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Zu den versunkenen gehört auch die Scholle, m:f der heute die Weserberge liegen, während Rheinisches Schiefergebirge, Thüringer Wald,
Schwarzwald, Vogesen nsw.zu den zwar eingeebneten, aber als Gebirge erhaltengebliebeneir Teileii des altenSteinkvhlengebirges zu zählen sind.
In den folgenden erdgeschichtlichen Zeiten erfuhr die Scholle der Weserberge ein wechselvolles Schicksal. Bald war sie der Boden
eines tiefen Meeres, bald der einer flachen See, dann sehr wahrscheinlich ein Küstengebiet mit Steppen oder gar Wüstencharakter; ja, viele
Jahrtausende hindurch lag sie zum Teil begraben unter mächtigen Jnlandgletschern, die jedes Leben im Eistvde erstarren ließen. Das Bild,
das ihre Oberfläche heute bietet, und das durch seine natürliche, unberührte Schönheit jedes empfängliche Herz überrascht und entzückt,
ist nicht der Abschluß einer langen Entwicklungsreihe, sondern nur das Glied einer Kette, deren Anfang und Ende dem forschenden Menschen-
geist verborgen ist.
Die Niveauverhältnisse des Weserlandes waren also oft sehr verschieden. Als Meer war es die Stätte der Ablagerung, d. h. aus den
angrenzenden Festländern trugen die Flüsse den Verwitterungsschutt herbei und lagerten ihn über dem in der Tiefe ruhenden Grundgebirge
ab. Die so entstehenden Gesteinslagen wuchsen zu immer mächtigeren Schichten empor. Anders dagegen in den Zeiten, in denen es über
die Wasseroberfläche hinausgehoben und zum Festland winde: Da setzte sofort die Tätigkeit der Verwitterung ein, zernagte die Oberfläche
und trug das lockere Material fort, um es an anderen Stellen durch Wasser oder Wind wieder abzusetzen.
Daß in den verschiedenen geologischen Zeitabschnitten nicht immer das gleiche Material abgelagert worden ist, zeigen die Klippen
zur Rechten und zur Linken des Flusses. Anfangs lugen zwar auf beiden Ufern die rötlichen Buntsandsteinfelseu aus dem grünen Kleide
der Bäume und Sträucher hervor, denn bis Beverungen fließt die Weser in engem Tal innerhalb der Buutsandsteinformation, und rechts
bleibt diese bis über Bodenwerder hinaus. Nur in der Gegend von Forst tritt der Muschelkalk, der von Beverungen ab das linke Ufer bildet,
für eine kurze Strecke auch auf das rechte über.
Solange der Strom auf der Grenze zweier Formationen tu windungsreichem Lauf seine Straße zieht, ist sein Tal meist breit und
geräumig; dort aber, wo sein Bett in die Gesteiuslagen einer Formation eingegraben ist, treten die Uferberge gewöhnlich eng zusammen,
eine Beobachtung, die auch talab mehrfach zu machen ist.
In der Nähe von Hameln löst die in der erdgeschichtlichen Altersfolge nächstjüngere Schicht, zunächst auf dem linken, dann auch auf
dem rechten Ufer den Muschelkalk ab: der Keuper. So geht es fort, je weiter nach Norden, um so jüngere Gesteine bilden die Erdoberfläche,
insbesondere die Erhebungen des Weserberglandes. Schaumburg und Areusburg liegen auf einem Jurafelsen des Wesergebirges, dessen
Bildung in einem Meere erfolgte, das von den gewaltigen Sauriern bewohnt wurde.
Eilsen ist dagegen von Bergen der Kreideformation umgeben.
Die Gesteinsschichten des Weserlandes sind kaum noch irgendwo in der horizontalen Lagerung erhalten, in der sie einst abgesetzt
wurden. Sie sind durch die gebirgsbildenden Kräfte der Erde gehoben, in Schollen zerbrochen, gegeneinander verschoben oder auch gefaltet.
Es entstanden deshalb Brüche, an denen sich die einzelnen Schollen gegeneinander verschoben.
Der Faltungsdruck scheint im Norden am stärksten gewesen zu sein; hier haben sich die zahlreichsten Sättel und Mulden gebildet,
deren Höhenunterschiede gerade durch die Bruchfaltung stärker herausgebildet wurden.
