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„frowen puoch" mit einer seltenen Offen-
heit geschildert. Es mutet uns komisch
genug an, wenn Ulrich, dessen übel-
geformter Mund durch eine doppelte
Unterlippe entstellt war, seiner Dame
zulieb sich eine von seinen drei Lippen
abschneiden läßt und dabei wochenlang
die furchtbarsten Schmerzen erduldet,
oder wenn er einen Finger, den er in
einem Ehrenhandel seiner Dame wegen
halb verloren, was diese ihm nicht recht
glauben wich ganz abschlägt und ihn ihr
zugleich mit seinen neuesten Liedern
znsendet, in grasgrünen Samt einge-
bunden! Aber der Arme scheint mit
seinem Liebeswerben wenig Erfolg ge-
habt zu haben, wenigstens bricht er ein-
mal in die unmutsvolle Klage aus:
Mich reuet, daß ich meine Jahr'
Habe verdummet also gar
Für ein Weib . . .
Das größte Ereignis seines Lebens ist
die berühmte Venusfahrt, welche er als
Frau Venns verkleidet und in glanz-
voller Begleitung von Venedig aus
unternimmt und die ihn durch die Lom-
bardei, durch Frianl, Kärnten, Steier-
mark, Niederösterreich bis nach Böhmen
führt, ans dem ganzen Wege sich im
Turnierkampfe messend, wobei er 307
Speere bricht und an die Sieger 271
Goldringe verschenkt. Dieser phan-
tastische Zug, ganz im romantischen
Geiste seiner Zeit gelegen, brachte ihm
viel Ruhm und Ehre ein und ist typisch
für diesen VertreterronmntischenMinne-
dienstes und höfischen Lebens, der von
allen Dingen der Erde eigentlich nur
fünf als begehrenswert erklärte: Schöne
Frauen, gutes Essen und Trinken, edle
Rosse, trefflich Gewand und glänzende
Rüstung. Die dichterische Bedeutung
Ulrichs liegt im Minneliede, dessen klas-
sischer Zeit er noch angehört und in dem er sich als einer der besten Nachfolger Walters von der Vogelweide erweist.
So fängt ein Tanzlied Ulrichs, in bösen Krankheitstagen gedichtet, also an:
Alles Singen ich vermeide
Von der Nacht, die gibt mir Freuden nicht.
All ineine Freude
Liegt am Tag, denn der ist licht
Und es ist sein Schein
Der Fraue mein
Viel gleich, drum muß er selig sein!
Abb. 1. Regierender Fürst Johann II. von und zu Liechtenstein.
Und eines seiner anmutigsten Liebeslieder beginnt:
In dem Walde süße Töne
Singen kleine Vögelein,
Auf der Heide blühen schöne
Blumen in des Maien Schein.
Also blüht mein hoher Mut,
Wenn ich denke ihrer Güte,
Die nur reich macht mein Gemüte,
Wie der Traum den Armen tut.
Wegen ihrer Tugend trage
Noch ein frohes Hoffen ich,
Daß ich Glück bei ihr erjage
Und mein Wunsch erfüllet sich.
Dieser Hoffnung bin ich froh.
Gebe Gott, daß ich's beende,
Daß sie mir den Wahn nicht wende,
Der mich freut im Herzen so. —
„frowen puoch" mit einer seltenen Offen-
heit geschildert. Es mutet uns komisch
genug an, wenn Ulrich, dessen übel-
geformter Mund durch eine doppelte
Unterlippe entstellt war, seiner Dame
zulieb sich eine von seinen drei Lippen
abschneiden läßt und dabei wochenlang
die furchtbarsten Schmerzen erduldet,
oder wenn er einen Finger, den er in
einem Ehrenhandel seiner Dame wegen
halb verloren, was diese ihm nicht recht
glauben wich ganz abschlägt und ihn ihr
zugleich mit seinen neuesten Liedern
znsendet, in grasgrünen Samt einge-
bunden! Aber der Arme scheint mit
seinem Liebeswerben wenig Erfolg ge-
habt zu haben, wenigstens bricht er ein-
mal in die unmutsvolle Klage aus:
Mich reuet, daß ich meine Jahr'
Habe verdummet also gar
Für ein Weib . . .
Das größte Ereignis seines Lebens ist
die berühmte Venusfahrt, welche er als
Frau Venns verkleidet und in glanz-
voller Begleitung von Venedig aus
unternimmt und die ihn durch die Lom-
bardei, durch Frianl, Kärnten, Steier-
mark, Niederösterreich bis nach Böhmen
führt, ans dem ganzen Wege sich im
Turnierkampfe messend, wobei er 307
Speere bricht und an die Sieger 271
Goldringe verschenkt. Dieser phan-
tastische Zug, ganz im romantischen
Geiste seiner Zeit gelegen, brachte ihm
viel Ruhm und Ehre ein und ist typisch
für diesen VertreterronmntischenMinne-
dienstes und höfischen Lebens, der von
allen Dingen der Erde eigentlich nur
fünf als begehrenswert erklärte: Schöne
Frauen, gutes Essen und Trinken, edle
Rosse, trefflich Gewand und glänzende
Rüstung. Die dichterische Bedeutung
Ulrichs liegt im Minneliede, dessen klas-
sischer Zeit er noch angehört und in dem er sich als einer der besten Nachfolger Walters von der Vogelweide erweist.
So fängt ein Tanzlied Ulrichs, in bösen Krankheitstagen gedichtet, also an:
Alles Singen ich vermeide
Von der Nacht, die gibt mir Freuden nicht.
All ineine Freude
Liegt am Tag, denn der ist licht
Und es ist sein Schein
Der Fraue mein
Viel gleich, drum muß er selig sein!
Abb. 1. Regierender Fürst Johann II. von und zu Liechtenstein.
Und eines seiner anmutigsten Liebeslieder beginnt:
In dem Walde süße Töne
Singen kleine Vögelein,
Auf der Heide blühen schöne
Blumen in des Maien Schein.
Also blüht mein hoher Mut,
Wenn ich denke ihrer Güte,
Die nur reich macht mein Gemüte,
Wie der Traum den Armen tut.
Wegen ihrer Tugend trage
Noch ein frohes Hoffen ich,
Daß ich Glück bei ihr erjage
Und mein Wunsch erfüllet sich.
Dieser Hoffnung bin ich froh.
Gebe Gott, daß ich's beende,
Daß sie mir den Wahn nicht wende,
Der mich freut im Herzen so. —