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Vereinigung zur Erhaltung Deutscher Burgen [Hrsg.]
Der Burgwart: Mitteilungsbl. d. Deutschen Burgenvereinigung e.V. zum Schutze Historischer Wehrbauten, Schlösser und Wohnbauten — 27.1926

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Nr. 3/4
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Reuter, Adolf: Dampferfahrt durchs Weserland
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https://doi.org/10.11588/diglit.35077#0049
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Ser Burgwart
Zeitung üervereinigung zur Erhaltung deutscher Burgen
Herausgeber: Professor Boöo Ebhardt, Architekt, Berlin-Grunewald
Burgverlag, G.m.b.H., Berlin-Grunewalb
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27. Jahrgang ^ Scr Burgwart erscheint sechsmal jährlich ^ Bezugspreis 1,50 Mark für den Bogen - Niimmon "Z/U
1^2ö ^ MitgliederdervereinigungzurErhaltungdeutscherBurgcn erhaltendenBurgwartunentgeltlich ^

Dampferfahrt durchs Weserland.
Von Or. Adolf Reriter.
^uf bunt bewimpeltem, mitMaiengrün geschmücktem Weserschiff stromabwärts zu schweben vom Blumen-
) Werder, vom Tanzwerder im Waldes-und wasserdurchrauschten Münden zum mittelalterlich üppigen
^ Hamelner Hochzeitshaus, das ist gewiß eine fröhliche Fahrt! Grüne Bergeshöhen gleiten an uns
) vorüber, schöne freundliche Dörfer zwischen wogenden Saatfeldern, weiße und buntfarbige Wand-
> flächen, gebräuntes Eichenholzfachwerk, uralte rundbogige Dorf- und Klosterkirchen spiegeln sich
/ im Strom. Seitentäler öffnen sich zu dämmernden Waldbuchten. Lockende Wege verlieren sich in die
märchenstille, geheimnisvolle Einsamkeit. Born Ufer, von steiler Klippe rufen Wanderer ihren Gruß
herüber. Badende Kinder springen jauchzend in die vom Dampfer aufgewühlte, auf dem Uferkies sich verlaufende
Weserwelle. Überall Tücherschwenken vom und zum Schiff. Überall Fröhlichkeit, Leben, Gegenwart. Und doch, eine
ernste Sprache spricht diese Landschaft zu uns vom Werden und Vergehen der Menschen, die hier wohnten, von den
blonden, blauäugigen Sachsen, deren Blut noch in unsern Adern fließt. Denn ein wenig südlich von Münden läuft über
Berg und Tal und Wälderweiten eine unsichtbare Linie, die niederdeutsche Sprachgrenze. Und wir denken an die
römischen Eroberer, die vergeblich hier ihre Herrschaft aufzurichten versuchten, an Karl, den eisernen Frankenkönig, dessen
hochmütige Krieger die totwunden sächsischen Wodansanbeter in die Weser jagten, daß ihre Flut sich rötete vom Heiden-
blut. Abgestorben, zusammengesunken, längst vermodert sind ihre heiligen Bäume, ihre überall weithin verstreuten
Holzhäuser. Aber noch heute schwebt der Zauber einer versunkenen Zeit um den ragenden Gipfel des Köterberges, um
die letzten Rieseneichen des Sollingwaldes, um die uralte Teufels- oder Steinmühle, deren sagenhafter Ursprung uns
klingt wie Geistergruß aus ferner Heidenzeit. Allmählich fassen die Sachsen Vertrauen zu der neuen Religion, die ein
Menschenalter lang der grauenvolle Krieg ihnen aufzwang. Corvey gewinnt und leitet mit Klugheit die Gemüter. Um
Klöster und Kirchen rücken die Blockhütten, die Höfe der sächsischen Edelinge zu stattlichen Weserdörfern zusammen.
Hart an dem die Tatkraft spornenden Landesstrom, zumeist, wie man deutlich in Höxter und Holzminden erkennt, auf
hochwasserfreier Bodenwelle, an bequemer, früh zur Brücke sich entwickelnder Weserfurt, entstehen die bescheidenen
Anfänge mittelalterlicher Städte, die bald ein erstarkendes, selbstbewußtes Bürgertum mit Brustwehren, Zinnen,
mit einem stolz betürmten Manernkranz umgibt. Denn die Zeiten sind rauh und unsicher. Auf kahler, windumwehter
Höhe Hausen in unzugänglichen Bergnestern die Grafen, Edelherren, Ritter und stören oft genug tief unten im Tal
den Frieden, die Handelszüge der fleißigen, Schätze sammelnden Handelsherren. Die Jahrhunderte werden sanfter,
gute Landesfürsten schaffen Ordnung und halten ein strenges Regiment. In Münden, auf steilen Userhöhen in
Polle und Fürstenberg errichten sie ihre festen Schlösser, ihre Zollstätten, hier gehen sie den Freuden der Hochwild-
jagd nach in den weiten, meist noch undurchforsteten Bergwäldern. Die Ritter aber, die Feudalherren, erbauen
nun im Wefertal ihre prächtigen, mit Türmen, Erkern, Sandsteingiebeln geschmückten Herrensitze. Das verfallende
Burggemäuer überlassen sie den Dohlen, Eulen, Unken, und die Volksphantasie belebt bald diese unheimlichen Räume
mit Falschmünzern, Schatzgräbern, Hexen und bösartigen Gespenstern. So naht eine neue Zeit und gibt den Städten
ihr freundliches, anheimelndes Aussehen. Aus dem Mauerring heraus strecken sich nun die Häuserreihen bergwärts,
flußwärts, ins grünende, blühende Gartenland.
In Münden besteigen wir den Dampfer. Das steinerne Menschenwerk in der Landschaft werden wir betrachten.
Menschheitsgeschichte wird an uns vorüberziehen: 8axa Uoqrmnwe.
 
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