Das sind also die Vorgänge, die das Antlitz des Weserberglandes in seinen groben Zügen ausgestalteten.
Bei einheitlicher Oberflächengestaltung würde sicherlich die politische Karte des Weserberglandes weniger kaleidoskopisch geworden
sein, jedenfalls aber würden manche der Länder- und Verwaltungsgrenzen leichter gefallen und ein natürlicherer Zusammenschluß einzelner
Teile bei anderer Gestaltung der natürlichen Verkehrswege möglich gewesen sein. So sind z. B. die Städte Carlshafen, Höxter, Holzminden,
Polle und Hameln durch die Natur des Landes in ihrer Anlage beeinflußt und in ihrer Entwicklung begünstigt worden. Sie besitzen gegen-
über manchen ihrer zurückgebliebenen Geschwistersiedlungen eine ausgesprochene Verkehrslage.
Für den Verkehr von Norden nach Süden hat das Wesertal vom frühen Mittelalter bis in die Gegenwart hinein jedoch keine nennens-
werte Rolle gespielt, wenn man von der Schiffahrt ganz absieht.
Die völkerverbindende Straße zwischen dem Norden des westlichen Deutschland und dem Süden führte von jeher durch ein von der
Natur für die Ver-
kehrsbedürsnisse
besser ausgestattetes
Nebentalder Weser,
das Leinetal, durch
das eine der wichtig-
sten Nordsüdlinien
unseres Eisenbahn-
netzes zieht: die
Linie Hamburg —
Hannover — Kassel
— Frankfurt.
Warum das
Haupttal die eigent-
lich ihm zukommen-
de Aufgabe nicht er-
füllen konnte, geht
aus dem Gesagten
schon hervor. Der
Fluß berührt in
seinem windungs-
reichen Lauf die
steilwandigen Klip-
pen bald des rech-
ten, bald des linken
Ufers und ließ kei-
nen Raum für die
Anlage einer Kunst-
straße zu einer Zeit,
wo er noch als un-
gebärdiger, wilder
Geselle seinen Lauf
willkürlich verlegen
und seiuHerrschafts-
Abb. 46. Blick auf die Ruine Polle mit Weser.
Zu den versunkenen gehört auch die Scholle, m:f der heute die Weserberge liegen, während Rheinisches Schiefergebirge, Thüringer Wald,
Schwarzwald, Vogesen nsw.zu den zwar eingeebneten, aber als Gebirge erhaltengebliebeneir Teileii des altenSteinkvhlengebirges zu zählen sind.
In den folgenden erdgeschichtlichen Zeiten erfuhr die Scholle der Weserberge ein wechselvolles Schicksal. Bald war sie der Boden
eines tiefen Meeres, bald der einer flachen See, dann sehr wahrscheinlich ein Küstengebiet mit Steppen oder gar Wüstencharakter; ja, viele
Jahrtausende hindurch lag sie zum Teil begraben unter mächtigen Jnlandgletschern, die jedes Leben im Eistvde erstarren ließen. Das Bild,
das ihre Oberfläche heute bietet, und das durch seine natürliche, unberührte Schönheit jedes empfängliche Herz überrascht und entzückt,
ist nicht der Abschluß einer langen Entwicklungsreihe, sondern nur das Glied einer Kette, deren Anfang und Ende dem forschenden Menschen-
geist verborgen ist.
Die Niveauverhältnisse des Weserlandes waren also oft sehr verschieden. Als Meer war es die Stätte der Ablagerung, d. h. aus den
angrenzenden Festländern trugen die Flüsse den Verwitterungsschutt herbei und lagerten ihn über dem in der Tiefe ruhenden Grundgebirge
ab. Die so entstehenden Gesteinslagen wuchsen zu immer mächtigeren Schichten empor. Anders dagegen in den Zeiten, in denen es über
die Wasseroberfläche hinausgehoben und zum Festland winde: Da setzte sofort die Tätigkeit der Verwitterung ein, zernagte die Oberfläche
und trug das lockere Material fort, um es an anderen Stellen durch Wasser oder Wind wieder abzusetzen.
