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tende Figürchen als Liebespfänder sich reichen, wie sie für alles Gute, für Menschenbeglückung schwärmen und mit
sich und ihren edlen Gefühlen ach! so zufrieden sind.
Heute find die besten Modelle der Rokokozeit wieder ans Licht gezogen. Und so erlebt die harmlos heitere
Kleinkunst jener Tage eine fröhliche Auferstehung. Ein Traum von Schönheit schwebt noch um die freundlichen
Häuschen, in denen damals die Blumenmaler ihre feinen, sinnvollen Sächelchen pinselten, hart am Rand der noch
unaufgeforsteten Sollingwildnis mit ihren verwegenen Wilddieben und scheuen Hinterwäldlern.
Hameln.
Von Bernhard Flemes, Hameln.
äe Stadt ist eine von den Siedelungen, deren Entwicklungslinie nicht von einem kräftigen Kulturwillen
sins Buch der Zeiten eingetragen wurde, die vielmehr in geistiger Hinsicht seit Anbeginn ihrer Ge-
^ schichte sich passiv verhielt und vorwiegend von den Mächten der Natur, der Landschaft, gestaltet wurde.
! Drei dieser Mächte waren bestimmend und formbildend, — der Strom, die fruchtbare Talbreite und
die Berge. Der Strom, im Verein mit den kreuzweis ihn überschneidenden oder ihn begleitenden
Talern, legte die Stelle der Siedlung fest und ließ nach der natürlichen Furt die Fähre, die Brücke, die Stadt und
das Wehr entstehen, füllte die Festungsgräben und gab die Möglichkeit eines Verkehrs in die Ferne. Er ist noch heute
wesentliche Lebensader der Stadt. Der Lehmboden des breiten Tales gewährte mit fetten Wiesen und reichen
Äckern der ländlichen Arbeit gutes Fortkommen und wurde vom Wasser unterstützt, das die Räder der Mühlen trieb.
Sie erwiesen sich so lebenswichtig für die Stadt, daß das Quereisen der Mahlsteine zum Kern des Stadtwappens
wurde, und noch heute sind die großen Mühlen die repräsentativsten Betriebe der Stadt. Die Berge aber, deren
Waldungen bis nahe an die Mauern Heranstreifen, waren damals und sind noch jetzt die dauernden Regenerations-
quellen der geistigen und körperlichen Volksgesundheit, sind es heute mehr denn je zuvor und machten Hameln zu
der Touristen- und Fremdenstadt, die es geworden ist. Zudem gaben sie Holz und Stein. Und der letztere ward
unter den Händen kundiger Meister zu jenen rassigen, phantastisch strebenden Architekturen, die der Stadt ihr Gesicht
gaben und Einfluß auf die Schloß- und Stadtbauten der Umgebung gewannen.
Strom, Acker und Berg wirken ihre schöpferischen Kräfte noch heute auf die Entwicklungsbereitschaft der Stadt
aus und scheinen ihr zugleich auch Grenzen ziehen zu wollen. Auf dem Boden, den diese naturhaft quellenden Mächte
bereiteten, vollzogen sich dann die Bewegungen, die wir Geschichte eines Stadtwesens nennen und die zumeist im
Gegeneiuanderspiel von Egoismen der Stände und Parteien und aus politischen und kulturellen Gründen sich aus-
wirkten. Als das Bürgertum uoch schläfrig blinzelnd in die Zeit spürte, waren es Adel und Klerus, die um die Herr-
schaft rangen. Dann wurde die Bürgerschaft breitbrüstig und steifnackig, bis die Fürsten Stadtgeschichte schrieben und sie in
der des Landes aufgehen ließen. Da wurde das Kalenberger Land Bestandteil des KönigreichsHannover. Im übrigen erlitt
die Stadt wie die
meisten anderen
die großen Kriege,
die sich hi er,da Ha-
meln als Festung
die Hüterin
wesentlicher An-
marsch- und Rück-
zugsstraßen war
besonders hart-
näckig einfraßen.
Aber alle dieseGe-
schehnisse wurden
bald tote Erinne-
rung bis aus eines,
das aus dem
Struppwerk mit-
telalterlicher Be-
gebenheiten als
grünend erMären-
baum ins Zeitlose
wuchs, — das war
der Kamps der
Stadt gegen den
Bischof Wedekind
von Minden in:
Abb. 21. Hameln, Rathaus, Hochzeitshaus und Bäckerscharreu.
tende Figürchen als Liebespfänder sich reichen, wie sie für alles Gute, für Menschenbeglückung schwärmen und mit
sich und ihren edlen Gefühlen ach! so zufrieden sind.
