Die Weser entspringt nicht. Plötzlich ist sie da. Wie ein übermütiger Junge stürzt sie sich hinein ins schöne Leben,
braust über Wehre, schlüpft durch uralt steinerne Brückenbogen, umfaßt eine wunderschöne alte Stadt, singt und klingt
die stillen Sommernächte hindurch. Überall rinnendes, rauschendes Wasser, glitzerndes, blitzendes, quirlendes, schaum-
perlendes Wasser. So wird der Weserfluß geboren, mit seinem eigenen Wasser tauft er sich, den Taufstein errichteten
ihm an der Nordspitze des Tanzwerders, wo die Werra und die Fulda dauernd sich finden, schwärmerische Freunde mit
d" vüischüft. Mo Werra und Fulda sich küssen, Und hier entsteht durch diesen Kuß,
Sie ihren Namen büßen müssen. Deutsch bis zum Meer, der Weserfluß.
Und hier „upp de munt dreier Water" entstand früh die Wald-, Wasser- und Bergstadt Münden, zunächst eine
bescheidene Ansiedlung von Fischern, bald mit zunehmender Kultur auch von Schiffern. Als Hansestadt und wichtiger
Stapelplatz mit Türmen und Mauern wohl verwahrt, ist sie vorübergehend Residenz der braunschweigischen Landes-
herren gewesen. Ein geschickter Franzose, Denis Papin, machte hier schon lange vor der erfolgreichen Erfindung
Abb. 15. Hann. Münden, Altes Stadtbild.
der Dampfmaschine im Aufträge des hessischen Landgrafen seine später in Vergessenheit geratenen Versuche mit
einem von ihm erfundenen und von ihm auch gebauten Dampfboot.
Über dem nächtlichen Münden wacht noch ganz mittelalterlich der Türmer. Viertelstündlich tönt von der hoch-
gelegenen Wachstube des achteckigen Turmes der schönen alten Hauptkirche zu St. Blasien sein Hornruf über die
Stadt. Zu seinen Füßen träumen die alten hochgegiebelten Patrizierhäuser, das Schloß, groß, frei, stolz, ein echter
Fürstensitz. Und unter ihm, in der hallenden Kirche, zwischen Schätzen reicher mittelalterlicher Kunst schläft Herzog
Erich den ewigen Schlaf an der Seite seiner geliebten ersten Gemahlin. Unheimlich isüs bei der alten kleinen, ver-
drießlichen Ägidienkirche. Die steht da wie ein altes runzeliges Menschenkind, das der Tod vergessen hat. An der
Wand, aufgerichtet, zusammeugedräugt —- ein Stück Prager Judenkirchhof — acht schwere hohe Totensteine mit
seltsam starrenden Larven, Engeln, Putten, Totenköpfen. Der Mond scheint diesen Nachtgespenstern ins Gesicht,
auch dem Köuigl. Großbritannischen Privilegierten Landarzt und Königl. Preußischen Naht und Hofokulisten Joh.
Andreas Eisenbart. Auf einer Reise setzte hier der Tod ihn zur Ruhe, die er im Leben nicht finden konnte.
Die Wälder erschauern im Morgenwind, der erste Sonnenstrahl überfunkelt die Tillyschanze, die alten Wehr-
türme. Das Rathaus mit seiner kostbaren Sandsteinschauseite, in den Jahren 1603—1618 von dem Lemgoer Archi-
tekten Graßmann noch kurz vor dem Zusammenbruch der mittelalterlichen Stadtherrlichkeit errichtet, grüßt den
jungen Tag. Aus allen Fenstern bis unter den ragenden Spitzgiebel, aus dem feingemeißelten Erker ergießt sich wie
hingeschüttet eine Flut von rosenfarbenen Petunienblüten. Das Leben, der Alltag erwacht nach diesem kurzen. Schön-
heitstraum. Arbeiter, Schüler wandern über alle Straßen, Plätze, Brücken. Wir aber lenken zum Tanzwerder
unseren Schritt. Dort wartet leise schaukelnd schon der Dampfer auf der gleitenden Flut.
