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Vereinigung zur Erhaltung Deutscher Burgen [Hrsg.]
Der Burgwart: Mitteilungsbl. d. Deutschen Burgenvereinigung e.V. zum Schutze Historischer Wehrbauten, Schlösser und Wohnbauten — 27.1926

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Nr. 3/4
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Reuter, Adolf: Dampferfahrt durchs Weserland
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https://doi.org/10.11588/diglit.35077#0053
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20

lauschenden Ta-
felrunde seine
verwegenen
Geschichten er-
zählte.
' Schloß Heh-
len, der er-
innerungsreiche,
wohlerhaltene
Stammsitz der
Grafen v. Schu-
lenburg, spiegelt
sich in der Weser-
flut. Bald wird
Emmertal er-
reicht, Wander-
leute steigen aus,
die der Hämel-
schenburg einen
Besuch abstatten
wollen.
Der Bau des
jetzigen, der Re-
naissance auge-
hörigen Schlos-
ses fällt in die
Jahre 1588 bis
1612. Das große Rundbogentor mit seiner Fülle von Ornamenten trägt Namen und Wappen des Erbauers. Den
Namen des Baumeisters kennt man nicht: doch wird es derselbe sein, der das Hochzeits- und das Rattenfüngerhaus
in Hameln, vielleicht auch das Schloß in Schwöbber gebaut hat. Vor dem Hose breitet sich, den malerischen Eindruck
der Schloßansicht wesentlich steigernd, ein ansehnlicher Wasserspiegel aus, welcher durch den nur an der Straßen-
seite noch erhaltenen, hier fast unmittelbar am Gebäude sich hinziehenden Hausgraben gespeist wird. Die Umwal-
lung des Hauses ist zum Teil abgetragen und nebst dem ehemaligen Grabe): in Anlagen verwandelt, deren Wege an
dem Familienbegräbnis vorbei in den nahen Wald leiten. — Den ältesten Teil des in seinem Grundriß die sog. Huf-
eisenform zeigenden Schlosses bildet der Nordwestflügel mit einem oben achtseitigen Treppen- und Uhrturm und
zwei reichverzierten Giebeln. Am Mittelbau neben dem Treppenturm steht noch die Pilgerlaube, wo Pilger und
Arme gespeist wurden*) —
Hameln! Mit seinem lachenden villenbesetzten Klütberg, seinen rauschenden Wehren, stolzen Türmen, mit den schon
meerwärts weisenden Hafen-, Verkehrs- und gewerblichen Anlagen empfängt uns die sagenreiche, vielbesungene Stadt.
In der vornehmen Osterstraße wogt am Spätnachmittag an glänzenden Ladenauslagen vorbei noch der Verkehr.
Auf alle die Fremden, auf die Jugend, die sehen will und gesehen werden, schauen prächtige Orenaissancebanten aus
der Zeit des üppigen, weltfrohen Jahrhunderts vor dem großen Kriege herab. Das Rattenfüngerhaus, so benannt
nach einer auf die Rattenfüngersage hinweisenden Inschrift, ferner das jetzt als Museum eingerichtete Gebäude mit
wunderbar graziösem, alle Steinschwere überwindendem Erker, mit der verführerisch schönen, in eine Muschel sich
schmiegenden Frauengestalt, das breitgelagerte prunkende Hochzeitshaus, überragt vom grünschillernden, nadelscharfen,
Nikolaiturm. Überall reichster figürlicher Schmuck, ganze Historien werden dargestellt, besonders am Stiftsherren-
haus. Seinen Besitzer sehen wir in der Junkertracht des 16. Jahrhunderts, zur Seite den Jagdhund, dahinschreiten.
Die Straße belebt sich uns wieder mit den bewußt frohen Gestalten jener Zeit. Aus kreisrunder Dachluke im obersten
Spitzgiebelwinkel eines üppigen Bürgerpalastes jener Tage schaut, ursprünglich wohl ein Architektenscherz, eine Maske,
ein Menschenkopf in natürlicher Größe, 350 Jahre lang schon hinab in das Straßentreiben. Unheimlich! Wo sind
sie hin, die alle diese Herrlichkeit schaffen und genießen konnten? Sie sind denselben Weg gegangen, wie die 130 Kinder,
die einst „der Piper mit allerlei) Farve beklebet" in den Tod lockte, nur etwas später: Omims ooäonr coZüriur!
Hier endet unsere Dampferfahrt. Aber eine Fülle von Erinnerungen und Eindrücken belebt auch außerhalb
Hamelns noch immer die reiche, lachende, mit wohlhabenden Städten und Dörfern besetzte Weserlandschaft. Von
den Klippen und Aussichtstürmen der zur Rechten das Tal einfassenden Weserkette, von der Paschenburg, der Schaum-
burg, dem Stammschloß der Schaumbnrger Grafen, schauen wir hinab auf das von klösterlicher Legende hold um-
rankte, an ehrwürdigen Kunstschätzen reiche Damenstift Fischbeck, auf das schicksalsreiche Rinteln, einstmals Landes-
universität der Grafschaft Schaumbura, ans das Kloster Möllenbeck, auf Varenholz, das großartige, von Graf Simon VI.
Diese Beschreibung ist entnommen dem wertvollen, von vr. O. Dieckhoff verfaßten „Führer durch das Oberwesergebiet".
Verlag Hüpke und Sohn, Holzminden.


Abb. 17. Die Krukenburg bei Karlshafen.
 
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