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Bohde, Daniela; Vecellio, Tiziano [Ill.]
Haut, Fleisch und Farbe: Körperlichkeit und Materialität in den Gemälden Tizians — Emsdetten, 2002

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https://doi.org/10.11588/diglit.23216#0249
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247

III TIZIANS SEBASTIANSFIGUREN

UND DIE VERKÖRPERUNG DER KUNST

1. Der kunstlose Sebastian von San Nicolö della Lattuga
oder die Nachahmung des Fleisches

Das Prinzip der körperlichen Schönheit, das beim Markusaltar Ero-
tik wie Religion umfaßte und der Pest entgegengesetzt wurde,
scheint beim Sebastian des Altares von San Nicolö della Lattuga
nicht mehr zu gelten (Abb. 57).574 Bei aller Ähnlichkeit zu seinem
Vorgänger von Santo Spirito hat der etwa zwölf Jahre später fertigge-
stellte Sebastian einen gedrungeneren Körper und kürzere Beine.
Er steht nicht spannungsvoll im freien Raum, sondern lehnt schwer
an einer Mauer, auch ist sein Lendenschurz kürzer und fällt nicht in
üppigem Schwung auf den Boden. Außerdem sind die Gesichtszüge
verändert, die Haare sind kürzer, der Mund ist breiter. Kurzum, der
Sebastian von San Nicolö ist weniger «schön». Wenn er von der Se-
kundärliteratur beachtet wurde, dann unter dem Aspekt einer gerin-
geren Qualität. Von Charles Hope und William Hood wurde er Tizi-
an sogar abgesprochen und als ein Werk seines Bruders Francesco
angesehen, wofür sie in der nachfolgenden Literatur allerdings
keine Zustimmung erhielten. David Rosand, der sich als bisher ein-
ziger mit Tizians verschiedenen Sebastiansfiguren beschäftigt hat,
vermutet aber, daß Tizian selbst mit seinem Werk unzufrieden war
 
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