braust über Wehre, schlüpft durch uralt steinerne Brückenbogen, umfaßt eine wunderschöne alte Stadt, singt und klingt
die stillen Sommernächte hindurch. Überall rinnendes, rauschendes Wasser, glitzerndes, blitzendes, quirlendes, schaum-
perlendes Wasser. So wird der Weserfluß geboren, mit seinem eigenen Wasser tauft er sich, den Taufstein errichteten
ihm an der Nordspitze des Tanzwerders, wo die Werra und die Fulda dauernd sich finden, schwärmerische Freunde mit
d" vüischüft. Mo Werra und Fulda sich küssen, Und hier entsteht durch diesen Kuß,
Sie ihren Namen büßen müssen. Deutsch bis zum Meer, der Weserfluß.
Und hier „upp de munt dreier Water" entstand früh die Wald-, Wasser- und Bergstadt Münden, zunächst eine
bescheidene Ansiedlung von Fischern, bald mit zunehmender Kultur auch von Schiffern. Als Hansestadt und wichtiger
Stapelplatz mit Türmen und Mauern wohl verwahrt, ist sie vorübergehend Residenz der braunschweigischen Landes-
herren gewesen. Ein geschickter Franzose, Denis Papin, machte hier schon lange vor der erfolgreichen Erfindung
Abb. 15. Hann. Münden, Altes Stadtbild.
der Dampfmaschine im Aufträge des hessischen Landgrafen seine später in Vergessenheit geratenen Versuche mit
einem von ihm erfundenen und von ihm auch gebauten Dampfboot.
Über dem nächtlichen Münden wacht noch ganz mittelalterlich der Türmer. Viertelstündlich tönt von der hoch-
gelegenen Wachstube des achteckigen Turmes der schönen alten Hauptkirche zu St. Blasien sein Hornruf über die
Stadt. Zu seinen Füßen träumen die alten hochgegiebelten Patrizierhäuser, das Schloß, groß, frei, stolz, ein echter
Fürstensitz. Und unter ihm, in der hallenden Kirche, zwischen Schätzen reicher mittelalterlicher Kunst schläft Herzog
Erich den ewigen Schlaf an der Seite seiner geliebten ersten Gemahlin. Unheimlich isüs bei der alten kleinen, ver-
drießlichen Ägidienkirche. Die steht da wie ein altes runzeliges Menschenkind, das der Tod vergessen hat. An der
Wand, aufgerichtet, zusammeugedräugt —- ein Stück Prager Judenkirchhof — acht schwere hohe Totensteine mit
seltsam starrenden Larven, Engeln, Putten, Totenköpfen. Der Mond scheint diesen Nachtgespenstern ins Gesicht,
auch dem Köuigl. Großbritannischen Privilegierten Landarzt und Königl. Preußischen Naht und Hofokulisten Joh.
Andreas Eisenbart. Auf einer Reise setzte hier der Tod ihn zur Ruhe, die er im Leben nicht finden konnte.
Die Wälder erschauern im Morgenwind, der erste Sonnenstrahl überfunkelt die Tillyschanze, die alten Wehr-
türme. Das Rathaus mit seiner kostbaren Sandsteinschauseite, in den Jahren 1603—1618 von dem Lemgoer Archi-
tekten Graßmann noch kurz vor dem Zusammenbruch der mittelalterlichen Stadtherrlichkeit errichtet, grüßt den
jungen Tag. Aus allen Fenstern bis unter den ragenden Spitzgiebel, aus dem feingemeißelten Erker ergießt sich wie
hingeschüttet eine Flut von rosenfarbenen Petunienblüten. Das Leben, der Alltag erwacht nach diesem kurzen. Schön-
heitstraum. Arbeiter, Schüler wandern über alle Straßen, Plätze, Brücken. Wir aber lenken zum Tanzwerder
unseren Schritt. Dort wartet leise schaukelnd schon der Dampfer auf der gleitenden Flut.