Daß in den verschiedenen geologischen Zeitabschnitten nicht immer das gleiche Material abgelagert worden ist, zeigen die Klippen
zur Rechten und zur Linken des Flusses. Anfangs lugen zwar auf beiden Ufern die rötlichen Buntsandsteinfelseu aus dem grünen Kleide
der Bäume und Sträucher hervor, denn bis Beverungen fließt die Weser in engem Tal innerhalb der Buutsandsteinformation, und rechts
bleibt diese bis über Bodenwerder hinaus. Nur in der Gegend von Forst tritt der Muschelkalk, der von Beverungen ab das linke Ufer bildet,
für eine kurze Strecke auch auf das rechte über.
Solange der Strom auf der Grenze zweier Formationen tu windungsreichem Lauf seine Straße zieht, ist sein Tal meist breit und
geräumig; dort aber, wo sein Bett in die Gesteiuslagen einer Formation eingegraben ist, treten die Uferberge gewöhnlich eng zusammen,
eine Beobachtung, die auch talab mehrfach zu machen ist.
In der Nähe von Hameln löst die in der erdgeschichtlichen Altersfolge nächstjüngere Schicht, zunächst auf dem linken, dann auch auf
dem rechten Ufer den Muschelkalk ab: der Keuper. So geht es fort, je weiter nach Norden, um so jüngere Gesteine bilden die Erdoberfläche,
insbesondere die Erhebungen des Weserberglandes. Schaumburg und Areusburg liegen auf einem Jurafelsen des Wesergebirges, dessen
Bildung in einem Meere erfolgte, das von den gewaltigen Sauriern bewohnt wurde.
Eilsen ist dagegen von Bergen der Kreideformation umgeben.
Die Gesteinsschichten des Weserlandes sind kaum noch irgendwo in der horizontalen Lagerung erhalten, in der sie einst abgesetzt
wurden. Sie sind durch die gebirgsbildenden Kräfte der Erde gehoben, in Schollen zerbrochen, gegeneinander verschoben oder auch gefaltet.
Es entstanden deshalb Brüche, an denen sich die einzelnen Schollen gegeneinander verschoben.
Der Faltungsdruck scheint im Norden am stärksten gewesen zu sein; hier haben sich die zahlreichsten Sättel und Mulden gebildet,
deren Höhenunterschiede gerade durch die Bruchfaltung stärker herausgebildet wurden.
Das sind also die Vorgänge, die das Antlitz des Weserberglandes in seinen groben Zügen ausgestalteten.
Bei einheitlicher Oberflächengestaltung würde sicherlich die politische Karte des Weserberglandes weniger kaleidoskopisch geworden
sein, jedenfalls aber würden manche der Länder- und Verwaltungsgrenzen leichter gefallen und ein natürlicherer Zusammenschluß einzelner
Teile bei anderer Gestaltung der natürlichen Verkehrswege möglich gewesen sein. So sind z. B. die Städte Carlshafen, Höxter, Holzminden,
Polle und Hameln durch die Natur des Landes in ihrer Anlage beeinflußt und in ihrer Entwicklung begünstigt worden. Sie besitzen gegen-
über manchen ihrer zurückgebliebenen Geschwistersiedlungen eine ausgesprochene Verkehrslage.
Für den Verkehr von Norden nach Süden hat das Wesertal vom frühen Mittelalter bis in die Gegenwart hinein jedoch keine nennens-
werte Rolle gespielt, wenn man von der Schiffahrt ganz absieht.
Die völkerverbindende Straße zwischen dem Norden des westlichen Deutschland und dem Süden führte von jeher durch ein von der
Natur für die Ver-
kehrsbedürsnisse
besser ausgestattetes
Nebentalder Weser,
das Leinetal, durch
das eine der wichtig-
sten Nordsüdlinien
unseres Eisenbahn-
netzes zieht: die
Linie Hamburg —
Hannover — Kassel
— Frankfurt.
Warum das
Haupttal die eigent-
lich ihm zukommen-
de Aufgabe nicht er-
füllen konnte, geht
aus dem Gesagten
schon hervor. Der
Fluß berührt in
seinem windungs-
reichen Lauf die
steilwandigen Klip-
pen bald des rech-
ten, bald des linken
Ufers und ließ kei-
nen Raum für die
Anlage einer Kunst-
straße zu einer Zeit,
wo er noch als un-
gebärdiger, wilder
Geselle seinen Lauf
willkürlich verlegen
und seiuHerrschafts-
Abb. 46. Blick auf die Ruine Polle mit Weser.