Heute find die besten Modelle der Rokokozeit wieder ans Licht gezogen. Und so erlebt die harmlos heitere
Kleinkunst jener Tage eine fröhliche Auferstehung. Ein Traum von Schönheit schwebt noch um die freundlichen
Häuschen, in denen damals die Blumenmaler ihre feinen, sinnvollen Sächelchen pinselten, hart am Rand der noch
unaufgeforsteten Sollingwildnis mit ihren verwegenen Wilddieben und scheuen Hinterwäldlern.
Hameln.
Von Bernhard Flemes, Hameln.
äe Stadt ist eine von den Siedelungen, deren Entwicklungslinie nicht von einem kräftigen Kulturwillen
sins Buch der Zeiten eingetragen wurde, die vielmehr in geistiger Hinsicht seit Anbeginn ihrer Ge-
^ schichte sich passiv verhielt und vorwiegend von den Mächten der Natur, der Landschaft, gestaltet wurde.
! Drei dieser Mächte waren bestimmend und formbildend, — der Strom, die fruchtbare Talbreite und
die Berge. Der Strom, im Verein mit den kreuzweis ihn überschneidenden oder ihn begleitenden
Talern, legte die Stelle der Siedlung fest und ließ nach der natürlichen Furt die Fähre, die Brücke, die Stadt und
das Wehr entstehen, füllte die Festungsgräben und gab die Möglichkeit eines Verkehrs in die Ferne. Er ist noch heute
wesentliche Lebensader der Stadt. Der Lehmboden des breiten Tales gewährte mit fetten Wiesen und reichen
Äckern der ländlichen Arbeit gutes Fortkommen und wurde vom Wasser unterstützt, das die Räder der Mühlen trieb.
Sie erwiesen sich so lebenswichtig für die Stadt, daß das Quereisen der Mahlsteine zum Kern des Stadtwappens
wurde, und noch heute sind die großen Mühlen die repräsentativsten Betriebe der Stadt. Die Berge aber, deren
Waldungen bis nahe an die Mauern Heranstreifen, waren damals und sind noch jetzt die dauernden Regenerations-
quellen der geistigen und körperlichen Volksgesundheit, sind es heute mehr denn je zuvor und machten Hameln zu
der Touristen- und Fremdenstadt, die es geworden ist. Zudem gaben sie Holz und Stein. Und der letztere ward
unter den Händen kundiger Meister zu jenen rassigen, phantastisch strebenden Architekturen, die der Stadt ihr Gesicht
gaben und Einfluß auf die Schloß- und Stadtbauten der Umgebung gewannen.
Strom, Acker und Berg wirken ihre schöpferischen Kräfte noch heute auf die Entwicklungsbereitschaft der Stadt
aus und scheinen ihr zugleich auch Grenzen ziehen zu wollen. Auf dem Boden, den diese naturhaft quellenden Mächte
bereiteten, vollzogen sich dann die Bewegungen, die wir Geschichte eines Stadtwesens nennen und die zumeist im
Gegeneiuanderspiel von Egoismen der Stände und Parteien und aus politischen und kulturellen Gründen sich aus-
wirkten. Als das Bürgertum uoch schläfrig blinzelnd in die Zeit spürte, waren es Adel und Klerus, die um die Herr-
schaft rangen. Dann wurde die Bürgerschaft breitbrüstig und steifnackig, bis die Fürsten Stadtgeschichte schrieben und sie in
der des Landes aufgehen ließen. Da wurde das Kalenberger Land Bestandteil des KönigreichsHannover. Im übrigen erlitt
die Stadt wie die
meisten anderen
die großen Kriege,
die sich hi er,da Ha-
meln als Festung
die Hüterin
wesentlicher An-
marsch- und Rück-
zugsstraßen war
besonders hart-
näckig einfraßen.
Aber alle dieseGe-
schehnisse wurden
bald tote Erinne-
rung bis aus eines,
das aus dem
Struppwerk mit-
telalterlicher Be-
gebenheiten als
grünend erMären-
baum ins Zeitlose
wuchs, — das war
der Kamps der
Stadt gegen den
Bischof Wedekind
von Minden in:
Abb. 21. Hameln, Rathaus, Hochzeitshaus und Bäckerscharreu.