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Vereinigung zur Erhaltung Deutscher Burgen [Hrsg.]
Der Burgwart: Mitteilungsbl. d. Deutschen Burgenvereinigung e.V. zum Schutze Historischer Wehrbauten, Schlösser und Wohnbauten — 27.1926

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Nr. 3/4
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Hampe, Carl: Aus der alten Grafschaft Everstein: Holzminden, Burgruine Polle
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https://doi.org/10.11588/diglit.35077#0062
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Aus der alten Grafschaft Everftein.
Holzminden, Burgruine Polle.
Bon C. Hampe, Holzminden.
enn man Höxter und Corvey verlassen hat, kommt man stromabwärts bald in das Gebiet der alten Graf-
schaft Everftein. Der Hanptort dieses mächtigen, im Jahre 1408 im Mannesstamme ausgestorbenen
Grafengeschlechtes, die braunschweigische Kreisstadt Holzminden, grüßt uns schon aus der Ferne durch
ihren hohen, spitzen Kirchturm entgegen.
Holtosmsni — genannt nach dem Sollingsbach Holzminde, den hier die Weser aufnimmt —
wird in den Corveyer Überlieferungen schon um das Jahr 825 als ein Besitztum des Klosters erwähnt. Jedoch lag
dieser Ort nicht an der Stelle der jetzigen Stadt, sondern an derjenigen des erst vor vier Jahren in diese eingemeindeten
Dorfes Altendorf. Die heutige Stadt Holzminden ist erst Ende
des 12. Jahrhunderts planmäßig erbaut und gegründet durch
den Grafen von Everftein. Im Jahre 1231 werden beide Orte
des Namens Holzminden genannt, und im Jahre 1245 belehnte
Otto II. von Everftein den an der Weser gegründeten Ort mit
den städtischen Gerechtsamen. Gleichzeitig wurde zum Schutze
der Stadt eine Burg unmittelbar an der Weser, in der Nähe
des jetzigen Hafens, erbaut. Die letzten Reste dieser alten ever-
steinschen Feste sind bei den in den 40 er Jahren des vorigen
Jahrhunderts vorgenommenen Hafenbauten leider verschwun-
den. Die Stadt selbst ist stets nur durch einen einfachen Wall
und mit einem Palisadenzann befestigt gewesen, was im Holz-
mindener Stadtwappen, das auch den eversteinschen Löwen
führt, symbolisch zum Ausdruck gelangt.
Eine Konkurrenz im Handel und Wandel mit Höxter Zu
führen, war der jungen eversteinschen Stadt nicht erreichbar,
denn ihrem Gründer fehlten die Macht und auch die Mittel,
Holzminden weiter zu entwickeln. Schon um das Jahr 1255
wurde der Ort an den Erzbischof Sifried von Köln veräußert.
Aber auch unter dieser Herrschaft sollte die Stadt nicht bleiben;
um 1300 war sie Besitztum der Edlen von der Lippe, die den be-
festigten Platz längere Zeit behaupteten. Jedoch die Nachbarschaft
Holzmindens, mit welcher sich die Lipper veruneinigt hatten, der
Herzog von Braunschweig-Göttingen, in Gemeinschaft mit dem
Abte von Corvey, den Herren von Homburg und den Grafen
von Everftein, riß die Stadt an sich, und so wurde sie verteilt
unter diese vier Verbündeten. Die homburgischen und everstein-
schen Anteile fielen durch Erbvertrag 1408 und 1409 an dasHaus
Braunschweig, und feit 1519 ist die Stadt ausschließlich an die
wolfenbüttelsche Linie des wölfischen Fürstenhauses übergegangen.
Im Dreißigjährigen Kriege hat die Stadt unsagbar viel gelitten. Tilly weilte bis 1626 zweimal in ihr und
belegte sie mit schwerer Kontribution. Im Jahre 1640 wurde sie von den Kaiserlichen völlig niedergebrannt und
ihrer Befestigungswerke beraubt. Nur das in den 40er Jahren des vorigen Jahrhunderts niedergelegte Rathaus
auf dem Marktplatze, die Stadtkirche — ohne Turmhelm — und wenige Privathäuser blieben erhalten. Auch der
Siebenjährige Krieg verlangte von ihr zahlreiche Opfer. Die landesherrliche Fürsorge des Herzogs Carl I. steuerte
der entstandenen Wohnungsnot ; sein Oberforstmeister von Langen, das Haupt der Weser-Forstverwaltung, stand ihn:
dabei hilfreich zur Seite. Es wurden viele Gebäude durch den Herzog ausgeführt, woran verschiedene Hausinschriften
an der Hinterenstraße, Grabenstraße usw. noch erinnern. Die Carlstraße trügt den Namen nach diesem Fürsten,
der auch durch die Verlegung der Amelungsborner Klosterschule nach hier (1755—1760) das jetzige Gymnasium
stiftete. Im Jahre 1831 gründete der Herzog!, braunschweigische Kreisbaumeister Friedrich Ludwig Haarmann hier
die erste deutsche Baugewerkschule, die bald einen Weltruf genoß. Ein Denkmal des Gründers befindet sich zwischen
den: alten und neuen Baugewerksschulgebäude. Ersteres wird jetzt als Finanzamt benutzt.
Wenn trotz dieser berühmten Baugewerkschule die baulichen Schöpfungen der Neustadt aus den 80er und
90er Jahren des vorigen Jahrhunderts grobe Geschmacksverirrungen aufweisen und manches Verfehlte
gezeitigt haben, so läßt sich hingegen nicht leugnen, daß die alte Stadt, welche noch das planmäßige Produkt
ihres gräflichen Gründers deutlich zu erkennen gibt, verschiedenerlei Anziehendes bietet. Man sieht hier allerdings
 
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