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Deutsche Gesellschaft für Christliche Kunst [Hrsg.]
Die christliche Kunst: Monatsschrift für alle Gebiete der christlichen Kunst u. der Kunstwissenschaft sowie für das gesamte Kunstleben — 16.1919/​1920

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M. Müller: Zu Grünwalds Isanheimer Altar
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https://doi.org/10.11588/diglit.55380#0140

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124

ZU GRÜNEWALDS ISENHEIMER ALTAR


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W. F. S. RESCH, KRIEGERDENKMAL IN DER PFARRKIRCHE ZU WALLER-
STEIN BEI NÖRDLINGEN
F^-Z. Abb. S. 125

ZU GRÜNEWALDS
ISENHEIMER ALTAR
Durch welche Ideen ist die Komposi-
tion von Grünewalds Isenheimer
Altar veranlaßt? Wie kommt es, daß
die abgeklärt ruhige Gestalt des Antonius
neben dem schmerzzerrissenen Bilde der
Kreuzigung steht? Wie erklärt sich be-
sonders die Zusammenstellung des ein-
mal geöffneten Altares: Mariä Verkün-
digung, Engelkonzert, Mutterglück, Auf-
erstehung? Ein Beitrag zur Lösung die-
ser Frage sei in folgendem gegeben.
Der geschlossene Altar zeigt in der
Mitte den Kreuzestod Christi, rechts
Sebastian von Pfeilen durchbohrt, links
Antonius, auf den ein Teufel fauchend
losfährt. Der Gedanke, der diese drei
Darstellungen zu einer Einheit zusam-
menfaßt, ist das Problem des Leidens.
Grünewald sucht in künstlerischer Form
die Lösung dieses Problems zu geben
und zwar auf Grund christlicher Theo-
logie und Mystik. In der Mitte stellt er
darum den Leidensmann katexochen,
der die Frage nach dem Ursprung und
Zweck des Leidens theoretisch gelöst:
das Leiden ist in Gottes Plan und soll
zu Gott führen, und der die Durch-
führung dieser Lehre in seinem Leiden
und Sterben gezeigt hat. Rechts und
links von Christus stellt Grünewald als
Träger des menschlichen Leidens Se-
bastian und Antonius, ersteren als Ver-
treter des körperlichen, letzteren als Ver-
treter des seelischen Leidens. Um die
Theorie vom göttlichen Ursprung und
Endziel des Leidens möglichst klar ver-
ständlich darzustellen, wählt Grünewald
zwei solche Formen von Leiden, deren
Ursache ersichtlich in Gottes Ordnung
liegt, und deren Überwindung nur in
vollkommener Hingabe an Gott möglich
ist: Martyrium und Versuchung. Die
Ruhe und Fassung, mit der die beiden
Heiligen ihr Leid tragen, zeigt, daß sie
Ursprung und Zweck des Leidens voll
erkannt haben, daß sie wissen, daß im
Leiden eine neue Schönheitsform der
Seele heranreift und die Persönlichkeit
dadurch in innigere Beziehung zu Gott
tritt. »Leiden macht mir den Menschen
inniglich, denn der leidende Mensch
ist mir ähnlich .... zwar werden die
Leidenden von der Welt die Armen ge-
nannt, von mir aber die Seligen, denn
sie sind meine Auserwählten«, läßt
 
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