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Spiegelung und Reflex.

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zur Tätigkeit anzuregen, also die Illusion des Durchgearbeiteten zu schaffen. Von solchen
Arbeiten gilt, was schon Plinius von der Malerei des Timanthes aus Kythnos sagte:
„Man erkennt stets mehr, als was eigentlich gemalt ist." (Baumgarten a. a. O. Bd. 1, S. 363.)

Hier darf auch an Lingelbachs Sepiazeichnung „Hafen", die des alten Goethe
Interesse erweckte (Eckermann, Gespr. 17. Februar 1830) erinnert werden. „Ein Hafenstück,
wo Männer auf der einen Seite frisches Wasser einnehmen und auf der anderen Würfel
auf einer Tonne spielen, gab Anlaß zu schönen Betrachtungen . . . Der Deckel der Tonne
hat das Hauptlicht; die Würfel sind gefallen, wie man an den Gebärden der Männer sieht,
aber sie sind auf der Fläche des Deckels nicht gezeichnet, weil sie das Licht unterbrochen
und also nachteilig gewirkt haben würden."

Spiegelung und Reflex.

Stellt man sich im Arbeitszimmer drei farbige Papptafeln, eine rote, eine blaue,
eine gelbe, so zusammen, daß sie eine Würfelecke bilden, so entsprechen sie den drei
Raumebenen, mit denen die darstellende Geometrie arbeitet. Die rote Fläche (Grundfläche
des Hohlwürfels) entspricht der ersten, die blaue (Rückseite) der zweiten, die gelbe (rechte
Seitenfläche) der dritten Projektionsebene. Das Licht falle von links oben her ein.

Hängt man nun in den Raum, der von diesen Ebenen begrenzt wird, eine undurch-
sichtige, spiegelnde Glaskugel, das Zentrum in Augenhöhe des Beobachters, so bilden sich
die Tafeln in eigenartiger Weise an der Kugel ab (Taf. 31, Abb. 5).

Fast die ganze untere Hälfte der Kugel erscheint rot, der rechte Quadrant gelb,
im oberen bildet sich die Zimmerecke, im linken das Zimmerfenster ab. Im Mittelfelde
erscheint die Wand hinter dem Beschauer und genau in der Mitte der Kreisfläche der
Kopf der beobachtenden Person (in der Zeichnung fortgelassen). Der obere Teil des kreis-
förmigen Bildes wird von einem blauen, halbmondförmigen Saum eingefaßt. Hier sehen
wir also die Spiegelung der Rückwand.

Dieser einfache Versuch gibt uns Aufschluß darüber, welchen Weg die Licht-
strahlen genommen haben, die uns die Kugel zur sichtbaren Erscheinung machen. Es ist
klar, daß nur von der linken Seite, dem Fensterbilde her, einmal reflektierte Strahlen in
unser Auge gelangen. Dieser hellste Teil des Bildes heißt in der Malersprache das
Glanzlicht. Alle anderen Strahlen müssen, wie die Farbe des Lichtes zeigt, erst die
Wände unserer Versuchsecke bzw. des Zimmers getroffen haben, bevor sie die Kugel-
oberfläche und von hier aus das Auge erreichten.

Eine Beleuchtungserscheinung, die dadurch zustande kommt, daß andere beleuchtete
Gegenstände Licht auf einen beobachteten zurückwerfen, nennen wir einen Reflex
(Widerschein). In unserem Falle sind die Reflexe durch die farblose, spiegelnde Ober-
fläche der Kugel zu größtmöglicher Reinheit und Bestimmtheit der Grenzen gebracht und
dadurch zu Spiegelungen geworden.

Die Grenzlinien der gespiegelten Flächen sind im Bilde deutlich zu erkennen.
Sie verändern sich natürlich, wenn wir die farbigen Pappen durch größere oder kleinere

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