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Bohde, Daniela; Vecellio, Tiziano [Ill.]
Haut, Fleisch und Farbe: Körperlichkeit und Materialität in den Gemälden Tizians — Emsdetten, 2002

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https://doi.org/10.11588/diglit.23216#0273
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271

IV APOLL SCHINDET MARSYAS -

DIE AKTUALITÄT EINES ALTEN KONFLIKTES

1. Tizians «Schindung des Marsyas», Mythos und Ikonographie

In etwa der gleichen Zeit, in der Tizian bei dem Petersburger «Seba-
stian» an dem Verhältnis zwischen dem heiligen Körper und den die
Körpergrenzen in Frage stellenden Farbschleiern arbeitete, beschäf-
tigte ihn auch die «Schindung des Marsyas» (Abb. 6s).625 Noch direk-
ter als bei dem Pestheiligen stehen bei dieser paganen Marter der Kör-
per und seine Grenzen im Mittelpunkt der künstlerischen Arbeit.
Erschien der Heilige durch seinen Glauben letztlich geschützt, die
körperliche Integrität trotz des Martyriums bewahrt, so legt bei Mar-
syas der Gott selbst das Messer an. Ohne die Rechtfertigung durch das
christliche Erlösungsversprechen werden hier Schmerz und Leid
zum Thema gemacht. Anders als bei der «Inkarnation» von San Salva-
dor, der «Pietä» oder den Sebastiansfiguren ist in dem Thema kein
transzendierendes Element angelegt, das den Körper mit etwas Gei-
stigem verbindet. Mit der Gestalt des Silens steht unübersehbar der
bloße, geschundene Körper im Zentrum. Das macht es möglich, hier
gezielt der Frage nachzugehen, welche Bedeutung dem Körper,
genauer gesagt seiner Haut, in Tizians Malerei zukommt.

Marsyas hatte Apoll zu einem musikalischen Wettkampf her-
ausgefordert, bei dem sein Aulos der Lyra des Gottes unterlag. Die Hy-
bris des Naturwesens, die Superiorität des Gottes in Frage zu stehen,
 
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