würde vor, als das Leidenschaftliche ihrer
Rolle nur immer gestattete, und schmelzte durch ihre weichen
Klagetöne und ihreAnmuth jeden widerspenstigen Busen, Hr. Vohs
spielte nicht, nein, er war der König Xuthus selbst, und die
längste Erzählung erhielt durch seinen kunstreich steigenden und
nie ermattenden Vortrag Haltung und Leben. Hr. Gral'f le"(e
in den alten Phorbus alle Tiefe des verhaltenen Gefühls, die er
so glücklich zu motiviren versieht, und gab uns, was er sein soll-
te, einen noch nicht ausgebrannten Vulkan unter einer Decke von
Eis. Die Pvihia, Mad. Teller, blieb durch das Feierliche ihrer
Stimme und ihres Spieles stets im reinen Einklang zu den Uebrigen,
zeigte überall die denkende Künstlerin und unterlag nie der auf
sie vorzüglich drückenden Last des Vortrages. Den lieblichen
Kranz dieser Darstellung schlofs Hr. II aide als Apollo mit der
würdigsten Figur, die man zu einer solchen Repräsentation wäh-
len konnte. Es dürfte in der That schwer fallen, unter dem
weit zahlreicheren Personale mancher grofsen Bühne sechs so er-
lesene Schauspieler zu sechs solchen Rollen zu finden. Noch sel-
tener aber dürfte die Vereinigung so vieler und grofser Talente
mit diesem Grade von Aufopferung und Anstrengung, wie hier
durchaus bemerkt wurde, und zu einem solchen Ensemble auf
unseren gepriesensten Theatern anzutreffen sein. Was vermag
der ernste, gute Wille nicht, wenn er von nicht gemeinen
Kräften unterstützt und von dem helebenden Hauche eines Genius
durchdrungen wird, von dem geleitet zu werden jedes teulscheii

terthnms eine grofse Unschicklichkeit gewesen sein. Einige Drei-
füfse, von welchen nach den Berichten der Alten mehrere Tau-
sende in dem und um den Tempel zu Delphi aufgestellt waren, und
die zugleich ein charakteristisches Merkmal der Scenen zu Delphi
gegeben hätten, würden dieses vertrautere Auflehnen besser vertra-
gen haben, Denn nur sie waren die Tische in Delphi.
 
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