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Dehio, Georg; Bezold, Gustav von
Die kirchliche Baukunst des Abendlandes (Band 1) — Stuttgart, 1892

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https://doi.org/10.11588/diglit.11368#0023
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Erstes Kapitel.

Geschichtliche Stellung.

»Vjrott ist ein Geist, und die ihn anbeten, die müssen ihn im
Geist und in der Wahrheit anbeten.« »Er wohnt nicht in Tempeln, die
mit Händen gemacht sind; sein wird auch nicht von Menschenhänden
gepflegt, als der jemandes bedürfe.« »Wo zwei oder drei versammelt
sind in meinem Namen, da bin ich mitten unter ihnen.« »Und wenn
du beten willst, so gehe in dein Kämmerlein und schliesse die Thür
hinter dir zu.« — Das ist die Gesinnung des ältesten Christentums.

Aber noch sind nicht drei Jahrhunderte seit dem Kreuzestode des
Stifters dahingegangen, und das römische Reich, vom Nil bis an den
Rhein, vom Euphrat bis an die Säulen des Herkules, wird erfüllt von
ungezählten christlichen Tempeln, strahlend in allem erreichbaren
Glänze von Marmorsäulen, Mosaikgemälden, Goldschmuck, Purpurseide;
Schauplätzen umständlicher, die Wirkung auf die Sinne nicht ver-
schmähender gottesdienstlicher Pompe; die weiten Vorhöfe, heiligen
und allerheiligsten Räume sorglich geschieden nach streng abgemessenen
Ordnungen der Neophiten, Büsser, Gläubigen, des Laienstandes und
der geweihten Priesterschaft.

Welch ein Kontrast und Umschwung!

Diese Religion, die in bewusstestem Gegensatz zu den Religionen
der alten Welt in ihrer Gottesverehrung ganz geistig, an keine sinn-
lichen Symbole, an keine auserwählten heiligen Oerter gebunden sein
 
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