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Vereinigung zur Erhaltung Deutscher Burgen [Editor]
Der Burgwart: Mitteilungsbl. d. Deutschen Burgenvereinigung e.V. zum Schutze Historischer Wehrbauten, Schlösser und Wohnbauten — 27.1926

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Nr. 5/6
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Nonn, Konrad: Weser-Burgenfahrt 1926
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https://doi.org/10.11588/diglit.35077#0095
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Corveys Geschichte steht nicht nur in den Urkunden, sie steht auch im Bestände seiner Bauten geschrieben. Pro-
fessor Fuchs aus Paderborn führte in lichtvollem, gedrängten Bortrage in diese Geschichte ein. Der karolingische
Ursprung ist am Hauptgesicht der Kirche und in den Räumen der Turmanlage zu erkennen. Ein Zufall war es, daß
dieser ehrwürdigste Teil in der Barockzeit nicht der damals beabsichtigten Umänderung verfiel. Noch sehen wir am
Mauerwerk die Quaderaussparnngen, an welchen die vorgeschobene Barockfassade ihre Fortsetzung finden und den
alten Karolinger Teil ersetzen sollte. Deutlich wurden uns die Spuren gezeigt, da andere Zeiten den Bau nach Osten
erweiterten.
Auch die späteren weltlichen Besitzer sind auf den Spuren ihrer geistigen Vorgänger gewandelt. Bücherschätze waren es in erster
Linie, die hier gesammelt wurden. Ein Dichterleben konnte sich hier entfalten, dem Deutschland wundervolle Perlen zu verdanken hat.
„Deutschland, Deutschland über alles" entstand hier im Herzen Hoffmauns von Fallersleben, hier, wo der Kampf um deutsches Wesen
von Anbeginn unserer Geschichte wild gebrandet hatte.
Liebenswürdig öffnete der gegenwärtige Besitzer, Seine Durchlaucht der Herzog von Ratibor, Fürst zu Corvey,
den Burgenfahrern die Räume des Schlosses und bewirtete die zahlreichen Gäste am Schlüsse der Besichtigung.
Tiefen Ausdruck unserer Gefühle verlieh Exzellenz von Glasenapp den Worten, die er dem Herzogspaare als
Dank für die gestattete Besichtigung und für die gütige Bewirtung widmete. Lassen wir diese Ansprache zur Erinne-
rung an jene wundervollen Stunden im Wort-
laut folgen:
„Durchlauchtigster Herzog,
DnrchlauchtiMe ^ Frau Herzogin!
15 Jahre sind vergangen, seit die Ver-
einigung zur Erhaltung deutscher Burgen die
hohe Ehre hatte, auf den Stammsitzes der
Fürstlichen Familie Hohenlohe weilen zu dürfen,
den Stammsitzen, welche die Familie übex sieben
Jahrhunderte hindurch behauptet W. Im
Juni 1911 wurden die Burgenfahrer guf dem
Schloß Weikersheim, dem Schloß Langenburg
und dem durch unseren Vorsitzenden, Herrn
Bodo Eckhardt, wiederhergestellten Schloß
Neuenstein empfangen und in liebenswürdiger
Weise durch den Fürsten Hohenlohe-Langen-
burg, den hochverdienten langjährigen Statt-
halter von Elsaß-Lothringen, begrüßt.
Heute sind wir wiederum auf Hohenlohe-
schem Gebiete, in dein altberühmten Fürsten-
tum Corvey, der jüngsten Erwerbung des Abb. 48. Ruine Polle an der Weser, nach einem alten Druck.
Fürstenhauses. Wir befinden uns hier auf ur-
altem historischen Boden. Gerade die große historische Bedeutung des Weserlandes war es vor allem, die uns hierher
führte. Denn hier im Wesergebiete hat der Held Armin, der große Cheruskerfürst, die Schlacht im Teutoburger Walde
geschlagen, welche dem deutschen Volke sein Germanentum erhielt und unsere Romanisierung verhinderte. Und das
Wesergebiet war die Wiege des alten Deutschen Reiches, denn als nach dem Zerfall des Karolingischen Weltreiches das
Deutsche Reich sich in die einzelnen Stämme auszulösen drohte, hat der große König Heinrich der Vogeler die Stämme
wieder zum Reich znsammengefaßt, durch die Besiegung der Ungarn und durch die glücklichen Kämpfe gegen die Wenden
das Reich gefestigt und weit ausgedehnt, und sein Sohn Otto der Große hat dann auf dieser Grundlage dem Reich
eine glänzende Machtfülle gewonnen, welche die beherrschende politische Stellung und die hohe Kulturblüte, zu der
sich Deutschland im 12. und 13. Jahrhundert unter den großen Staufern erhob, vorbereitete und ermöglichte.
Gerade in dieser glänzenden Zeit wurzeln so recht die Bestrebungen unserer Vereinigung. Wenn wir uns
für die alten Burgen begeistern und uns um deren Erhaltung bemühen, so geschieht das doch nicht allen: aus Gründen
architektonischen Interesses oder in Anbetracht der landschaftlichen Schönheit, sondern vor allem, weil uns die Burgen
ein Sinnbild deutscher Wehrhaftigkeit und eine Stätte deutscher Kultur sind. Denn die eigenartige Gestaltung der
„ritterlichen Gesellschaft", die sich während des 12. Jahrhunderts in Deutschland verbreitete, fand ihr Heim vor allen:
in den Schlössern und Burgen. Hier entwickelte sich die feine Lebensart, die jene Zeit auszeichnete, die Courtoisie,
der Frauenkultus. Hier waren die Sitze der Kunst, insbesondere der Dichtkunst, die in Wolfram von Eschenbach und
Walther von der Vogelweide ihre größten und glänzendsten Vertreter fand, lind wie das gesellschaftliche Leben
und die Dichtung um jene Zeit in den Schlössern und Burgen gepflegt wurde, so entfaltete sich die Wissenschaft in
den Klöstern.
Das altberühmte Corvey steht in dieser Hinsicht obenan. Von Ludwig dem Frommen gegründet, ist es bald ein
Heim der Wissenschaft geworden, dessen Glanz ganz Deutschland erleuchtete. Von hier ist Ansgar, der große Apostel
des Nordens, ausgegangen, hier lebte Widukind, der große Geschichtsschreiber Otto des Großen, hier wirkte Bruno,
 
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