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Vereinigung zur Erhaltung Deutscher Burgen [Hrsg.]
Der Burgwart: Mitteilungsbl. d. Deutschen Burgenvereinigung e.V. zum Schutze Historischer Wehrbauten, Schlösser und Wohnbauten — 27.1926

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Nr. 5/6
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Scherman, Leopold: Holzminden, ein bedeutsames Stadtgebilde an der Oberweser
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https://doi.org/10.11588/diglit.35077#0105
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Abb.56. Holzminden, Mittlere Straße (Blick durch das
Torhaus). (Aufnahme Apotheker W. Eifert.)

Siedlung gewissermaßen aufgefangen. Hundert Jahre nach
Erhalt der Stadtrechte, um 1350, war auch unsere Stadt auf-
geblüht. Vor unserem geistigen Auge steigt das bunte Bit-f-
einer mittelalterlichen Stadt auf. Die Entwicklung wird im
wesentlichen ostwärts vor sich gegangen sein.
Mittlere Straße. Kirchstraße.
Die heutige Wallstraße wird in alten Stadtpläneu noch
„hinter dem Walle" genannt. Wenn oben gesagt wurde, daß der
Städtebau zu Ende des vorigen Jahrhunderts der Entwicklung
der Dinge sich nicht gewachsen gezeigt hat, so muß dem Mittel-
alter nachgesagt werden, daß es in stadtgesundheitlicher Hinsicht
vollkommen hilflos war. Die Epidemien vor 500 und 600 Jahren
haben furchtbar gewütet. Damals wird auch der Kirchhof iu
der Stadt zu klein geworden sein, und man wird ihn vor die
Tore der Stadt gelegt haben: an die Neue Straße, die damals
Twetje hieß.
Sicher hat das Handwerk — es sei erinnert an Wolffs
poetische Schilderung der Überwindung der mittelalterlichen
Baukunst und des Einzugs der Renaissance in Hildesheim —
auch unserer Stadt die neue, vom Süden her kommende
Kultur zugeführt.
Die Baudenkmäler jener Zeit hat uns der Dreißig-
jährige Krieg fast alle genommen. Nach alten Urkunden lag zu
Ende des Krieges die Burg und die ganze Stadt in Trümmern.
Nur die Kirche, das damalige Rathaus (das jetzt Tischlermeister
Schuhwichtsche Haus an der Uferstraße) und das Tillyhausam
unteren Ende der Grabenstraße hatten die Stürme des Krieges
einigermaßen überstanden. Wenn der Fremde „Weser-
renaissance" sehen will, dann muß er schon nach dem Schlosse Bevern bei Holzminden gehen, eine einstündige Wanderung
auf schöner Straße führt ihn ans Ziel. Dann lernt er freilich mit das Schönste kennen, was die deutsche Renaissance
geschaffen hat. Auch die Barockzeit hat Erinnerungen hinterlassen. Ihren Spuren nachzugehen ist in Holzminden und in
den Dörfern unserer Umgebung (Albaxen!) deswegen sehr reizvoll, weil die absolutistische Form — das Barock ist der Aus-
druck des Absolutismus, des Fürstenwillens — auf die bäuerliche Grundform aufgepfropft ist. Um diese Zeit beginnt
die Sitte oder auch die Unsitte der Verleugnung des Fach-
werks. Es wird überputzt, um die Steinbauten der Fürsten
und Herren vorzutäuschen. Karlstraße und Hintere Straße
wahren, wenn auch in bescheidener Form, diese Über-
lieferungen. Der alte Posthof (Balkesches Haus) gehört
schon der klassizistischen Zeit an, ebenso wie eine Reihe von
Häusern der Neuen Straße, vor allem das Gebäude der
Kreisdirektion, einer wertvollen Schöpfung Ottmers, eines
der besten Schüler Schinkels. Das klassizistische Gewand des
Marktes hat diesen: seine alte Schönheit nicht genommen.
Markt. Kreisdirektion.
Uferstraße mit altem Gymnasium.
Die Stadtverwaltung war bemüht, durch Aufstellung
eines Siedlungsplanes der neuen Zeit die Wege zu be-
reiten. Es wird angestrebt, die Lücken im Stadtbilde zu
schließen. Die alten Winkel, besonders außerhalb der
Ausfallstraßen, sollen erhalten bleiben.
Soweit als möglich sollen die städtebaulich mißver-
standenen Wegeanlagen der Jahre um 1890 umgeformt
und nach zeitgemäßen Anschauungen in das Stadtbild
eingegliedert werden. Die Stadterlveiterung geht Plan-
mäßig vor sich. Ein grünes Band wird sich demnächst wall-
artig um den erweiterten Stadtkern legen. Der neue Spiel-
und Sportplatz liegt bei den Teichanlagen. Andere Grün- Abb. 57. Holznünden, Kirchstraße.


(Aufnahme vr. M. Thiele.)
 
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