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Deutsche Gesellschaft für Christliche Kunst [Hrsg.]
Die christliche Kunst: Monatsschrift für alle Gebiete der christlichen Kunst u. der Kunstwissenschaft sowie für das gesamte Kunstleben — 16.1919/​1920

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Feulner, Adolf: Der Kreuzweg von Januarius Zick in St. Ulrich Augsburg
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Herbert, M.: Etwas von Bäumen in der Kunst
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https://doi.org/10.11588/diglit.55380#0185

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ETWAS VON BÄUMEN IN DER KUNST

167

von Manierismus zur Erscheinung kommt, so
ist das Zeitstil. Man hat die lebhaften Be-
wegungen im 18. Jahrhundert mit anderem
Auge angesehen wie wir.
Hervorzuheben ist die feine, farbige Behand-
lung. Die gebrochenen Rokokofarben sind
auf allen Stationen wie zu einem Blumen-
bukett zusammengebunden, in zartfarbiger,
fröhlicher Buntheit, die mit dem inhaltlichen
Ernst der Szene seltsam kontrastiert.
ETWAS VON BÄUMEN IN DER
KUNST
Plauderei von M. HERBERT
T n der Kasseler Gemäldegalerie, die reich an
I niederländischen Meisterwerken ist, und
Schätze von Rembrandt und Rubens beher-
bergt, hängt auch ein großes Landschaftsbild
des berühmten Haarlemer Malers Jakob van
Ruisdael, der um 1629—1682 lebte und als
Spitaler starb.
Das Gemälde stellt einen Wasserfall dar und
ist nach Albrecht Dürers Rezept der Natur
aus dem Innersten herausgerissen mit Riesen-
kräften und intimster Beobachtung. Schwer-
mütiges graues Licht ist über der Schlucht,
durch die der Gießbach mit Gischt und Schaum
lebendig über Farn und moosigen Stein hüpft,
springt, stäubt, rieselt und plätschert. In
diesem stillen Licht stehen auch die Hänge-
birken am Wasserrande und all das reiche
Gepflanz der Uferflora, das sich da auftut,
ganz gesättigt von dem feuchten Segensele-
ment. Gedämpft, ruhig, seelenvoll, unauf-
dringlich ist das alles und hält fest, wenn
man sich einmal hineinschaut. Diesem Bilde
schulde ich die Liebe zur Landschaft, die mir
manche Lebensstunde erhellt. Und das kam so!
Jemand sagte mir einmal in meiner ersten,
unnachdenklichen Jugend: Dieser Wasserfall
Jakob Ruisdaels sei ein unvergleichliches Kunst-
werk und meinem langen Bemühen, die Be-
hauptung zu begreifen, ging dann endlich die
Erkenntnis auf, daß das Große in Landschaft,
Leben und Kunst im Beobachten dessen liegt,
von dem Alltagsaugen gar nichts sehen. Seit-
dem lernte ich Schritt für Schritt im Unschein-
baren die Schönheit erkennen und kam auch
zu den Bäumen und ihren Herrlichkeiten.
Vielleicht fangen weitere Volkskreise erst an,
die ganze malerische, stetig wechselnde Schön-
heit des Baumes zu würdigen, denn die Künst-
ler sind im Schauen und Erkennen der Mit-
welt oft um Jahrhunderte voraus. Ehe Corot
und Rousseau, ehe die von Dachau und Worps-
wede es wagen durften, ein ganzes Leben fast

JAN. ZICK KREUZABNAHME
zj. Station in St. Ulrich zu Augsburg


nur dem Studium des Baumes in seinen Sta-
dien und Beleuchtungen und immer wieder
des Baumes zu widmen, ohne daß deshalb
jemand behaupten würde, sie könnten nicht
zu den großen Künstlern gezählt werden,
mußten lange, lange Zeiten verstreichen. Die
italienischen Maler, die Primitiven sowohl als
die Humanistischen der Renaissance, hatten
nur ein Ziel. Unermüdlich in tausend Formen
und Farben, in tausend Gedanken behandelten
sie das schier unausschöpfliche Thema: Gott
und Mensch. Sehr oft ward denn in den
Tagen der Hochrenaissance Gott vergessen
und nur des Menschenleibes in seiner Voll-
kommenheit gedacht; denn viele jener Künst-
ler wandten sich wieder der Antike zu, aus
der die Formschönheit der italienischen Kunst
wie Aphrodite aus dem Meere gestiegen war.
Die bildende Kunst der Antike aber wußte fast
nichts von den Bäumen, von denen doch ihre
Mythologie so manches Tiefsinnige fabelte.
Botticelli, der anmutreiche Florentiner, liebte
das klassische Gezweig des Lorbeers, liebte es so
sehr, daß selbst die Bäume, an denen auf dem
berühmten Bilde »Allegorie des Frühlings«
der Hesperiden goldene Äpfel reifen — Lor-
 
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