Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Vereinigung zur Erhaltung Deutscher Burgen [Hrsg.]
Der Burgwart: Mitteilungsbl. d. Deutschen Burgenvereinigung e.V. zum Schutze Historischer Wehrbauten, Schlösser und Wohnbauten — 27.1926

DOI Heft:
Nr. 5/6
DOI Artikel:
Jacob, Bruno: Die Stadt als Großburg: Wolfhagen, Wüstung Landsberg und Zierenberg in Niederhessen
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.35077#0107
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
81

köpf, ist wohl auch die Ursiedelung von Hersfeld anzusprechen. Daß hier das Kloster zu einem zweiten Kerne der
Stadt ward, hängt aber gewiß auch mit der verkehrsgeographischen Stellung des Platzes zusammen.
Ganz anderer Art sind die Entstehungsbedingungen für die kleinen niederhessischen Städte Wolfhagen und
Zierenberg, und in Verbindung mit der erstgenannten Stadt steht die kurze Geschichte der ihr benachbarten Wüstung
Landsberg, einer im Keime erstickten Stadt. Während in Kassel und Hersfeld die Erteilung der Stadtrechte nur den
Abschluß einer längeren Entwicklungsreihe darstellt, nur die Verbriefung, die „notarielle Beglaubigung" eines cle
kueto längst vollzogenen Prozesses, erfolgte die Anlage von den genannten kleinen hessischen Städten durch einen landes-
fürstlichen Willensakt: der Landesherr errichtete mit den materiellen und rechtlichen Mitteln seiner Zeit Großburgen.
Es wird zunächst gut sein, sich die Politische Geographie in der nordwestlichen Ecke des niederhessischen Landes
zu vergegenwärtigen.
Die Grafschaft Hessen war durch Erbgang an das thüringische Landgrafenhaus gefallen, mit dein sie bis zu
dessen Aussterben verbunden blieb. Aber man betrachtete Hessen zumeist als eine Art Sekundogenitur, die einer der
nachgeborenen Söhne verwaltete: es waren nur Allodialgüter des Hauses, und dies ermöglichte dann auch den Über-
gang der hessischen Besitzstücke auf den Enkel des vorletzten Landgrafen, Ludwig I V., den Gemahl der heiligen Elisabeth,
die auch innerhalb des hessischen Allodiums, zu Marburg, ihre letzte Ruhestätte gefunden hatte und so dem Sohne
ihrer Tochter Sophie (von Brabant), Heinrich I., dem Kinde, eine starke moralische Stütze ward.
Der Schwager der heiligen Elisabeth, Landgraf Konrad von Thüringen-Hessen, war im zweiten Jahrzehnt des
13. Jahrhunderts der Inhaber der hessischen Sekundogenitur.
Unsicher war die nördliche und nordwestliche Grenze seines niederhessischen Besitzes. Hier stieß die Grafschaft
Waldeck, die zumeist kurmainzisches Lehen war, zusammen mit Hessen, Kurköln besaß das Städtchen Volkmarsen
mit der festen Kugelburg als östlichen Vorposten des Herzogtums Westfalen, Paderborn war an der mittleren
Diemel stark interessiert, und im übrigen füllte eine Menge kleinen Adelsbesitzes das Land, meist Lehnsträger der
verschiedenen obengenannten Herren. Ferner hatte noch Kur Mainz im Zuge der Kette fester Plätze über Fritzlar
bis nach Hofgeismar seine Hand in Niederhessen, und mit der Herstellung einer selbständigen Landgrafschaft Hessen
brach hier auch der Konflikt aus, der fast zwei Jahrhunderte hindurch die hessisch-mainzischen Beziehungen beherrscht,
bis auf dem Felde von Englis (23. Juli 1427) die endgültige Entscheidung für Hessen fiel.
Zur Verstärkung der nordwestlichen Ecke seines Besitzes legte nun der Landgraf Konrad die Stadt Wolf-
hagen an. Man kann den Stadthügel als einen der letzten westlichen Ausläufer des Habichtswaldes ansprechen. Nach
Norden, Westen und Süden steil abfallend und nur nach Osten hin sanfter abdachend, wird der Fuß, vornehmlich im
Westen, von einem System kleinerer Bäche umschlungen, die zur Erpe entwässern und damals wohl sumpfige Wiesen
bildeten. Zum Teil deckten später Teiche, die noch heute dem Teichtore und der Teichmühle den Namen geben, den
nordwestlichen Zugang, dort, wo die Straße gen Volkmarsen und Landau (Waldeck) die Stadt verläßt. — Der starke,
leider verschwundene Torturm, der „Teichturm", in dem sich eine Münzstätte befand, scheint durch eine Barbakane
gedeckt gewesen zu sein.
Die Anlage der Stadt geschah in der Weise, daß man die Bewohner von 16 Ortschaften, die heute noch als
Wüstungen bekannt sind, in der neuen Gründung zusammenzog und die Feldfluren der Dörfer zur Flur der Stadt
zusammenschloß. Der Name wird wohl einfach dem neubesiedelten Höhenrücken entnommen sein, — und die erste
Befestigung der Stadt geschah durch Erdwälle mit Pallisadierung. Es war das die allgemeine Übung, und wenn
der Landesherr den neu entstehenden Städten
Freiheiten in bezug auf Zins und Lasten ge-
währte, so war fast regelmäßig die Verpflich-
tung darangeknüpft, daß die Bürgerschaft
dafür Mauern und Türme zu errichten habe.
Da Wolfhagen erst im Jahre 1305 diese
erhielt und ganz analog bei der Anlage der
dritten Stadt von Kassel, der „Freiheit",
verfahren ward, so haben wir hier das Werden
und Wesen der damaligen Städte in der üb-
lichen Form vor uns.
Für den Territorialherrn bedeutete die
Entlassung der Bauern aus dem Verbände
der Grundholden einen materiellen Verlust.
Dazu kam ferner, daß die Stadt die Land-
standschaft gewann und damit zu politischem
Einflüsse gelangte, was sich in Hessen (wie
auch sonst im deutschen Westen) aber erst un-
liebsam bemerkbar machte um die Wende des
14. Jahrhunderts. Aber der Territorialherr
gewann die militärische Sicherung des Abb. 59. Schloß Hehleil an der Weser.
 
Annotationen