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Bohde, Daniela; Vecellio, Tiziano [Ill.]
Haut, Fleisch und Farbe: Körperlichkeit und Materialität in den Gemälden Tizians — Emsdetten, 2002

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https://doi.org/10.11588/diglit.23216#0345
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343

IL CORPO DEL COLORE

«Tizian ist kein Maler und seine Gabe keine Kunst, sondern
ein Wunder. Und ich bin der Meinung, daß seine Farbe aus
jenem wunderbaren Kraut besteht, das Glaukos, als er davon
kostete, von einem Menschen in einen Gott verwandelte. Und
tatsächlich haben seine Portraits etwas Göttliches an sich: So
wie im Himmel das Paradies der Seelen ist, so scheint mir, daß
Gott in seine Farben das Paradies unserer Körper gelegt hat -
nicht gemalt, sondern heilig und verklärt durch seine
Hände.»822

Daß Farben einen Körper haben können, ist eine Vorstellung, die sich
nicht nur in so hochgradig reflektierten Texten wie Sperone Speronis
«Dialogo di Amore» findet, dem das vorangestellte Motto entnom-
men ist. Auch in maltechnischen Traktaten wird dieser metaphori-
sche Ausdruck verwendet, um damit opake, substanzreiche Pig-
mente zu bezeichnen, die einen pastosen Farbauftrag ermöglichen,
wie etwa das Bleiweiß - ein Pigment, das Tizian regelmäßig anderen
Pigmenten beimischte und ohne das seine Malerei nicht denkbar
ist.823 Die körperreiche Farbe ermöglicht eine Malerei, die Körper-
lichkeit zu evozieren weiß. Doch folgt aus dem Einsatz dieser Pig-
mente nicht zwangsläufig eine solche «körperliche Malerei». Ein
Blick auf Tintorettos Gemälde zeigt dies. Dort werden die gleichen
 
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