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IV FARBE, FLEISCH UND LICHT:
TIZIANS DANAE-DARSTELLUNGEN
1. Die «Danae» der Sammlung Farnese und Tizians
Bemühungen um einen Goldregen
Die Beziehung von Fleisch, Farbe und Göttlichkeit untersucht Tizian
an einem weiteren Frauenakt, der «Danae», die er zuerst sechs Jahre
nach der «Venus von Urbino» für den Kardinal Alessandro Farnese
malt, dann in den 50er Jahren für Philipp II. ein weiteres Mal (Abb. 2,6
u.37).362 Dieses Motiv ermöglicht ihm, sowohl seine Technik der pas-
tosen Ölmalerei in Opposition zu den Idealen der florentinisch-römi-
schen Kunst weiterzuentwickeln als auch seine Konzeption von Weib-
lichkeit im Gegensatz zum androgynen Ideal Michelangelos. Diese
Bestrebungen verlaufen nicht zufällig parallel, sondern bedingen
sich. Der weibliche Akt ist nicht allein ein günstiges Feld, um die
Reize seiner Ölmalerei zu zeigen, sondern nach den Geschlechtsdefi-
nitionen des 16. Jahrhunderts ist Tizians Malerei selbst weiblich.
Tizian greift in dem Gemälde für Alessandro Farnese den für die
«Venus von Urbino» entwickelten Typus des ruhenden Aktes für die
sterbliche Danae auf, die Jupiter als Goldregen empfängt. Die Frau
bietet sich nun nicht mehr ausgestreckt den Blicken des Betrachters
dar, sondern bildet mit dem steiler aufgerichteten Oberkörper und
den angezogenen Beinen ein Halbrund, in das sich die Goldwolke
Jupiters hinabsenkt (Abb. 26). Auf diese schimmernde Wolke richtet
IV FARBE, FLEISCH UND LICHT:
TIZIANS DANAE-DARSTELLUNGEN
1. Die «Danae» der Sammlung Farnese und Tizians
Bemühungen um einen Goldregen
Die Beziehung von Fleisch, Farbe und Göttlichkeit untersucht Tizian
an einem weiteren Frauenakt, der «Danae», die er zuerst sechs Jahre
nach der «Venus von Urbino» für den Kardinal Alessandro Farnese
malt, dann in den 50er Jahren für Philipp II. ein weiteres Mal (Abb. 2,6
u.37).362 Dieses Motiv ermöglicht ihm, sowohl seine Technik der pas-
tosen Ölmalerei in Opposition zu den Idealen der florentinisch-römi-
schen Kunst weiterzuentwickeln als auch seine Konzeption von Weib-
lichkeit im Gegensatz zum androgynen Ideal Michelangelos. Diese
Bestrebungen verlaufen nicht zufällig parallel, sondern bedingen
sich. Der weibliche Akt ist nicht allein ein günstiges Feld, um die
Reize seiner Ölmalerei zu zeigen, sondern nach den Geschlechtsdefi-
nitionen des 16. Jahrhunderts ist Tizians Malerei selbst weiblich.
Tizian greift in dem Gemälde für Alessandro Farnese den für die
«Venus von Urbino» entwickelten Typus des ruhenden Aktes für die
sterbliche Danae auf, die Jupiter als Goldregen empfängt. Die Frau
bietet sich nun nicht mehr ausgestreckt den Blicken des Betrachters
dar, sondern bildet mit dem steiler aufgerichteten Oberkörper und
den angezogenen Beinen ein Halbrund, in das sich die Goldwolke
Jupiters hinabsenkt (Abb. 26). Auf diese schimmernde Wolke richtet