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Dehio, Georg; Bezold, Gustav von
Die kirchliche Baukunst des Abendlandes (Band 1) — Stuttgart, 1892

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https://doi.org/10.11588/diglit.11368#0678
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Zweites Buch: Der romanische Stil.

noch malerischer abgestimmten Schillerlichtes — so gewinnen wir von
der künstlerischen Erscheinung der romanischen Kirchen auch schon
in der Frühzeit eine ungleich günstigere Vorstellung; so kahl, un-
fertig, gleichförmig, der individuellen Stimmung entbehrend, wie sie
heute in ihrer Blosse sich darstellen, sind sie nie gewesen.

Einige spezielle Bemerkungen über die Wandmalerei seien hinzu,
gefügt. Sie besass keinen ursprünglichen und in sich selbst begrenzten
Stil, sie war Surrogat für andere in kostbareren und dauerhafteren
Materialien ausgeführte Dekorationsarten. Demgemäss lassen sich
innerhalb der Wandmalerei unterscheiden: ein Mosaikenstil, ein Teppich-
stil, ein Inkrustationsstil — Nüancen, die zwar in der elastischen
Technik der farbigen Tünche ineinander übergehen können, aber
niemals ganz ihren Ursprung verleugnen. Bezeichnend ist, dass auf
das echte Material kein grundsätzlicher Verzicht geleistet wird. Säulen
in buntem Marmor oder Porphyr oder Basalt oder sonstigem edleren
Gestein sind immer höher geschätzt worden, als bloss bemalte. Die
Glasstiftmosaik blieb den nordischen Ländern unerreichbar und wurde
auch in Italien in dem vollen Umfange wie in der altchristlichen und
byzantinischen Kunst jetzt nur in Sicilien und Venedig ausgeübt; im
römischen Gebiet beschränkte sie sich auf Apsiden, Triumphbogen,
Fassaden; schon in Toskana und vollends in Oberitalien war sie ein
nichts weniger als häufiger Luxus. Dafür liebt die toskanische Schule
auch im Innenbau die Inkrustation mit Marmoren in mehreren Farben;
in Oberitalien wird Backstein mit Kalkstein zusammengestellt; in
Deutschland, am häufigsten im Ii. Jahrhundert, Sandstein von zwei
Farben. Hierdurch wird bezeugt, dass einseitige Vorliebe für grelle
Farbenwirkung (deren sich die modernen Restauratoren so oft schuldig
machen) nicht bestand. Vielmehr dürfen wir auch der bloss gemalten
Dekoration zutrauen, dass sie, dem Prinzip des Teppichstils ent-
sprechend , die zwar ungebrochenen Farben doch so verteilt haben
wird, dass sich die Kontraste in einen milden Gesamtton auflösten.

Die Voraussetzungen veränderten sich mit dem Uebergang zum
Gewölbebau. Er machte die grossen zusammenhängenden Wand-
flächen verschwinden, führte eine eigentlich architektonische Gliederung
mit vorwaltender Höhenrichtung ein; gleichzeitig trat an die Stelle
des flächenhaften das skulpierte Ornament. Da wurde die Aufgabe
des Malers eine andere, beschränktere und vielfach schwierigere. Vor
allem durfte die Deutlichkeit der plastischen Form keinen Abbruch
erfahren, welches indessen leicht eintreten konnte, wenn die im diffusen
 
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